Pubertätsblocker
Wie die Mittel auf junge trans Menschen wirken
Die Blocker stoppen die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale in der Jugend. Sie sollen sich aber etwa auf die sexuelle Zufriedenheit auswirken. Was nun eine Studie dazu sagt.

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In Deutschland beginnt jährlich eine dreistellige Zahl an Jugendlichen eine Behandlung mit Pubertätsblockern oder Hormonen.
Von Florian Gann
Sieben Jahre lang haben Fachleute in Deutschland an einer Leitlinie gefeilt, wie trans Jugendliche zu behandeln sind, ehe diese im April veröffentlicht wurde. Das zeigt wohl auch, wie umstritten die Eingriffe in die geschlechtliche Entwicklung von Menschen, die sich nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizieren, sind. In der Leitlinie geht es um Hormontherapien und Pubertätsblocker. Letztere werden eingesetzt, um die Pubertät anzuhalten. Bei trans Frauen: keine Barthaare und Körperbehaarung, die sprießen, keine Stimme, die tiefer wird. Bei trans Männern: keine Brüste, die wachsen, keine Menstruation – sofern die Blocker entsprechend früh eingesetzt werden.
Vieles zu den Auswirkungen ist unklar
Gleichzeitig stehen Pubertätsblocker im Verdacht, starke Nebenwirkungen zu haben, wie sexuelle Unlust oder eingeschränkte Orgasmusfähigkeit. Zudem kam die britische Wissenschaftlerin Hilary Cass in einer umfassenden Untersuchung zu dem Ergebnis: Der Nutzen dieser Mittel ist unklar, die langfristigen Auswirkungen – sowohl die positiven wie negativen – ebenso. Daraufhin stoppte Großbritannien die Vergabe von Pubertätsblockern.
Eine Studie von Forscherinnen und Forscher der Amsterdam University Medical Center, die am Dienstag im Fachmagazin „The Journal of Sexual Medicine“ veröffentlicht wurde, hat ebenjene Auswirkungen auf die sexuelle Zufriedenheit untersucht. Für die Studie wurden 70 trans Erwachsene befragt, die 14 Jahre zuvor Pubertätsblocker erhalten hatten. Das Ergebnis: Trans Jugendliche, die Pubertätsblocker nahmen, sind etwa gleich zufrieden mit ihrem Sexualleben wie die trans Menschen, die keine Blocker erhielten. Kann die Arbeit also die bestehenden Zweifel an Pubertätsblockern zerstreuen?
Wichtige Erkenntnisse, beschränkte Aussagekraft
Das Science Media Center (SMC), eine gemeinnützige Wissenschaftsplattform, befragte dazu mehrere Experten, die mit trans Jugendlichen arbeiten. Achim Wüsthof, Kinder- und Jugendmediziner in Hamburg, sagt, bei einem genaueren Blick in die Studie falle auf: „Die früh pubertätsunterdrückten Jugendlichen hatten im späteren Leben durchaus größere Schwierigkeiten, einen Orgasmus zu erreichen oder insgesamt sexuell aktiv zu sein. “ Die Aussagekraft der Studie sei aber aufgrund der Fallzahlen begrenzt.
Florian Zepf von der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Jena, sagt: Dass sich diese nicht auf die sexuelle Zufriedenheit der Betroffenen auswirkten, lasse sich mit der genannten Studie weder bestätigen noch widerlegen – auch wenn die Frage von hoher Relevanz sei. Auch die anderen Mediziner sagen: Weitere Studien seien notwendig.
Experte spricht von guten Erfahrungen
Angesichts der geringen Zahlen von trans Menschen und des langen Untersuchungsintervalls sei es eine beachtlich große und aussagekräftige Zahl an Untersuchten, sagt hingegen Georg Romer von der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Münster und Koordinator der erwähnten Leitlinie.
Er weist zudem darauf hin, dass Sexualität für trans Menschen ohne geschlechtsangleichende Behandlung stark stressbelastet sein könne, da das Wohlbefinden durch das körperliche Erscheinungsbild beeinträchtigt werde. An spezialisierten Behandlungszentren gebe es mittlerweile 25 Jahre Erfahrung mit dem Einsatz von Pubertätsblockern. „Bisherige Nachuntersuchungen von Personen, die im Jugendalter behandelt wurden, zeigen ein gutes Outcome für die allgemeine Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit im Erwachsenenalter“, sagt Romer.
Wer bekommt Pubertätsblocker?
- Pubertätsblocker werden eingesetzt, um die Pubertät zu stoppen. Das soll den Jugendlichen Zeit verschaffen, über eine mögliche geschlechtsangleichende Hormonbehandlung nachzudenken. Werden sie abgesetzt, soll sich der Körper weiterentwickeln. Dabei werden unter anderem Sexualhormone des empfundenen Geschlechts verabreicht – bei trans Frauen Estradiol, bei trans Männern Testosteron. Eine solche Hormontherapie wird nie vor Beginn der Pubertät begonnen, ein Mindestalter gibt es aber nicht.
- Was die Voraussetzungen für den Einsatz von Pubertätsblockern oder Hormontherapien sind, ist in der sogenannten S2k-Leitlinie festgelegt. Bevor Pubertätsblocker genommen werden oder eine Hormonbehandlung beginnt, solle es demnach eine umfangreiche jugendpsychiatrische Diagnostik geben. Eine Hormontherapie solle zudem erst beginnen, wenn sich eine Person seit mehreren Jahren transgeschlechtlich fühle, heißt es darin. Bei Pubertätsblockern gibt es eine solche zeitliche Vorgabe nicht – es wäre sonst in vielen Fällen zu spät, die Pubertät anzuhalten.
- In Deutschland gebe es jährlich wenige Hundert Jugendliche, die neu mit einer Pubertätsblockade oder einer geschlechtsangleichenden Hormonbehandlung beginnen, sagte Georg Romer früher in diesem Jahr.