Allergie gegen Insektengift

Was macht man bei Atemnot nach einem Wespenstich?

Schmerzt fies, schwillt an, ruiniert die Laune: Ein Wespenstich ist unschön. Für alle, die auf das Gift allergisch reagieren, kann er lebensgefährlich werden.

Rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben eine echte Allergie auf Wespen- oder Bienengift.

© Imago/Zoonar

Rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben eine echte Allergie auf Wespen- oder Bienengift.

Von Markus Brauer/dpa

„Sieben Hornissenstiche töten ein Pferd, drei einen Menschen“, sagt der Volksmund. Auch wenn diese Lebensweisheit äußerst beängstigend klingt, ist sie dennoch falsch. Denn wie viele Stiche einer Honigbiene, Wespe oder Hornisse für einen Menschen tödlich sein können, ist sehr unterschiedlich.

Schon ein einzelner Stich einer Wespe kann – an der richtigen Stelle platziert und einen Allergiker getroffen – üble Folgen haben und im schlimmsten Fall tödlich enden.

Rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland haben eine echte Allergie auf Wespen- oder Bienengift, sagt Prof. Thilo Jakob, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Gießen.

Was genau hinter einer solchen Allergie steckt, welche Warnzeichen man kennen sollte und was Betroffenen helfen kann.

Was passiert bei einer Wespengiftallergie im Körper?

Sticht eine Wespe oder auch Biene zu, gibt sie über ihren Stachel Gift an den Körper ab. Auf bestimmte Eiweiße, die darin enthalten sind, reagiert unser Immunsystem. Bei manchen Menschen passiert das übermäßig stark.

„Diese allergische Überreaktion ist, was gefährlich werden kann, weil sie bis hin zum schweren allergischen Schock führen kann“, erklärt Thilo Jakob.

Beim allerersten Stich muss den aber niemand befürchten. Voraussetzung für eine allergische Reaktion ist nämlich, dass sich das Immunsystem bereits mit dem Insektengift auseinandergesetzt hat.

Wo fängt eine allergische Reaktion an?

Hier kommt eine grobe Unterscheidungshilfe:

Eine normale Reaktion liegt vor, wenn die Schwellung rund um die Einstichstelle einen Durchmesser von höchstens 10 Zentimetern hat. Nach 24 Stunden nimmt diese Schwellung in aller Regel wieder ab.

Das Insekt hat in den Handrücken gestochen, nun ist der ganze Unterarm knallrot und geschwollen? Dann sprechen Mediziner nicht von einer Allergie, sondern von einer überschießenden örtlichen Stichreaktion. Sie ist lästig, aber nicht gefährlich. Selbst, wenn sie von etwas Schüttelfrost oder erhöhter Temperatur begleitet wird. „Typischerweise besteht die Reaktion über mehrere Tage, geht dann aber von allein wieder weg“, erläutert Thilo Jakob.

Eine echte Insektenallergie liegt erst dann vor, wenn es nicht nur rund um die Stichstelle Reaktionen gibt, sondern auch in anderen Körperregionen oder -systemen. Thilo Jakob nennt Beispiele: „Wenn der Stich am Handrücken ist, doch plötzlich juckt die Kopfhaut oder die Füße, man bekommt Quaddeln am ganzen Körper oder Atemnot.“ Auch Kreislaufprobleme, Herzrasen, Ohnmacht, Übelkeit und Erbrechen können Teil einer solchen systemischen Reaktion sein.

Kreislaufprobleme oder Hautausschlag nach einem Stich. Was soll man tun?

„Wenn es zum ersten Mal passiert, ist man vollkommen überrascht“, erläutert Thilo Jakob. Und er stellt klar: Dann darf und sollte man den Notruf 112 wählen. Es ist nämlich nicht abzusehen, wie stark die Reaktion des Körpers ausfällt. Und ob sich womöglich ein lebensgefährlicher allergischer Schock anbahnt.

Sind andere Menschen anwesend, sollte man sie zudem informieren, dass es einem nach diesem Stich nicht gut geht, damit sie Hilfe holen oder womöglich mit einem Allergie-Medikament aushelfen können. „Vielleicht hat jemand in der Nähe Antihistaminika-Tabletten, die man auch bei Heuschnupfen nimmt“, berichtet Torsten Zuberbier, Direktor des Instituts für Allergieforschung an der Charité Berlin.

Wer hat ein erhöhtes Risiko, eine Insektengiftallergie zu entwickeln?

Menschen, die Neurodermitis, Heuschnupfen oder allergisches Asthma haben, haben ein etwas erhöhtes Risiko, wie Thilo Jakob erklärt. „Das ist aber nicht dramatisch erhöht.“ Anders sieht das bei Patienten mit einer bestimmten seltenen Erkrankung, einer Mastozytose, aus.

Menschen, die häufig gestochen werden, können ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine Insektengiftallergie haben. „Zum Beispiel Menschen, die in einer Fleischerei oder Bäckerei arbeiten - und natürlich auch Imker“, so Torsten Zuberbier. Es kann aber auch umkehrt sein: „Der Körper kann sich so sehr an das Insektengift gewöhnen, dass bei Stichen kaum noch Beschwerden auftreten. Auch das ist möglich.“

Wo und wie wird eine Insektengiftallergie diagnostiziert?

