Außergewöhnliches Duo im Universum
Wie ein Zwergstern und ein Gasriese zusammenpassen
Astronomen haben in 238 Lichtjahren Entfernung eine seltene Kombination von Stern und Exoplanet entdeckt. Einen Gasriesen, der um einen kleinen Roten Zwerg kreist.

© © University of Warwick/Mark Garlick
Der neuentdeckte Gasriese TOI-6894b umkreist einen kleinen, massearmen Roten Zwergstern.
Von Markus Brauer/dpa
Schon bald nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren begannen sich an vielen Stellen im jungen Universum Gasnebel zu verdichten und zunehmend kompakte Wolken zu bilden. Je enger die Atome darin gepackt waren, desto heißer wurde es. Bis schließlich, etwa 100 bis 200 Millionen Jahre später, die sich ersten Sterne im bis dahin dunklen All bildeten.
Wolke aus Gas und Staub: Geburtsort und Sternen und Planeten
Sterne und Planeten entstehen in einer gemeinsamen Wolke aus Gas und Staub. Die Materialmenge in dieser protoplanetaren Scheibe bestimmt, wie groß der Stern werden kann und wie viel für seine Planeten übrig bleibt. Diese Scheibe ist eine Ringscheibe aus Gas und Staub, die um einen Protostern rotiert.
Reicht das Material nur für einen Zwergstern, bilden sich nur kleinere Gesteinsplaneten in seinem Orbit. Beispiele für solche Planetensysteme sind der Nachbarstern der Erde, Proxima Centauri, oder der 40 Lichtjahre entfernte Stern Trappist-1 mit seinen sieben Erdzwillingen.
Rote Zwerge, die von Gasriesen umkreist werden
In den vergangenen Jahren haben Astronomen Rote Zwerge entdeckt, die trotz ihrer geringen Masse von einem oder mehreren Gasriesen umkreist werden. Wie solche Exoplaneten zustande kommen und wie häufig solche ungleichen Paarungen existieren ist bisher unklar.
- Zur Info: Rote Zwerge sind die kleinsten und häufigsten Sterne im Universum, in deren Zentrum Kernfusion stattfindet. Etwa drei Viertel aller Sterne gehören zu dieser Sternklasse.
Jetzt haben Astronomen ein weiteres Rätselpaar dieser Art aufgespürt. Edward Bryant von der University of Warwick in England und sein Team werteten dafür Daten des Tess-Weltraumteleskops der Nasa zu mehr als 91.000 massearmen Roten Zwergen aus. Die Studie ist im Fachjournal „Nature Astronomy“ erschienen.
Scientists have discovered a giant planet called TOI-6894b, orbiting a star that should be far too small to have formed it. The discovery could further challenge theories of planet formation. https://t.co/huMHx6AL0c — Live Science (@LiveScience) June 4, 2025
Roter Zwerg mit saturngroßem Exoplaneten
Es handelt sich um den rund 238 Lichtjahre entfernten Zwergstern TOI-6894. Dieser Rote Zwerg wird von dem saturngroßen Exoplaneten TOI-6894b umkreist. Er ist rund 53 Erdmassen schwer und hat damit gut die halbe Masse des Saturn. „Damit ist TOI-6894b unseren Analysen zufolge ein Planet mit sehr geringer Dichte“, schreiben die Astronomen.
Der Rote Zwerg TOI-6894 ist nur 0,2 Sonnenmassen schwer und hat 20 Prozent der Größe unserer Sonne. „Damit umkreist der Gasriese TOI-6894b den masseärmsten Stern mit einem solchen großen Gasplaneten“, erklärt Bryant. Das wirft die Frage auf, wie der Gasriese gebildet wurde.
Wie konnte sich der massearme Sterne bilden?
- 1. Theorie: „Bei massearmen Sternen liegt die Haupthürde in den begrenzten Mengen an festem Material in ihrer protoplanetaren Scheibe“, erläutern die Forscher. Nur wenn der Kern des Planeten genügend Masse angesammelt hat, kann er in kurzer Zeit genügend Gas an sich binden, um zum Gasriesen zu werden. Doch die protoplanetare Scheibe um TOI-6894 bot dafür wahrscheinlich genügend Rohmaterial.
- 2. Theorie: Eine andere Möglichkeit wäre ein langsameres Heranwachsen von Kern und Hülle. „Gemäß den bisherigen Vorstellungen entstehen große Gasplaneten durch die sogenannte Kern-Akkretion. Dabei bildet sich zunächst ein schwerer Kern aus Gestein und Metallen, der dann mit seiner Schwerkraft rasant Gas aus der Umgebung anzieht. Demnach müsste die Urwolke des Roten Zwergs mindestens 120 Erdmassen an festem Material umfasst haben, um den rund zwölf Erdmassen schweren Kern seines Gasplaneten zu bilden. Doch das war nicht der Fall.
- 3. Theorie: Auch ein drittes Szenario passt nur bedingt: Der Gasriese TOI-6894b könnte auch durch den gravitativen Kollaps von Gas und Staub in einem Teil der Akkretionsscheibe entstanden sein. Diese Kollaps-Planetenbildung wird für massereiche Gasriesen angenommen. Auch Jupiter in unserem Sonnensystem könnte auf diese Weise entstanden sein.
Gibt es in der Milchstraße mehr große Gasplaneten als angenommen?
Milchstraße viel mehr große Gasplaneten geben als bislang vermutet Keines dieser Szenarien kann jedoch die Bildung des Gasriesen TOI-6894b vollständig erklären. „Dieses System stellt eine neue Herausforderung für Modelle der Planetenbildung dar und bietet ein sehr interessantes Ziel für Nachfolgebeobachtungen“, konstatiert Koautor Andrés Jordán vom Millennium Institut für Astrophysik in Santiago.
TOI-6894 ist damit der kleinste Stern, bei dem bislang ein großer Gasplanet nachgewiesen werden konnte. „Die meisten Sterne in unserer Milchstraße sind ähnlich klein wie dieser Zwergstern“, erklärt Team-Mitglied Daniel Bayliss die Konsequenzen der Entdeckung. Wenn dieser Stern also einen Riesenplaneten beherberge, so der Forscher, könne das bei vielen Zwergsternen der Fall sein – und es damit in unserer Milchstraße viel mehr große Gasplaneten geben als bislang vermutet.