Sanierungsfall Deutsche Bahn
Wer wird neuer DB-Chef?
Wer soll den größten Staatskonzern in die Spur bringen? Die neue Regierung will DB-Chef Lutz ablösen und den Aufsichtsrat neu besetzen – doch für den schwierigen Sanierungsfall sind fähige Nachfolger schwer zu finden.

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Soll gehen: DB-Chef Richard Lutz
Von Thomas Wüpper
Für Friedrich Merz und Patrick Schnieder (beide CDU) gibt es viel zu tun. Der künftige Bundeskanzler und sein designierter Verkehrsminister übernehmen einen schweren Sanierungsfall: die hoch verschuldete, verlustreiche Deutsche Bahn AG und das überalterte, lange vernachlässigte Schienennetz. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, den größten Staatskonzern besser aufzustellen, Vorstand und Aufsichtsrat neu zu besetzen sowie die bundeseigene, enorm bezuschusste Infrastruktur mehr von der Holding der Aktiengesellschaft zu entflechten. Das Ziel: mehr Fachkompetenz und eine Verschlankung.
Doch wer soll die Bahn besser in Spur bringen und wie? Die Union hätte gerne einen fähigen, erfahrenen Manager als Nachfolger von Richard Lutz, der seit acht Jahren den Konzern führt. Doch der Job gilt bei Topleuten als undankbar: Der Bahnchef steht öffentlich ständig in der Kritik, wenn der Schienenverkehr wie so häufig nicht richtig funktioniert. Zudem muss die Bahn-Spitze als Sündenbock herhalten, wenn sich Politik und Gewerkschaften wieder mal über den richtigen Kurs des Unternehmens uneins sind. Und schließlich beziehen zwar auch DB-Vorstände Millionengehälter, aber weniger als Spitzenpersonal in anderen Konzernen mit mehr als 200 000 Beschäftigten.
Levin Holle wird Berater von Merz im Kanzleramt
Bisher jedenfalls drängt sich kein Kandidat auf und DB-Chef Lutz, der am 6. Mai seinen 61. Geburtstag feiert, macht erst mal scheinbar unbeirrt weiter. Die vorzeitige Ablösung wird teuer, denn sein Vertrag läuft noch bis März 2027 und voriges Jahr verdiente der gebürtige Pfälzer mehr als zwei Millionen Euro, obwohl der Konzern seine Ertrags- und Pünktlichkeitsziele erneut weit verfehlte. Als Chef auf Abruf sei Lutz nun endgültig eine „lahme Ente“, lästern Kritiker.
Die Stimmung im DB-Vorstand sei „mies, eine absolute Misstrauenskultur“, berichtet ein Insider. Dazu dürfte auch beitragen, dass einige seiner Kollegen bereits als Nachfolger gehandelt wurden. Ein interner Kandidat ist bereits ausgeschieden: Der unionsnahe Finanzvorstand Levin Holle (57) soll ökonomischer Chefberater von Merz im Kanzleramt werden. Infrastrukturvorstand Berthold Huber (61) und DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta (56) wiederum gelten in der Union als kaum durchsetzbar, in beiden Sparten türmen sich weiter die Probleme. Mehr Chancen werden Evelyn Palla eingeräumt, Chefin von DB Regio. Die 51-jährige Südtirolerin kam erst 2019 von der ÖBB aus Wien, wo sie weiterhin mit ihrer Familie lebt, zwischen Homeoffice und dem Pendeln nach Berlin. „Auf den ersten Blick eine charmante Lösung, aber da kommen wir vom Regen in die Traufe“, meint ein Insider. Die studierte Betriebswirtschaftlerin sei auf Zahlen fixiert und in der deutschen Politik zu wenig vernetzt.
„Wir brauchen einen Vorstandschef, der die Leute begeistern kann, gerne kommuniziert und auch stark genug ist, Stoppschilder aufzustellen“, verlautet aus den Führungsetagen im Berliner Bahn-Tower. Man müsse „weg von Verwaltern im Aufsichtsrat und Vorstand“. An der Spitze des 20-köpfigen Kontrollgremiums, die bisher vom vormaligen Staatssekretär Werner Gatzer besetzt wird, sei statt eines Politikers ein handlungsstarker Manager mit strategischer Weitsicht nötig, „der richtig aufräumt und sich nicht ein X für ein U vormachen lässt“.
Der Koalitionsvertrag trage in Sachen Bahn die Handschrift der Union, die künftig auch das Verkehrsressort führe, heißt es in Unternehmenskreisen, die sich einen wirklichen Neuanfang wünschen. Merz und Schnieder dürften es „nicht auf faule Kompromisse mit der SPD hinauslaufen lassen“, die mit der Gewerkschaft EVG und deren Mitbestimmung im Konzern seit Jahren nötige Strukturreformen weitgehend verhindere. Eine Neubesetzung der Bahn-Spitze muss im Aufsichtsrat beschlossen werden, wo die Politik und die Gewerkschaften den Kurs bestimmen. Die nächste turnusgemäße Sitzung ist für Ende Juni anberaumt.
Neuer Bahnchef, alte Probleme
NotlösungDie künftige Regierung von Union und SPD hat ein Problem, das schon der früheren großen Koalition unter Kanzlerin Merkel zu schaffen machte. Anfang 2017 erklärte plötzlich Bahnchef Rüdiger Grube verärgert seinen Rücktritt, damals fand die Politik über Monate keinen externen Nachfolger. Schließlich übernahm der langjährige Finanzvorstand Richard Lutz das Ruder, er galt als Kompromiss und Notlösung.
VerlusteAnders als erwartet konnte sich der Manager, der bereits mit der Bahn-Reform 1994 zum Konzern kam, im Chefsessel halten und überstand zahlreiche Turbulenzen, Fehlentwicklungen und Betriebsprobleme im Schienenverkehr. Seit der Corona-Krise fährt die Deutsche Bahn durchweg Verluste ein, bisher rund 10 Milliarden Euro, und verfehlte konstant die meisten Planziele.