Was Routine mit dem Ernstfall zu tun hat
Bei der Freiwilligen Feuerwehr Murrhardt absolvieren zurzeit 16 Männer und zwei Frauen die Ausbildung zum Truppführer. Drei Wochen vertiefen sie ihr Praxiswissen, um noch besser vorbereitet und später im Einsatz für zwei Wehrleute Ansprechpartnerin und Ansprechpartner zu sein.

© Tobias Sellmaier
Bei der Ausbildung zum Truppführer ist eine Menge Praxis angesagt. Auf dem Gelände des Murrhardter Feuerwehrhauses üben die 18 Feuerwehrmänner und -frauen Szenarien rund um Brand und technische Hilfe. Foto: T. Sellmaier
Von Christine Schick
Murrhardt/Rems-Murr. Auf dem Gelände des Murrhardter Feuerwehrhauses sind jede Menge Einsatzkräfte in kompletter Montur unterwegs. Sie rollen Schläuche aus, bauen Löschleitungen auf und lassen das Wasser schließlich kurz aus der Spritze schießen. Kein Grund zur Beunruhigung. Sie proben den Ernstfall nur. Als einer der Ausbildungsstützpunkte neben Backnang, Welzheim, Fellbach und Plüderhausen/Urbach ist Murrhardt Anlaufstelle für Feuerwehrfrauen und -männer im oberen Murrtal. Innerhalb von drei Wochen läuft nun die Ausbildung zum Truppführer in der Walterichstadt. Dafür sind 21 Plätze reserviert. Zwar mussten drei Anwärter kurzfristig absagen, aber auch mit den 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist Kommandant Stefan Krehan sehr zufrieden. Die Ausbildungssituation entspricht von den Zahlen her somit in etwa Vor-Corona-Zeiten. „Wir haben natürlich ein Hygienekonzept, auch machen alle vorher noch selbstständig einen Test, damit man eine gewisse Sicherheit hat“, erklärt der Murrhardter Feuerwehrchef.
Nach der Grundausbildung und der bisherigen Praxis in den Einsätzen geht es für die Prüflinge darum, ihr Wissen zu vertiefen, sodass sie noch selbstständiger agieren und für zwei Personen Ansprechpartnerin beziehungsweise Ansprechpartner sein können. „Die Ausbildung ist relativ praxislastig, 80 bis 90 Prozent findet draußen und in Aktion statt“, sagt Krehan. Neben Abendterminen an Dienstagen und Donnerstagen sind drei Samstage für Wiederholung und Vertiefung des Löschangriffs, wie die Feuerwehrleute sagen, vorgesehen, aber auch für das Thema technische Hilfe. Die Stichworte des Kommandanten dabei sind Schneiden und Abdichten. Beispielsweise heißt es bei einem Autounfall, eine Karosserie aufzutrennen, um Insassen zu befreien, und wenn Gefahrenstoffe wie Benzin im Spiel sind, dafür zu sorgen, dass die Flüssigkeit nicht ausläuft.
Die beiden Ausbilder Martin Seke und Stefan Burr proben mit den drei Gruppen den Standardlöschangriff. Bestimmte Abläufe müssen automatisch funktionieren, damit alles gut ineinandergreift. Das wissen auch Melissa Schiemann und Marvin Traub, die sich zur Ausbildung entschlossen haben. „Ich finde gut, dass sich jetzt noch mal das eine oder andere festigen lässt“, sagt Melissa Schiemann. Die 20-jährige Murrhardterin war schon einige Jahre bei der Jugendfeuerwehr, bevor sie in den aktiven Dienst bei der Abteilung Stadt eingestiegen ist. Mit ausschlaggebend dafür, dass sie sich für die Feuerwehrarbeit interessiert und schließlich auch engagiert hat, war ein Brand in der unmittelbaren Nachbarschaft in der Walterichstadt vor vielen Jahren. Aus dem Wissenwollen, was da vor sich geht und wie sich helfen lässt, ist nun ein Ehrenamt geworden, das einen festen Platz in ihrem Leben hat. „Ich finde es schön, den Menschen in dieser Form etwas zurückzugeben.“ Als Frau fühlt sich Melissa Schiemann in der Abteilung – noch sind es in der Mehrheit Männer bei der Freiwilligen Feuerwehr Murrhardt – wohl. Die Kommunikation untereinander sei gut und vertrauensvoll, sagt sie.
