Krieg in der Ukraine

Schwierige Abwägungen: Deutsche Soldaten in der Ukraine?

Außenminister Wadephul sieht einen Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine skeptisch. Warum die Bundesregierung vor schwierigen Entscheidungen steht.

Vor dem Gespräch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit US-Präsident Donald Trump äußerte sich Außenminister Johann Wadephul im Podcast "Table.Today" skeptisch zu einer Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine.

© Soeren Stache/dpa

Vor dem Gespräch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit US-Präsident Donald Trump äußerte sich Außenminister Johann Wadephul im Podcast "Table.Today" skeptisch zu einer Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine.

Von Von Carsten Hoffmann, dpa

Berlin - Vor den neuen Ukraine-Gesprächen in Washington nimmt die Diskussion über die Beteiligung auch deutscher Soldaten bei der Absicherung einer möglichen Friedenslösung wieder Fahrt auf. Die Bundesregierung betonte zudem, es müsse verhindert werden, dass es nur eine Atempause gebe, die nach Jahren aufgekündigt werde.

"Deshalb braucht die Ukraine natürlich robuste Sicherheitsgarantien. Die Frage der konkreten Ausgestaltung, die ist extrem komplex", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer in Berlin. Es gehe um politische und technische Fragen, "die da sehr konkret besprochen werden müssen".

Vor dem Gespräch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit US-Präsident Donald Trump äußerte sich Außenminister Johann Wadephul im Podcast "Table.Today" skeptisch zu einer Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine. Er verwies auf eine verstärkte Rolle der Bundeswehr in der Nato, darunter mit einer Kampfbrigade - rund 5.000 Männer und Frauen - in Litauen. Ein Einsatz in der Ukraine würde Deutschland "voraussichtlich auch überfordern". 

Später machte er in Tokio deutlich, es sei zum jetzigen Zeitpunkt offen, ob man deutsche Truppen entsenden werde. "Das muss wirklich verhandelt werden", ergänzte Wadephul.

Strategische Falle: Europäer könnten Ostflanke schwächen

Militärplaner und Wissenschaftler befassen sich seit Monaten mit Konzepten für die Absicherung eines möglichen neuen Kapitels im Ukraine-Krieg, das militärisch von einem Waffenstillstand bis zu einem Friedensvertrag reichen kann. Politisch reicht die Spannbreite von der Benennung faktischer Kontrolle über Gebiete bis zum völkerrechtlich verbindlichen Verzicht auf Gebiete.

Eine Sorge der Militärplaner ist, dass der russische Präsident Wladimir Putin die europäischen Nato-Staaten in eine strategische Falle locken könnte. Denn für eine Ukraine-Schutztruppe - an der sich die Bundeswehr so gut beziehungsweise schlecht wie andere europäische Nato-Armeen beteiligen könnte - müssten Teile der Ostflanke wie das Baltikum entblößt werden. 

Signal der Stärke kann Schwächen offenlegen 

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) analysierte im Februar Modelle zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstandes in der Ukraine. Die SWP-Sicherheitsforscherin Claudia Major schrieb da, bislang gebe es keine schlüssigen Ideen dazu. 

"Was die Europäer ad hoc bereitstellen können, würde keinen glaubhaften Schutz bieten", stellte sie in ihrer Studie fest. Nötig wäre für eine Abschreckung eine "zusätzlich notwendige westliche ideale Kontingentstärke von etwa 150.000 Soldaten". 

Major warnt: "Ein „Bluff and Pray“-Ansatz (bluffen und beten), der zu wenig Truppen einsetzt und im Wesentlichen auf der Hoffnung fußt, dass Russland diesen nicht testet, wäre fahrlässig und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa." 

Deswegen und um Glaubwürdigkeit militärisch abzubilden, wurde schnell deutlich, dass es ohne USA nicht geht. Deutschland setzte zudem darauf, die Ukraine militärisch zu stärken und zur Selbstverteidigung zu befähigen. 

Denn auch darum geht es den Europäern bei Gesprächen: Russland darf sich nicht mit Forderungen durchsetzen, die die Ukraine militärisch schwächen. Dazu gehören auch Gebietsverzichte, bei denen Russland über die ausgebaute Frontlinie hinaus Land erhält - und damit die jahrelang ausgebauten Verteidigungsstellungen der Ukraine gleich mit zerschlägt.

Die Debatte nimmt Fahrt auf

In Deutschland und Europa trat die öffentliche Debatte lange auf der Stelle. Es wäre in der Sicherheitspolitik nicht das erste Mal, dass etwas in weiter Ferne zu liegen scheint und dann unerwartet schnell vor der Tür steht. Die Diskussion trifft einen empfindlichen Nerv.

Auch Deutschland müsse sich als Führungsmacht in Europa an der Absicherung einer Friedenslösung beteiligen - "zumal, wenn es dafür die Rückversicherung der Amerikaner gibt", sagte der CDU-Fachpolitiker Roderich Kiesewetter im "Focus online". 

Der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetović zeigte sich im "Spiegel" offen für die Option, dass sich die Bundeswehr an einer späteren Friedensmission in der Ukraine beteiligt, sein Parteifreund Ralf Stegner war dagegen. 

AfD-Chefin Alice Weidel warnte auf X, Deutschland könne selbst zur Zielscheibe werden, während sich die USA zurückzögen und forderte: "Deutschland braucht Ausgleich mit Russland statt Dauerkonfrontation."

Linken-Chef Jan van Aken brachte als Sicherheitsgarantie für die Ukraine dagegen eine UN-Blauhelmtruppe als Beobachtermission im Umfang von 30.000 bis 40.000 Soldaten ins Gespräch. Wichtig wäre, dass sich China beteilige, denn russische Soldaten würden nicht auf chinesische schießen, sagte van Aken in Berlin. Bei einer deutschen Beteiligung hätte er hingegen aus historischen Gründen "Bauchgrummeln", weil damit wieder deutsche Truppen "kurz vor Stalingrad" stünden.

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Erstellt:
18. August 2025, 11:36 Uhr
Aktualisiert:
18. August 2025, 14:51 Uhr

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