Wer den Verdacht hat, auf Insektenstiche allergisch zu reagieren, sollte das ärztlich abklären lassen. Generell gilt: Eine Diagnostik, ob eine Insektengiftallergie vorliegt, wird nur angestoßen, wenn es zu einer systemischen Reaktion gekommen ist, so Jakob. Eine überschießende örtliche Stichreaktion reicht nicht aus.

Meist reicht für die Diagnostik schon ein Bluttest aus, bei dem bestimmt wird, ob ein bestimmter Antikörper gegen Wespen- oder Bienengift vorliegt. Ergänzend kann Arzt oder Ärztin einen Hauttest durchführen.

Die Diagnose steht. Und jetzt?

Insektengiftallergiker bekommen ein Notfallset verschrieben. Es enthält Allergiemedikamente - Kortison und einem Antihistaminikum und außerdem einen Adrenalin-Autoinjektor. Das ist eine Art Spritze, die sich Betroffene nach einem Stich selbst verabreichen können, um lebensbedrohliche Reaktionen zu vermeiden.

„Das Allerwichtigste ist, dass Allergiker dieses Notfallset immer bei sich haben“, sagt Torsten Zuberbier. Das gilt auch dann, wenn sie nur kurz in den Garten gehen.

Denn hat eine Wespe zugestochen und zeigen sich allergische Reaktionen, sollte man das Adrenalin so rasch wie möglich anwenden. Es ist nämlich nicht absehbar, ob sich womöglich ein lebensgefährlicher allergischer Schock entwickelt. „Bei Wespenstichen ist es mitunter sehr variabel, wie viel Gift in den Körper gelangt“, stellt Torsten Zuberbier fest. Hat das Tier viel Gift im Körper hinterlassen, steigt auch das Risiko für einen allergischen Schock.

Was können Allergiker tun, um das Risiko für Stiche zu vermeiden?

Insektengiftallergiker sollten nicht barfuß oder mit offenen Schuhen über die Wiese laufen, im Sommer nicht draußen frühstücken und keine parfümierten Kosmetikprodukte nutzen.

Vor allem wichtig: Getränke sichern, also Flaschen und Gläser abdecken und durch einen Trinkhalm trinken. „Das Worst-Case-Szenario ist, wenn man eine Coladose oder eine Bierflasche offen stehen lässt, eine Wespe reinfliegt und man dann einen kräftigen Schluck nimmt“, warnt Torsten Zuberbier. Selbst für Nicht-Allergiker können Stiche in Mund und Rachen gefährlich werden, weil die Atemwege zuschwellen können.

Wenn einem doch eines der Tiere bedrohlich nah kommt? So schwer es auch fällt: „Ruhig bleiben, nicht um sich schlagen.“

Kann man die Allergie an sich behandeln?

Ja, das geht mit einer spezifischen Immuntherapie. Das Prinzip: Das Immunsystem soll sich nach und nach an das Insektengift gewöhnen und weniger stark darauf reagieren.

Allergiker und Allergikerinnen lassen sich dafür in regelmäßigen Abständen das Insektengift in die Haut spritzen, beginnend mit einer ganz geringen Dosierung, die im Verlauf der Therapie gesteigert wird.

Die Chancen, dass so eine spezifische Immuntherapie Besserung bringt, stehen gut. „Sie bietet eine Sicherheit von 98 Prozent, in Zukunft keine lebensgefährlichen Reaktionen zu entwickeln“, konstatiert Torsten Zuberbier. Voraussetzung ist, dass man sie über die Dauer von rund drei Jahren konsequent durchführt.

Übrigens: Ist die Therapie abgeschlossen und es liegen keine zusätzlichen Risikofaktoren für besonders schwere Reaktionen vor, „braucht man kein Notfallset mehr“, sagt Thilo Jakob.

Info: Insektenstiche

HornissenSie sind deutlich größer als Bienen und andere Wespenarten, aber nicht gefährlicher. Um einen gesunden Erwachsenen ernsthaft zu gefährden, müssten sie einige Dutzend Male zustechen. Allerdings sollte das keiner ausprobieren. Eine solche Mutprobe könnte schnell auf der Intensivstation enden.

WespenIhr Gift ist weniger wirksam als Bienengift. Zudem ist die Giftdosis, die über den Bienenstachel in den Körper gelangt, rund zehnmal so hoch bei einem Wespenstich. Bei Hummeln können nur die Weibchen stechen – genauso wie bei Bienen. Das kommt bei den friedlichen Brummern aber äußerst selten vor.

Bienen Wespen können mehrmals zustechen, während Bienen nach dem ersten Stich, weil der Stachel einen Widerhaken enthält, der stecken bleibt und sich die Biene beim Rausziehen tödlich verletzt. Prekär wird es, wenn die tödlich verwundete Biene Artgenossen alarmiert, die ihrer Schwester zu Hilfe eilen.

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Erstellt:
6. August 2025, 13:06 Uhr
Aktualisiert:
6. August 2025, 13:10 Uhr

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