„Ich wollte den Truppführer so schnell wie möglich machen, aber dann kam Corona“, erzählt Marvin Traub. Der 21-Jährige hat ebenfalls seinen Weg über die Jugendfeuerwehr gemacht und ist nun schon einige Jahre im aktiven Dienst. Die Ausbildung steht für ihn unter dem Motto „man lernt nie aus“. Vor allem möchte er sich generell gut vorbereiten. „Die Situationen im Einsatz können sehr unterschiedlich sein, insofern ist es wichtig, die Standards im Kopf zu haben.“ In Bezug auf sein Engagement gibt es salopp gesagt eine gewisse familiäre Vorbelastung – Vater und Bruder sind bei der Freiwilligen Feuerwehr Kirchenkirnberg, auch seine Großväter waren bei der Truppe. Letztlich wünscht er sich, dass es möglichst wenig Einsätze geben muss, wenn es aber doch dazu kommt, den Schaden so gering wie möglich halten zu können. „Insofern werde ich jetzt alles aufsaugen, was vermittelt wird“, sagt er.
Für die drei Gruppen geht es in die nächste Praxiseinheit. Drei Standorte werden nach und nach durchlaufen. Mit von der Partie sind Prüflinge aus Murrhardt, aber auch aus Großerlach, Auenwald, Oppenweiler, Allmersbach im Tal und Korb. Stefan Burr steht vor dem Eingang der Fahrzeughalle, beschreibt das angenommene Szenario: Zimmerbrand im ersten Obergeschoss. Als Übungsobjekt dient der Feuerwehrturm, die Eingeteilten kümmern sich um Schläuche, Wasserversorgung und Löschangriff. Zwei Mitglieder steigen in kompletter Montur eine Leiter am Turm hoch, so wie sonst möglicherweise zu einer Balkontür. Es wird klar, dass das Kraft kostet, sie haben den Atemschutz angelegt und ein Seilbündel um. „Im Einsatz kann dann noch ein Schlauchpaket mit 30 Metern, eine Wärmebildkamera und eine Fluchthaube für Menschen, die noch im Haus sind, dazukommen“, erklärt Niklas Eilers. Ein Lehrgangsmitglied fädelt eine Feuerwehraxt so mit einem Seil ein, dass der Kollege sie später nach oben ziehen kann. Diese auch noch mit dabei zu haben, wäre zu viel, erklärt Eilers, der bei der Murrhardter Feuerwehr die Öffentlichkeitsarbeit betreut. Es werden Signale gegeben, das Wasser pumpt sich durch die Schläuche, die sich zackig füllen. Sie sind an ein Fahrzeug der Murrhardter Feuerwehr angeschlossen, das mit rund 2500 Litern für eine allererste Brandbekämpfung ausgestattet ist. Eilers macht aber klar, wie schnell die verbraucht sein können, als er eine Spritze zur Hand nimmt. „Sie arbeitet mit 235 Litern pro Minute.“ Wichtig ist, dass schnell die nächsten Feuerwehrleute eine weitere Wasserversorgung aufbauen und unter Umständen auch Fenster und Tür mit der Axt geöffnet werden, damit sich der Brand großflächig und effektiv bekämpfen lässt. Zum einen wegen des Objekts, zum anderen aber auch zum Schutz der Einsatzkräfte. „Der aufgeheizte Wasserdampf kann durchaus gefährlich werden, wenn er durch die Kleidung dringt“, erläutert Eilers.
Nach der Einheit heißt es, wieder alles zurück an seinen Platz zu räumen. Max Keller von der Freiwilligen Feuerwehr Fornsbach ist froh, als es in die Mittagspause geht. Nicht wegen der guten Portion Praxis, sondern weil die mit Atemschutzgerät läuft, das aber nicht angeschaltet ist und insofern ziemlich warm wird. Auch er sagt: „Die Wiederholung ist gut.“
Stefan Burr nickt. Vor dem Hintergrund von Corona, den Unterbrechungen und Sonderbedingungen sei es schon wichtig, auch gezielt aufzufrischen. Die nächsten beiden Samstage geht es weiter. War es denn schwierig, Mitglieder für den Lehrgang zu gewinnen? Stefan Krehan schüttelt den Kopf. „Die Ausbildung zum Truppführer möchte eigentlich jeder haben“, sagt er, und es sei gut, dass die in Murrhardt angeboten werden kann. Die weiterführenden Lehrgänge finden dann andernorts statt.

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Prüfungen Der Ausbildungslehrgang beinhaltet eine etwa einstündige Theorieprüfung sowie eine praktische Abschlussübung, die ein reales Einsatzszenario darstellt und alle im Lehrgang behandelten Themen abfragt. Martin Seke und Stefan Burr werten beide Leistungsebenen aus und bewerten sie. Normalerweise besteht die Möglichkeit für die Kommandanten der teilnehmenden Feuerwehren, die Praxisübung mitzuverfolgen und später auch ein paar Worte zum Abschluss zu sagen. Aufgrund von Corona ist dies allerdings momentan nur eingeschränkt möglich, so Niklas Eilers.