Werke aus vier Epochen haben fulminanten Auftritt
Fünf Pianistinnen und zwei Pianisten präsentieren facettenreiche Kompositionen aus Klassik, Romantik, Impressionismus und Expressionismus beim zweiten Teilnehmerkonzert der Internationalen Klavierakademie.

Die Pianistinnen und Pianisten des Abends (von links): Dezheng Kong, Maria Litsoukov (sitzend), Rei Naito, Nanae Maruyama (sitzend), Louisa Sophia Jefferson, Alice Power und Arkın Akçagül. Foto: Elisabeth Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Die sieben Frauen und Männer spannten mit Werken von sechs Komponisten aus vier Epochen einen facettenreichen Bogen von klangschöner Melodik bis zu expressiver Dramatik beim zweiten Teilnehmerkonzert der Internationalen Klavierakademie. Für Furore sorgten zwei Studentinnen von Professorin Rena Shereshevskaya, die an der Musikhochschule Alfred Cortot in Paris lehrt. Energisch, temperament- und kraftvoll brachte die Schwedin Alice Power das vielfältige Klangfarbenmosaik in Nikolai Medtners Sonata minacciosa Opus 53 Nr. 2 f-Moll zur Entfaltung. Sie spiegelt laut dem Komponisten die bedrohliche Atmosphäre zeitgenössischer Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider. Hoch virtuos gestaltete die Pianistin die dramatischen und temporeichen Akkordkaskaden, Läufe und Figuren mit vielen Modulationen, rhythmischer Freiheit und einem kunstvollen Fugenzwischenspiel. Stimmig stellte Alice Power auch den trotzig wirkenden Optimismus in lyrischer, romantischer Klangsprache am Schluss dar.
Hingebungsvoll interpretierte die Deutsche Louisa Sophia Jefferson aus Ellerbek drei Stücke aus Igor Strawinskys Ballett Petruschka: „Russischer Tanz“, „Bei Petruschka“ und „Die Faschingsmesse“. Die Hintergrundgeschichte: Zwischen der Ballerina Petruschka, Marionetten und einem Puppenspieler entwickelt sich auf dem Jahrmarkt in Sankt Petersburg aus dem Theatersetting eine Tragödie, als die Puppen sich in Menschen zu verwandeln scheinen. Geradezu schauspielerisch imitierte Jefferson mit dem ganzen Körper die Bewegungen der Ballerina und der Marionetten, während ihre Finger über die Tasten tanzten. Souverän gestaltete sie die rhythmisch mitreißenden russischen Volkstänze, die sinfonische Klangnuancenfülle, die rasanten spannungsvoll-dramatischen Figuren und Läufe sowie die überraschenden Wendungen.
Der Türke Arkın Akçagül hat sein Studium am Staatlichen Konservatorium der Universität Ankara abgeschlossen und ist nun als Konzertpianist tätig. Präzise und minutiös gestaltete er die Sätze „Andante con espressione“ und „Rondo. Presto“ aus Joseph Haydns Klaviersonate Hob. XVI:48 C-Dur. Sie verbindet typisch klassische Motive mit neuartigen, schon romantisch anmutenden harmonischen Ideen. Mit eleganter Fingerfertigkeit ließ Akçagül die Läufe perlen und brachte die zwischen Heiterkeit und Melancholie changierende Melodik sowie die schwungvolle, galoppierende Rhythmik stimmungsvoll zur Geltung.
Sorgfältig und empfindungsreich präsentierte die Japanerin Nanae Maruyama, die im Masterstudiengang Klavier an der Showa University of Music in Kawasaki studiert, Clara Wieck-Schumanns Variationen über ein Thema von Robert Schumann Opus 20. Klangschön trug sie das ernste, feierliche Thema vor, das in den harmonisch und rhythmisch verschiedenartigen Strukturen, Akkordfolgen und Läufen der Variationen stets gut erkennbar bliebt.
Ihre Landsfrau Rei Naito, die ihr Masterstudium an der Musikhochschule Lübeck in der Klasse von Professor Florian Uhlig absolviert, stellte stilvoll den Reichtum der Ideen und Nuancen in Frédéric Chopins vielschichtiger Fantasie Opus 49 f-Moll dar. Detailliert arbeitete sie die raschen Wechsel der Emotionen und Stimmungen zwischen dunklen, schicksalsschweren Klangfarben, optimistisch aufblühender lyrischer Melodik sowie monumentalen Kadenzen und Läufen heraus.
Feinsinnig ließ der Chinese Dezheng Kong, der an der Musikhochschule Trossingen studiert, Alexander Skrjabins Zwei Gedichte Opus 32 erklingen. Es sind zwei verschiedenartige impressionistische Tonschöpfungen: In der ersten scheinen atmosphärische Figurationen und Läufe wie Schmetterlinge zu tanzen. Im Kontrast dazu steht die zweite mit wuchtigen, aufgewühlten, komplexen Akkordfolgen, die Kong ebenso stimmig darstellte.
Die Deutsche Maria Litsoukov, die bei Daniel Heyne in Dresden und Professor Christian A. Pohl in Leipzig studiert, hat mit Chopins Walzer Nr. 2 Opus 34 Nr. 1 As-Dur einen echten Ohrenschmeichler ausgewählt. Brillant gestaltete sie die lebensfrohe Melodik, festliche Harmonik und beschwingte Rhythmik, die an einen prächtigen Hofball erinnern. Im Walzertakt tanzten ihre Finger über die Tasten: Da schienen sich elegante Tanzpaare in glitzernder Pracht zu drehen, bevor die Läufe zum Ende hin immer temporeicher wurden. Mit Bravorufen und tosendem Beifall brachte das Publikum seine Begeisterung über die fulminanten Darbietungen zum Ausdruck.
Auftritte Am heutigen Freitag, 9. September, 19 Uhr findet ein weiteres Teilnehmerkonzert in der Festhalle statt. Die Abschlussgala schließt sich am Samstag, 10. September, 19 Uhr an, ebenfalls in der Festhalle.