Viele Projekte, noch mehr Persönlichkeiten

Kirchenkirnberger Autorin Sylvia Bäßler meldet sich nach einer Auszeit zurück – Ein Gespräch über das Schreiben und Leben

Wenn Sylvia Bäßler an einem Stoff und Buch arbeitet, genießt sie jede Phase. Die Recherche vor Ort nutzt sie als Chance, Menschen zu treffen und in die Materie einzusteigen, sich so auch ein Stück weit ihre Umgebung und deren Geschichte zu erarbeiten. Genauso kann sie im Schreiben versinken, sich vom kreativen Schaffen mitreißen lassen. Wohat man schon die Möglichkeit, in unzähligen Gewändern und als verschiedenste Persönlichkeiten unterwegs zu sein? Im Unterschied zum Schauspiel heißt das Schreiben, Erschaffer, Regisseur und Spieler zugleich zu sein.

Sylvia Bäßler verbindet mit der Welzheimer Klingenmühle eine spannende Recherchezeit. Über Erzählungen von früher kam sie zur Idee für ihr neues Romanprojekt. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Sylvia Bäßler verbindet mit der Welzheimer Klingenmühle eine spannende Recherchezeit. Über Erzählungen von früher kam sie zur Idee für ihr neues Romanprojekt. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Nach ihren Romanen „Im Schatten der Eichen“, „Im Zeichen der Fische“ und „Welschensommer“ war es um Sylvia Bäßler vor rund zwei Jahren relativ ruhig geworden – zu einem Zeitpunkt, an dem ihr drittes Buch frisch herausgekommen war und eigentlich Lesungen auf dem Plan hätten stehen können. Nicht ohne Grund. Die Kirchenkirnbergerin war mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Nach verschiedenen Behandlungsphasen ist die Therapie seit Längerem abgeschlossen, sie ist tumorfrei. „Da bekommt man schon noch mal eine andere Sicht aufs Leben“, sagt sie. Die Prioritäten verschieben sich. Sie hat vorerst Abschied von ihrer Präsenz als Autorin im Internet genommen, auch weil sie dort heftiger Kritik – sie vermutet, dass Trolle dahintergesteckt haben – ausgesetzt war, und konzentriert sich auf sich und das, was ihr guttut. Und dazu gehört definitiv auch das Schreiben.

Historische Themen und überlieferte Sagen faszinieren sie

Sie hat ihren Mittelalterroman „Im Zeichen der Fische“ überarbeitet, der nun in einer Neuauflage und mit neuem Cover erschienen ist, und sie wagt sich nun auch an einen neuen Stoff. „Es ist die Fortsetzungsgeschichte zu meinem ersten Roman ‚Im Schatten der Eichen‘, ich geh also zurück zu den Wurzeln“, erzählt sie. Der Besuch der Veranstaltung „Ebnisee für alle“ setzte Schlaglichter auf historische Themen, an die sie später in ihrer Recherche anknüpft. Insbesondere der Konflikt zwischen Müllern und Flößern lässt sie nicht mehr los. „Durch eine Lesung hatte ich Kontakt mit Carola Kaufmann von der Klingenmühle. Sie und ihr Lebensgefährte haben mir viel zum Hintergrund erzählt“, sagt sie und skizziert den Kern des Streits: Die Müller wehren sich, weil der Mühlkanal beim Holztransport auf dem Wasser beschädigt wird und die Flößer nichts zahlen wollen. Auch von einem zweiten Ort in Welzheim ist sie fasziniert – dem Tierbad, eine Quelle, von der man sich erzählt, dass Menschen einst beobachtet haben, wie verwundete Tiere (zu Beginn ein angeschossener Hirsch) durch das Wasser Heilung fanden, und sie später selbst dazu nutzten. Sylvia Bäßler hat die Gegend auch zu Fuß erkundet, sich zudem zum Beruf der Köhler schlaugemacht und mit jungen Leuten des Köhlervereins Schwäbischer Wald gesprochen, als sie gerade einen Schaumeiler anlegten. Absolut dankbar ist sie für die vielen helfenden Hände, die sich bei der Recherche auftun. Sie hat sich über ihre Bücher und die bisherigen Projekte eine Basis geschaffen, die es leichter macht, an ihre Informanten heranzutreten. Dazu gehört auch das Vertrauen, dass sie mit dem Material verantwortungsvoll umgeht.

