Friedrich Merz

Wie (un-)wahrscheinlich sind Neuwahlen?

Friedrich Merz hat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit um sechs Stimmen verfehlt. Während die Opposition Neuwahlen fordert, hofft die Union auf einen erfolgreichen zweiten Anlauf.

Würde sich sicher über Neuwahlen freuen: Alice Weidel und die AfD feixen im Bundestag.

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Würde sich sicher über Neuwahlen freuen: Alice Weidel und die AfD feixen im Bundestag.

Von Michael Maier

Es ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Friedrich Merz (CDU) ist bei der Kanzlerwahl im ersten Wahlgang gescheitert, aber es gibt weitere Wahlgänge. Mit 310 von benötigten 316 Stimmen verpasste er die absolute Mehrheit der gewählten Abgeordneten knapp. Noch nie zuvor ist ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang nicht gewählt worden.

Die Reaktionen aus der Politik fallen unterschiedlich aus. Während die CDU eher abwiegelt und schnell einen zweiten Wahlgang fordert, nutzen Opposition und politische Gegner die Gelegenheit für scharfe Kritik an der geplanten Koalition aus Union und SPD. Die Linke und das BSW um Sahra Wagenknecht reagieren mit Häme auf die „krachende Niederlage“.

AfD-Chefin Alice Weidel fordert gar einen Merz-Rückzug und eine erneute Bundestagswahl: „Herr Merz sollte sofort abtreten. Es sollte der Weg geöffnet werden für Neuwahlen.“

Neuwahl-Szenario

  • In den nächsten 14 Tagen kann der Bundestag beliebig oft versuchen, einen Kanzler mit absoluter Mehrheit der Mitglieder des Bundestags zu wählen. Auch andere Kandidaten als Merz wären möglich.
  • Gelingt das nicht, folgt ein letzter Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit reicht. Der Bundespräsident müsste dann entscheiden: Entweder er ernennt den Gewählten zum Kanzler oder er löst den Bundestag auf - was tatsächlich zu Neuwahlen führen würde.

Das Neuwahl-Szenario gilt indes als unwahrscheinlich. Die CDU-Führung zeigt sich trotz des Rückschlags optimistisch und betont die Notwendigkeit einer handlungsfähigen Regierung. „Europa und die Welt schauen auf uns. Es braucht jetzt Stabilität in unserem Land“, heißt es aus der Parteizentrale.

Der Brandenburger CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann kritisiert mögliche Abweichler scharf: „Wer hier in einer geheimen Abstimmung sein Mütchen kühlen wollte, hat den Ernst der Lage offenbar nicht verstanden.“

SPD angeblich komplett für Merz

Die SPD-Bundestagsfraktion geht nach dem Scheitern von Friedrich Merz im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl von einer vollständigen Zustimmung der eigenen Abgeordneten aus. Es habe auch niemand gefehlt, erklärten Fraktionskreise der Deutschen Presse-Agentur.

Sollte das stimmen, müssen die Abweichler, die gegen Merz gestimmt haben, aus der CDU/CSU-Fraktion kommen. Merz wird seit Jahrzehnten vorgeworfen, in der eigenen Partei viel zu überheblich zu agieren und – im Gegensatz zu Ex-Kanzlerin Angela Merkel – keine ausreichende Hausmacht in der CDU zu haben. Merkel war es nach der Bundestagswahl 2002 gelungen, ihren Rivalen Merz vom Fraktionsvorsitz zu verdrängen. Dieser verabschiedete sich daraufhin in die freie Wirtschaft.

Wer hat gegen Merz gestimmt?

Aktuell wird Merz dafür kritisiert, dass der Arbeitnehmerflügel der Union, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nicht mit einem Minister vertreten sein soll. Mit Stirnrunzeln wurde auch aufgenommen, dass das kleine Schleswig-Holstein mit Johann Wadephul (Auswärtiges Amt) und Karin Prien (Bildung und Familie) gleich doppelt im Kabinett präsent wäre, das große Niedersachsen aber überhaupt nicht.

Merz-Kritiker und „Merkel-Fans“

Ausgerechnet die liberalen Schleswig-Holsteiner um Ministerpräsident Daniel Günther hatten sich in der Vergangenheit jedoch immer wieder als ausgesprochene Merz-Kritiker und große „Merkel-Fans“ hervorgetan. Die Kabinettsliste von Friedrich Merz könnte also wichtige Landesverbände und den konservativen Parteiflügel vor den Kopf gestoßen haben. Sitzt Merz, der in der CDU keine klassischen „Seilschaften“ haben soll und noch nie ein Regierungsamt bekleidet hat, nun zwischen allen Stühlen?

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Erstellt:
6. Mai 2025, 13:18 Uhr
Aktualisiert:
6. Mai 2025, 13:59 Uhr

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