Klimawandel in den Bergen

Warum Wandern in den Alpen immer gefährlicher wird

Riesige Bergstürze wie jetzt in der Schweiz zeigen, wie mächtig die Natur im Gebirge ist. Angst müssen Wanderern und Bergsteiger nicht haben , aber sich gründlich vorbereiten.

Gefahr im Naturparadies: Wandern und Bergsteigen in den Alpen wird nach Einschätzung von Experten durch den Klimawandel risikoreicher.

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Gefahr im Naturparadies: Wandern und Bergsteigen in den Alpen wird nach Einschätzung von Experten durch den Klimawandel risikoreicher.

Von Markus Brauer/dpa

Vielerorts in den Alpen lockert sich mit dem Klimawandel Gestein, weil die gefrorenen Felsschichten antauen oder weil eindringendes Wasser Druck in Spalten erzeugt, die früher ganzjährig von Schnee und Eis bedeckt und durch den Permafrost zusammengehalten wurden. Die Menschen sind alarmiert.

Wird Wandern und Bergsteigen in den Alpen gefährlicher?

Wandern und Bergsteigen in den Alpen wird nach Einschätzung von Experten durch den Klimawandel risikoreicher. „Die Gefahr im Gebirge wächst, das ist keine Frage“, sagt Rolf Sägesser, Fachleiter Ausbildung und Sicherheit Sommer beim Schweizer Alpen-Club SAC. Angesichts dieser Lage wächst nach Angaben der Bergführer in Österreich der Bedarf an fachmännisch geführten Touren.

Der Klimawandel macht auch Bergstürze wie aktuell in der Schweiz und andere Gefahren wie Steinschlag und Felsstürze häufiger. „Die Zunahme dieser alpinen Gefahren ist eine eindeutige Auswirkung des menschengemachten Klimawandels“, erklärt Tobias Hipp, Experte für Klimafragen beim Deutschen Alpenverein. „Die Alpen sind durch die Erwärmung im Ungleichgewicht und werden instabil. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Ereignisse weiter zunehmen.“

Berg- und Felssturz

Grundsätzlich müsse man zwischen Bergsturz und Felssturz unterscheiden, erläutert Hipp. „Beim Bergsturz – wie jetzt in der Schweiz - sind riesige Mengen Gestein unterwegs. Hier sieht man oft im Vorfeld schon Anzeichen wie kleinere Abbrüche, so dass die Region großflächig überwacht werden kann für eine rechtzeitige Frühwarnung. Das ist aber nicht immer der Fall, wie beispielsweise beim Bergsturz am Piz Cengalo im Jahr 2017 mit mehreren Toten.“

Für Bergsportler seien allerdings in der Regel Felsstürze und Steinschlag relevanter. „Dies sind klassische alpine Gefahren, die viel häufiger und flächendeckender vorkommen.“

Eis und Gletscher fehlen

Beides werde aber von ähnlichen Prozessen ausgelöst, die durch den Klimawandel begünstigt werden, betont Hipp. „Einerseits erwärmen sich die Berge, wodurch der Permafrost im Inneren sie nicht mehr so gut zusammenhält. Auch der Rückgang der Gletscher spielt eine Rolle, weil die Gletscher einerseits nicht mehr als Stützen der benachbarten Felswände dienen, andererseits weil unter den Gletschern instabile Flächen frei werden, von denen Steinschlag oder Abrutschungen ausgehen können.“

Und oft kämen dann noch die zunehmenden Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Hitzewellen als Auslöser hinzu. Am Ende spielten dann meist mehrere Faktoren oder Prozesse zusammen.

Auch in niedrigen Lagen nimmt die Gefahr zu

Wie groß die Gefahr ist, kommt stark darauf an, wo man sich bewegt. „Der normale Berggeher, der nicht im Hochgebirge unterwegs ist, muss sich weniger Sorgen machen“, beruhigt Hipp. „Aber schon in Lagen zwischen 2000 und 2500 Metern nimmt die Gefahr zu, und im Hochgebirge sehen wir einen klar belegten Zusammenhang zwischen der Zunahme der Gefahren und dem menschgemachten Klimawandel.“

Grundsätzlich sei eine gute Tourenplanung mit Blick auf die Wettervorhersage immer nötig, mahnt der Experte. Durch die rasanten Veränderungen werde sie aber noch wichtiger. „Die Alpen werden weiterhin attraktive Heimat für den Bergsport bleiben, wenn auch in Teilen nicht mehr so, wie wir es überliefert bekommen haben. Im Gebirge wird es immer gewisse Gefahren geben, ihre Wahrscheinlichkeit nimmt durch den Klimawandel aber zu.“

Führt der Klimawandel zu weiteren Katastrophen wie in Blatten?

Ein einzelnes Ereignis direkt auf den Klimawandel zurückzuführen, ist schwierig, betonte Jan Beutel, Professor der Universität Innsbruck. Er untersucht seit Jahren den Zustand von Felsen und Permafrost sowie Klimaeinflüsse.

Dennoch: „Die starken Veränderungen, die wir heute im Hochgebirge erleben, sind zum großen Teil die Folge des Klimawandels der vergangenen Jahrzehnte“, konstatiert er. „Zu einem gewissen Teil ist die Reise für die nächsten Jahre gebucht. Eingeheizt ist schon, und das Tauen und Schmelzen wird unweigerlich weitergehen.“

Durch Gletscherschmelze und schnelles Tauen von Schnee könnten Wasser und Wind das Gestein erodieren. Der Permafrost – die gefrorene Gesteinsschicht – werde immer wärmer, die Schicht, die bei Sommertemperaturen auftaue, immer tiefer.

„Auftauen bedeutet aber auch, dass mehr flüssiges Wasser zur Verfügung steht – auch im Inneren des Berges – und das schmiert und fördert die Beweglichkeit, getrieben von der Gravitation“, erläutert Beutel.

Was sind die Ursachen für die Häufung von Felsstürzen?

Vielerorts in den Alpen lockert sich mit dem Klimawandel Gestein, weil die gefrorenen Felsschichten antauen oder weil eindringendes Wasser Druck in Spalten erzeugt, die früher ganzjährig von Schnee und Eis bedeckt und durch den Permafrost zusammengehalten wurden. Die Menschen sind alarmiert.

Der Klimawandel macht Felsstürze sehr viel wahrscheinlicher. Wenn Permafrost auftaut, können Berge ihre Stabilität und damit Schutt und Geröll ihren Halt verlieren. Hochgebirge werden vom Permafrost zusammengehalten, der dafür sorgt, dass das Gestein ganzjährig gefroren ist. Der Permafrost taut, und das Gebirge wird instabiler.

Beim Schweizer Alpen-Club SAC heißt es, dass früher oft gegangene Touren heute im Sommer „Todesfallen“ seien. Loses Geröll und abgerutschte Blöcke „so groß wie Einfamilienhäuser“ machten das Gelände zu gefährlich.

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Erstellt:
31. Mai 2025, 17:52 Uhr

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