Wirtschaftsministerin Reiche

Welchen Kurs nimmt die Energiewende?

Die neue Wirtschaftsministerin hat sich in der Energiepolitik schon zu Wort gemeldet. Doch bislang sorgt sie für das, womit eigentlich Schluss sein sollte: Unsicherheit.

Die neue Wirtschaftsministerin Reiche will vieles anders machen als ihr Vorgänger.

© Sebastian Gollnow/dpa

Die neue Wirtschaftsministerin Reiche will vieles anders machen als ihr Vorgänger.

Von Tobias Heimbach und Julika Wolf

Dass Katherina Reiche sehr viel anders machen will, war schon an ihrem ersten Tag zu bemerken. Bei der Amtsübergabe im Ludwig-Erhard-Saal des Bundeswirtschaftsministeriums lobte die CDU-Politikerin zwar die Arbeit ihres Vorgängers Robert Habeck (Grüne) und die der Beamten. Aber sie machte auch klar: „Sie werden mich als Ministerin erleben, die klare Vorstellungen hat.“ Und diese unterscheiden sich durchaus von denen Habecks. „Die Erneuerbaren Energien sind eine Erfolgsgeschichte. Sie allein jedoch werden eine Industrienation wie Deutschland nicht zuverlässig und zu bezahlbaren Preisen mit Strom versorgen können“, sagte Reiche. Es brauche einen „Realitätscheck“, so die Ministerin.

In der Energiepolitik soll also einiges anders werden. Doch in der Branche sorgt die neue Ministerin mit ihrem Kurs erst einmal für Unsicherheit – und damit für das, was die neue Regierung eigentlich vermeiden wollte.

Mehr Windkraftanlagen, schnellere Verfahren

Denn einiges in der Energiepolitik läuft derzeit eigentlich gut. So wurden in diesem Jahr bereits mehr als 300 neue Windkraftanlagen an Land in Betrieb genommen, die eine Maximalleistung von mehr als 1,6 Gigawatt (GW) haben – ein Plus von 53 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Bei den Genehmigungen liegt man bereits bei über 5 GW, auch das eine Steigerung von fast 60 Prozent. Zudem ist die Dauer der Genehmigungsverfahren gesunken. Aktuell liegt sie bei 17,4 Monaten, noch 2024 dauerten die Verfahren fast ein halbes Jahr länger.

Dennoch bleibt ein zentrales Problem der Energiewende, dass der grüne Strom nicht dorthin gelangt, wo er gebraucht wird. Insbesondere bei starkem Wind gibt es – vereinfacht gesagt – zu viel Strom im Norden Deutschlands. Die Leitungen, um ihn in die Industriezentren im Süden zu führen, reichen noch nicht aus. Das führt dazu, dass der eigentlich günstige Windstrom im Norden manchmal abgeriegelt werden muss, Kraftwerke im Süden hingegen hochgefahren werden, um das System stabil zu halten. Das könnte gelöst werden, indem man die Leitungen ausbaut. Doch stattdessen könnte der Ausbau der Erneuerbaren gebremst werden, fürchtet mancher aus der Branche. „Die Rennpferde müssen sich an den lahmsten Gaul anpassen“, kommentiert einer spöttisch.

„Den Ausbau bremsen“

Bruno Burger, Energieexperte vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg, sagt: „Wenn man tatsächlich die Klimaziele einhalten will, muss man die Erneuerbaren Energien und die Netze weiter ausbauen. Doch unsere neue Wirtschaftsministerin und auch einige Energieversorger und Netzbetreiber wollen den Ausbau bremsen.“

Burger kritisiert auch den geplanten Ausbau von Gaskraftwerken. Neue Kraftwerke mit 20 Gigawatt Leistung sollen entstehen. Auch die Ampelkoalition wollte den Bau der Gaskraftwerke angehen, kam aber nicht mehr dazu. „Wenn die Erneuerbaren Energien nicht genügend Strom liefern, bestimmt der Gaspreis über die Merit-Order den Strompreis und der Strom aus Erdgas ist teurer als erneuerbarer Strom“, sagt Burger. Die Merit-Order legt fest, dass die Kraftwerke mit den höchsten Erzeugungskosten als letztes zugeschaltet werden. Sie setzen dann den Preis. Oft sind das Gaskraftwerke.

Gaskraftwerke noch nötig

Allerdings halten auch viele Befürworter der Energiewende den Bau der Gaskraftwerke für richtig. Sie werden gebraucht, um Strom zu produzieren, wenn Sonne und Wind keinen liefern. Außerdem kann man mit Gaskraftwerken die deutlich klimaschädlicheren Kohlekraftwerke ersetzen.

Auch bei Reiches Äußerungen zum Heizen gab es zuletzt Verwirrung. „Es muss Schluss sein mit dem Zwang zur Wärmepumpe“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Dass es einen solchen Zwang im Gebäudeenergiegesetz (GEG) nicht gibt, verschwieg sie. Das erinnerte viele an die harten Diskussionen um das sogenannte Heizungsgesetz zu Ampel-Zeiten. Dies hatte zu großer Unsicherheit bei Verbrauchern geführt. Der Absatz von klimaschonenden Wärmepumpen brach ein, viele Menschen kauften Gasheizungen.

Ein erneutes Hochkochen dieser Debatte fürchtet man auch beim Bundesverband der Erneuerbaren Energien. Präsidentin Simone Peter sagte dieser Redaktion: „Für den Wärmemarkt braucht es klare Signale für Verlässlichkeit und Planungssicherheit.“ Derzeit erlebt man offenbar eher das Gegenteil.

Zum Artikel

Erstellt:
30. Mai 2025, 15:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen