Was ein Gesicht über das Leben erzählt

Jürgen Illing zeigt eine Auswahl seiner Porträts in der Kreissparkasse Murrhardt. Am Anfang steht das Interesse für ein spannendes Antlitz. Der Leiter des Kunst- und Maltreffs an der Volkshochschule kommt von der klassischen Zeichnung, arbeitet mittlerweile aber auch mit Acrylfarben.

Für Jürgen Illing ist schon bei der Suche nach einem Modell wichtig, dass ihn ein Ausdruck oder Antlitz inspiriert. Fotos: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Für Jürgen Illing ist schon bei der Suche nach einem Modell wichtig, dass ihn ein Ausdruck oder Antlitz inspiriert. Fotos: Jörg Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Die Kreissparkasse in Murrhardt ermöglicht es den Mitgliedern des Kunst- und Maltreffs an der Volkshochschule, ihre Werke zu präsentieren. Die Ausstellungsreihe läuft schon seit dem Frühjahr 2022 und wird nun im neuen Jahr fortgesetzt. Den Start macht 2023 Jürgen Illing mit einer Auswahl seiner Porträts. „Ich brauch länger, um ein Modell zu finden“, sagt er mit Blick auf seine Bleistiftzeichnungen, die für ihn von Anfang an eine wichtige Rolle eingenommen haben. Die Menschen, deren Ausstrahlung und Wesen er einfangen möchte, müssen ihn schlichtweg interessieren. Und der Funke der Inspiration springt meist dann über, wenn sich in dem Gesicht das Leben widerspiegelt – sei es durch Emotionen oder Falten. Ebenso reizt ihn die Herausforderung beim Arbeiten und die ist gegeben, wenn beispielsweise die Haartracht etwas unbändiger daherkommt, ob als Frisur oder Bart.

Der besondere Ausdruck

und Promiporträts als Maßstab

Wer auf seine Zeichnung von Reinhold Messner oder Peter Maffay schaut, weiß, was damit gemeint ist. „Ich arbeite vorwiegend mit Fotografien, auch wenn mich jemand persönlich auf ein Porträt anspricht.“ Um spannende Modelle zu finden, ist er mittlerweile auch auf Instagram unterwegs, wandert dort durch „Gesichter aus aller Welt“. Wenn dann Augen, Nase und Mund stimmig aufs Papier gebannt sind, ist das schon so gut wie die ganze Miete, sprich trägt das Bild. Die Herausforderung beim Porträt liegt darin, den besonderen Ausdruck eines Menschen – es ließe sich auch sagen: den Wesenskern – abzubilden beziehungsweise über das Bild zu transportieren. Die Frage, ob das in einem Porträt gelungen ist, lässt sich gar nicht immer so einfach beurteilen. „Damit das für jemanden überhaupt möglich ist, muss er die Person eigentlich kennen. Deshalb finden sich unter meinen Bildern auch einige von bekannten Leuten“, sagt Jürgen Illing.

Manche Charakterstudien kommen als klassische Bleistiftzeichnung daher, aber einige hat Jürgen Illing auch mit Tusche umgesetzt, bei der jeder Strich sitzen muss und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. „Ich hol mir auch mal Anregungen über Youtube-Videos“, sagt er und dass er sich beispielsweise so mit der Tropftechnik bekannt gemacht habe. Neben einzelnen Aquarellen finden sich eine ganze Reihe an Acrylbildern in der Schau. Beim Bild „Frau mit Weinglas“ stellt er fest: „Ich wollte einfach wissen, wie ich es schaffe, das Licht durch das Weinglas durchscheinen zu lassen.“ Bei der „Beduinin“, deren Gesicht mit einem leuchtend blauen Schleiertuch bis auf die Augen verhüllt ist, haben ihn vor allem die Farben und Kontraste interessiert, über die ihre besondere Hautfarbe besser zur Geltung kommt. Von diesem Modell gibt es auch eine Bleistiftzeichnung und Illing berichtet, dass beide Varianten ihre Anhänger haben. Apropos Schwarz-Weiß oder Farbe: Im Fall von „Gemeinsam durch die Pandemie“ hat er sich dafür entschieden, dem gezeichneten Vorbild – ein altes Paar in vertrauter Zweisamkeit auf seinem Weg – buntes Leben einzuhauchen.

