Von der Wirtschaft ins geistliche Amt

Susanne Meister ist die neue Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Murrhardt. Die 56-Jährige hat sich vor einigen Jahren dazu entschlossen, die Arbeit als Ingenieurin hinter sich zu lassen und ein ganz neues Berufskapitel aufzuschlagen.

Susanne Meister freut sich auf ihre Arbeit in der Gemeinde. Zwar möchte sie erst mal viel zuhören, wie sie sagt, hat aber auch schon einige Ideen für mögliche Angebote. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Susanne Meister freut sich auf ihre Arbeit in der Gemeinde. Zwar möchte sie erst mal viel zuhören, wie sie sagt, hat aber auch schon einige Ideen für mögliche Angebote. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. „Ich konnte mir Murrhardt sehr gut vorstellen“, sagt Susanne Meister. Nachdem auch die Kirchengemeinde nach ihrer Vorstellung dies zurückgemeldet hatte, konnten die weiteren Weichen für den Neuanfang gestellt werden. Für die 56-Jährige ist es ein doppelter: zum einen der Start in der Walterichstadt, zum anderen beginnt für Susanne Meister auch beruflich ein völlig neuer Abschnitt. Salopp gesagt hat sie ihre Karriere als Ingenieurin bei einem international tätigen Unternehmen beendet, um Theologie zu studieren und schließlich als Pastorin zu arbeiten.

Kein ganz gewöhnlicher Weg also. Aufgewachsen in Balingen (Zollernalbkreis) ging sie nach dem Abitur Mitte der 1980er-Jahre an die Fachhochschule nach Furtwangen und studierte Produktengineering. Eine Fachrichtung, „die von den Hardcoreingenieuren etwas belächelt wurde“, erzählt sie. Zu ihrem Job gehörte, neben dem klassischen Projektmanagement auch zwischen verschiedenen Spezialisten eines Unternehmens zu vermitteln und zu moderieren. Im Alltag müssen Informatiker, Ingenieure und Techniker sich mit Vertriebsleuten verständigen, und „da kann Übersetzungsarbeit hilfreich sein“, sagt sie. „Manchmal hieß es auch einfach, Zeitpläne zu erarbeiten, sich Ziele zu setzen, ohne die Mitarbeiter zu verheizen.“ Sieben Jahre war Susanne Meister bei einer Siemens-Tochter in Konstanz tätig. Die Digitalisierung zeigte sich in ihren Anfängen, das Unternehmen arbeitete am Einlesen von Bankbelegen inklusive der Handschrift sowie im Gesundheitswesen.

Neben diesem fordernden, rationalen Arbeitsalltag gab es privat ein ganz anderes Terrain, das sie nie aus den Augen verliert. „Religion war immer ein wichtiges Element in meinem Leben.“ Ursprünglich katholisch engagierte sich Susanne Meister noch in Balingen in einem evangelischen Jugendkreis. An der katholischen Kirche gibt es einiges, was sie kritisch sieht, und so begann in Konstanz die Suche nach einer neuen religiösen Heimat. Die findet sie in der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) und brachte sich dort ein. Die Weltoffenheit und das auch ganz praktische soziale Engagement sind wichtige Eckpfeiler, die sie überzeugten. Ebenso ausschlaggebend ist das, was sie als persönliche Gottesbeziehung beschreibt. Es war die Zeit der Öko- und Friedensbewegung, und Susanne Meister fühlt sich außerdem in Bezug auf die Grundhaltung der Kirche aufgehoben, sich gegen Ungerechtigkeit zu wenden und sich für Menschen einzusetzen, die am Rande stehen.

Das Engagement im EMK-Frauenwerk ermöglicht einen internationalen Blick

Trotzdem nutzte sie die Zeit auch, um die Überzeugungen und Ausrichtung der Kirche auf Herz und Nieren zu prüfen – Haltung zu Homosexualität, feministische Theologie und eine Missionsarbeit auf Augenhöhe. Ihr Engagement im Frauenwerk der EMK eröffnete ihr Perspektiven, die international sind. Sie erfuhr beispielsweise, was es bedeutet, wenn in einem Land wie den Philippinen der Wasserspiegel steigt. Später lautet hier das Stichwort Umweltflüchtlinge.

Die Neugier und der Wissensdurst beschränkten sich nicht auf den privaten Bereich. Die Ingenieurin entschloss sich zu einem Aufbaustudium in Informationswissenschaft. Es war der Baustein für einen nächsten Schritt: Auf dem Weg zur Jahrtausendwende gewann das Internet an Bedeutung und Susanne Meister wechselte zu einer Niederlassung von Hewlett Packard nach Böblingen, um gemeinsam mit einer Agentur den deutschen Auftritt im Internet für die Privat- und Firmenkunden aufzubauen. Rund zwei Jahrzehnte erlebte sie mit, wie sich der Konzern entwickelte, und arbeitete in einem internationalen und zunehmend globaler agierenden Umfeld. Trotzdem gab es auch ein Privat- und Familienleben mit den entsprechenden Aufgaben – Susanne Meister ist verheiratet und hat eine Tochter. Mit der Zeit verspürte sie wieder den Wunsch, ihren beruflichen Weg zu überprüfen und sich eventuell neu zu orientieren. Sie ließ sich professionell unterstützen – entschied sich für ein Coaching. Bei den Gesprächen kamen auch die Theologie und das kirchliche Engagement in den Blick. Was ihr im Beruf Freude machte – zwischen Menschen vermitteln, herausarbeiten, wie sie sich fördern und wie sich Begabungen herauskitzeln lassen –, konnte sie sich auch gut als Aspekte einer Arbeit in einer EMK-Gemeinde vorstellen. „Ich wollte gerne noch mal studieren.“ Gleichzeitig hieß das, sich auch kritische Themen anzusehen wie die Mission, verhärtete Strukturen oder die Frage, ob die Kirche es schafft, weiterhin relevant für das Leben und zentrale Fragen der Menschen zu sein.

Zunächst laufen Vollzeitjob und erste Schritte im Studium parallel

Da ein fünfjähriges Studium eine beachtliche Investition ist, suchte Susanne Meister das Gespräch mit der Evangelisch-methodistischen Kirche sowie der Hochschule und begann schließlich 2014 neben ihrem Vollzeitjob mit den ersten Seminaren. „Ich hab dann zwei Jahre studiert. Das ließ sich auch deshalb vereinbaren, weil ich fast nur noch online gearbeitet habe, meine Kollegen und Ansprechpartner sowieso auf der ganzen Welt verteilt waren.“ Allmählich reifte der Entschluss, sich ganz von ihrem alten Arbeitsleben zu verabschieden. Hinzu kam, dass ihr Unternehmen den Standort umstrukturierte und insofern auch Personal abbauen wollte. Ab 2016 widmete sich Susanne Meister ganz ihrem Studium an der theologischen Hochschule in Reutlingen.

Nun, nach ihrem Abschluss, steht sie also der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Murrhardt mit dem Einzugsgebiet bis Oppenweiler als Pastorin vor. Gibt es schon Ideen und Projektwünsche? „Ich will erst mal viel zuhören“, sagt die 56-Jährige und schaut aus der Fensterfront des Neubaus. Schön fände sie es, auch für die Menschen in der direkten Umgebung der Gemeinde Ansprechpartnerin zu sein, ein Miteinander im Viertel aufzubauen. Vielleicht können da ein Flohmarkt, ein kleines Straßenfest oder adventliche Treffen Möglichkeiten eröffnen. Letztere Idee ist schon weit gediehen. „Es soll einen Advent am Feuersee geben, Freitagabend nach dem lebendigen Adventskalender am Rathaus mit einem kleinen Impuls.“

Susanne Meister will nicht vorpreschen, aber es ist ihr anzumerken, dass sie Lust hat, Angebote zu machen. Beispielsweise für Menschen in der Lebensmitte oder bei krisenhaften Ereignissen. Sie freut sich auf die ökumenische Zusammenarbeit mit den ACK-Gemeinden und könnte sich vorstellen, Entspannung für den Körper und Begegnung zu verbinden: Warum nicht einfach in der Mittagspause sich zu einem offenen Spaziergang treffen?

Kontakt Susanne Meister freut sich über weitere Ideen und Anregungen. Als neue Ansprechpartnerin und Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Murrhardt ist sie unter der Mobilnummer 0152/02610888 und per E-Mail unter susanne.meister@emk.de zu erreichen.

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Erstellt:
30. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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