Mittlerweile steht schon der Rohbau der neuen Geschichte, auch hat Sylvia Bäßler schon einiges geschrieben. „Spätestens, wenn ich von den Figuren träume oder Dialoge auftauchen, kann es losgehen“, sagt sie. Zum zweiten Band von „Im Schatten der Eichen“ verrät sie zumindest so viel, dass er wieder zwischen Historie und Fantasie angesiedelt ist und das Thema Austausch zwischen den Generationen eine wichtige Rolle spielt. „Ich finde, die Erwachsenen sollten auch den Jungen zuhören, ihre Wünsche und Ideen ernst nehmen.“

Der Neustart klingt voller Tatendrang. Aber Sylvia Bäßler erzählt genauso, dass es zuvor auch schwere Phasen gab. „Zwischendrin dachte ich, ich schreib gar nichts mehr. Man setzt sich mit seinen Büchern ja auch der Kritik aus und mit ihr gut umzugehen, ist schwer“, sagt sie. Die Kirchenkirnbergerin hat es aber geschafft, einen Weg für sich zu finden. „Ich zieh mir den Perfektionismusstiefel nicht mehr an, sage mir, ich bleibe schon an der Realität, nehme mir aber an bestimmten Punkten auch die Freiheit, aus diesen Zwängen auszubrechen.“ Hinzu kommt, dass sie sich als Autorin auch sicherer fühlt. Da ist das Wissen, dass manche Details beim Schreiben wie das Aufspüren der historisch passenden Wörter einfach ihre Zeit benötigen, gleichzeitig findet sich der rote Faden einer Geschichte schneller.

Zudem tut sich ein Schatz an Ideen für weitere Projekte auf. Über den Weg gelaufen ist Sylvia Bäßler beispielsweise das Thema Murrtalbahn, die so viele Geschichten im Gepäck hat. Mit den Reisenden und dem Unterwegssein verbinden sich Schicksale, Begegnungen und Anekdoten, die sie gerne einmal sammeln oder bündeln würde – beispielsweise auch als Herausgeberin.

Im Moment macht die Kirchenkirnbergerin zudem eine Ausbildung in begleitender Seelsorge, weil sie sich in der Kirchengemeinde in dieser Richtung engagieren möchte. Im Zuge dessen hat sie auch das Mutmachende und Trostspendende von Texten und der poetischen Arbeit (wieder-)entdeckt und könnte sich vorstellen, in dieser Richtung mal ein Buchprojekt anzugehen. Ebenso hat sie sich intensiv mit der Bibel beschäftigt, der Glaube spielt für sie eine wichtige Rolle. Spannend fände sie es, biblische Geschichten einmal mit einem ganz modernen Zugang oder Ansatz zu erzählen. Auf der Liste steht außerdem noch die Option, sich mit der eigenen Familiengeschichte – der Flucht ihrer Eltern während des Zweiten Weltkriegs – zu befassen und sie aufzuarbeiten.

Ihre Familie nimmt Rücksicht, wenn sie in einer Schreibphase steckt

Somit ist klar – die Ideen sprudeln. Sylvia Bäßler hat Lust, Dinge immer wieder neu zu entdecken, die Möglichkeiten beim Schreiben potenzieren sich auch noch mal, weil man in die verschiedensten Charaktere schlüpfen kann. „Ich hab sozusagen eine multiple Persönlichkeit“, sagt Sylvia Bäßler und grinst. Froh ist sie darüber, dass ihre Familie – Mann, Tochter und Sohn – ihre Leidenschaft so selbstverständlich unterstützt. „Wenn ich schreibe, nehmen sie Rücksicht, weil ich einerseits euphorisch, andererseits auch zerstreuter und nicht so ansprechbar bin.“

So wie Sylvia Bäßler das Schreiben erfüllt, möchte sie auch etwas an den Leser weitergeben. Sie hofft, dass sie mit ihren „Geschichten ein bisschen Licht und Hoffnung in die Welt bringen und zugleich Lust auf Eigenverantwortung machen“ kann. Nicht zuletzt, weil das Leben ein Tanz sei und in diesem Sinne genossen werden sollte. Das Schreiben hilft ihr auch in diesem Sinne – zurückzublicken, über die Wurzeln nachzudenken, um dann mit diesem Wissen die Zukunft gestalten zu können.

Info
Neuauflage

Die inhaltlich und sprachlich leicht überarbeitete Neuauflage des historischen Romans „Im Zeichen der Fische“ der Kirchenkirnberger Autorin Sylvia Bäßler ist im Buchhandel erhältlich. Das Titelbild der Neuauflage zeigt ein Gemälde der Murrhardter Hobbymalerin Erika Dangel, die in der Entengasse eine eigene Galerie betreibt. Books on Demand, Norderstedt 2019, Paperback, 388 Seiten, 17 Euro, E-Book 8,49 Euro.

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Erstellt:
7. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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