BYD zieht nach Frankfurt
Warum Chinas größter Autobauer sich aus Stuttgart zurückzieht
Bisher steuerte der chinesische Autor BYD seine Geschäfte in Deutschland von Stuttgart aus. Nun wird die Zentrale verlagert. Der Marktanteil von BYD steigt in rasantem Tempo.

© Köster/STZN
BYD unterhält in der Stuttgarter Innenstadt eine Verkaufsniederlassung. Die Deutschland-Zentrale des chinesischen Herstellers wird Stuttgart allerdings verlassen.
Von Klaus Köster
Der chinesische BYD-Konzern, größter E-Autobauer der Welt, wird seine Deutschlandgeschäfte künftig nicht mehr von Stuttgart aus führen. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte unserer Zeitung, die Deutschland-Zentrale werde in den kommenden Monaten nach Frankfurt verlagert.
Seit knapp drei Jahren will der Hersteller, der in seinem Heimatmarkt den jahrzehntelang unangefochtenen Marktführer Volkswagen vom Spitzenplatz verdrängte, auch in Deutschland Fuß fassen. Dabei setzte man zunächst auf den schwedischen Vertriebsspezialisten Hedin, der von Stuttgart aus als Generalimporteur ein bundesweites Netz von Händlern und Werkstätten erschließen sollte. Damit war Stuttgart faktisch auch die Deutschland-Zentrale von BYD.
Beschäftigte werden von Stuttgart nach Frankfurt wechseln
Im vergangenen Jahr allerdings endete die Zusammenarbeit, seither nimmt BYD den Vertrieb selbst in die Hand. 20 bis 25 Beschäftigte werden künftig von Frankfurt aus daran arbeiten, die Verkäufe und den Aufbau einer Infrastruktur aus Händlern und Werkstätten voranzubringen.
Die Zwischenbilanz der Neuorganisation fällt für BYD schon jetzt deutlich positiv aus. Verkaufte der Hersteller im Jahr 2023 in Deutschland gerade einmal 4129 Fahrzeuge, sackte der Absatz im Jahr darauf um ein Drittel auf 2876 ab. In diesem Jahr geht es nun steil bergauf. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres verkaufte BYD sechsmal so viele Fahrzeuge wie gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie eine Auswertung amtlicher Daten durch unsere Zeitung ergab.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Umschwenken auf Hybridfahrzeuge. In den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres verkaufte BYD in Deutschland einen einzigen Plug-In-Hybrid, also ein Auto mit Verbrennungs- und E-Motor, dessen Batterie an der Steckdose aufgeladen werden kann. Im gleichen Zeitraum des laufenden Jahres sind es 1397. Der Anteil sprang damit binnen Jahresfrist von Null auf 30 Prozent und ist damit dreimal so hoch wie im Gesamtmarkt.
Auch Mercedes ist bei Plug-In-Hybriden mit einem Anteil von 17 Prozent überdurchschnittlich stark positioniert. Man liegt damit deutlich über dem Gesamtmarkt und auch über dem Wettbewerber BMW, der zwar mehr vollelektrische Autos verkauft, bei den Hybriden aber nur auf 13 Prozent kommt.
Statt der E-Autos boomt jetzt der Hybrid
Mit seiner Hybrid-Strategie weicht BYD der Marktschwäche bei batterieelektrischen Fahrzeugen ebenso aus wie den Strafzöllen der EU gegen Autos aus China. Denn diese gelten nur für reine E-Autos, nicht aber für Hybride.
Trotz des starken Anstiegs der Verkaufszahlen liegt der Marktanteil von BYD damit immer noch im Promillebereich – hat sich aber gegenüber dem vergangenen Jahr auf 0,4 Prozent vervierfacht. Geschmälert wird die Aussagekraft der Zahlen dadurch, dass BYD wie einige andere Hersteller viele Eigenzulassungen vornimmt, so dass ein Teil der Neuzulassungen nicht unmittelbar auf Verkäufe an Marktteilnehmer zurückzuführen ist.
Nicht betroffen von der Schließung der Deutschland-Zentrale ist die Vertriebsniederlassung in Stuttgart, die noch während der Zusammenarbeit mit Hedin eröffnet wurde und weiter betrieben werden soll. Zur Strategie von BYD gehört offenbar auch, die Sichtbarkeit der Mark im öffentlichen Raum zu erhöhen. Dazu soll auch die Zusammenarbeit mit dem Autovermieter Finn beitragen; auch das Händlernetz soll weiter wachsen.
Nach Ansicht von Michael Ziegler, Präsident des Kfz-Gewerbes Baden-Württemberg, können chinesische Hersteller dabei von der veränderten Vertriebsstrategie heimischer Autobauer profitieren. Europäische Hersteller dünnten derzeit ihre Vertriebsnetze in Deutschland massiv aus und kürzten die Gewinnspannen der Händler. Deren Neigung, chinesischen Hersteller Zugang zum inländischen Markt zu verschaffen, werde immer größer, sagte Ziegler im Mai unserer Zeitung. Denn für sie steige die „Notwendigkeit, fehlendes Verkaufsvolumen zu kompensieren“ – also durch die Zusammenarbeit mit weiteren Herstellern die Kapazitäten besser auszulasten.
Verdrängungswettbewerb in China wirkt sich aus
Der Drang Richtung Europa wird bei chinesischen Herstellern auch durch einen extremen Verdrängungswettbewerb auf dem heimischen Markt forciert. Nachdem BYD seine Preise in China um bis zu 30 Prozent gesenkt hatte, rief die Regierung 16 Hersteller zu einem Autogipfel zusammen, auf dem sie die Hersteller aufforderte, Fahrzeuge zumindest nicht unter Herstellungskosten anzubieten und die Praxis einzustellen, fabrikneue Fahrzeuge als „Null-Kilometer-Gebrauchtwagen“ mit enormen Preisnachlässen zu verkaufen.
Durch Verkäufe in Europa wollen sich chinesische Hersteller dem ruinösen Wettbewerb auf ihrem Heimatmarkt teilweise entziehen. Dabei wollen sie auch als Wettbewerber deutscher Oberklassehersteller wie Mercedes und BMW in Erscheinung treten. Die BYD-Marke Denza will noch in diesem Jahr mit einem sportlichen Kombi (Shooting Brake) und einem luxuriös ausgestatteten Geländewagen auf den Markt kommen.