Auch insgesamt zeigt sich Jürgen Illing experimentierfreudig. Bei seinen Acrylbildern setzt er ganz auf ein gemaltes Konterfei und das Zusammenspiel der Farben. Komplett frei gemacht vom Einfangen des Gegenübers im Sinne eines Abbildens hat er sich bei „??? Experiment mit Acryl“, bei dem er ein angefangenes Porträt („das Gesicht hat mir nicht gefallen“) in einen bunten Farbwirbel stürzt, die Augen aber stehen lässt, sodass eine spannende Mischung aus beiden Elementen entsteht. Als eine Art Gegenstück ließe sich das fast schon symbolisch-plakativ gefasste „Face by side“ sehen.

In Murrhardt und Umgebung können sich Kreative im Kunst- und Maltreff der Volkshochschule austauschen und zusammen arbeiten. Eine Möglichkeit, die Elvira Käßer, Marion Hieber, Sonja Fischer und Regina Beuter nutzen. Die vier sind in der Kreissparkasse vorbeigekommen und schauen sich um. Auch sie freuen sich über die Chance, in der Murrhardter Filiale der Bank auszustellen und damit Teil der regionalen Reihe zu sein. Drei der Frauen haben schon im vergangenen Jahr ihre Arbeiten gezeigt.

Vor Jürgen Illing haben drei Mitglieder ausgestellt und drei weitere folgen

Den Auftakt zur Reihe hat Marion Hieber mit ihren Acrylbildern gemacht. Bei den Motiven – Menschen, Städte, Tiere – ist sie breit aufgestellt. „Ich möchte die ganze Vielfalt des Lebens abdecken“, sagt sie. Vor rund drei Jahren ist sie zum Kunst- und Maltreff gestoßen. „Das ist eine tolle Gruppe“, sagt sie. Sonja Fischer ist sozusagen ganz frisch dabei, seit einem Jahr hat sie sich dem Kreis angeschlossen und in ihrer Ausstellung Aquarell-Naturimpressionen präsentiert. Besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Wald mit seinen teils dunklen, mystischen Stimmungen. „Es waren alles neue Bilder, die ich für die Schau gemacht habe.“ Elvira Käßer hat sich ebenso dem Aquarell verschrieben und ihre Motive sind vor allem Blumen und Tiere. Als treue, langjährige Kunst- und Maltreffmitstreiterin hat sie auch schon öfters in Murrhardt ausgestellt.

Regina Beuter hat noch ein wenig Zeit, ihre Auswahl zu treffen, bis sie Ende April die Wände in der Kreissparkasse bestücken kann. Sie arbeitet mit Acrylfarben. Mal fängt sie Landschafts- und Urlaubsimpressionen ein, mal setzt sie sich an abstrakte Kompositionen. Gespannt sein darf man auf ihre Bilder, die sie mit den Stichworten „Women in Motion“ (Frauen in Bewegung) beschreibt. Den Ausstellungsreigen komplett machen dieses Jahr noch Erika Dangel (Aquarelle) und Marion Titze (Acryl).

Elvira Käßer, Marion Hieber, Regina Beuter und Sonja Fischer (von links) freuen sich über die Möglichkeit, als Mitglieder des Kunst- und Maltreffs in der Kreissparkasse ausstellen zu können.

© Jörg Fiedler

Elvira Käßer, Marion Hieber, Regina Beuter und Sonja Fischer (von links) freuen sich über die Möglichkeit, als Mitglieder des Kunst- und Maltreffs in der Kreissparkasse ausstellen zu können.

Neuzugänge willkommen

Ausstellungen Die Porträts von Jürgen Illing sind noch bis zum 25. Februar zu sehen. Im Anschluss stellt Erika Dangel aus und zeigt ihre Werke bis zum 28. April. Dann übernimmt Regina Beuter, deren Schau bis zum 30. Juni läuft. Den Abschluss macht Marion Titze. Sie stellt bis zum 28. Juli aus.

Öffnungszeiten Die Arbeiten sind in den Räumen im Erdgeschoss der Kreissparkasse zu den regulären Öffnungszeiten zu sehen: montags bis freitags von 9 bis 12.30 Uhr, montags, dienstags und freitags von 14 bis 16 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 18 Uhr.

Kunst- und Maltreff Die zwanglose Zusammenkunft bietet Interessierten Gelegenheit zum Gespräch und Austausch von Erfahrungen und Techniken. Die Gruppe freut sich über jeden Neuzugang und lädt zu einem unverbindlichen Reinschnuppern ein. Sie trifft sich jeden zweiten Samstag im Monat. Weitere Infos auf der Homepage der Volkshochschule: www.vhs-murrhardt.de

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Erstellt:
25. Januar 2023, 06:00 Uhr

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