Mobilität in Baden-Württemberg
Wie weh darf Klimaschutz tun?
Das Landesverkehrsministerium will die Kommunen zu mehr Klimaschutz im Verkehr locken. Die Maßnahme, die am wenigsten kostet, ist aber mit den meisten Emotionen belastet.

©
Grünes Licht für den Radverkehr – ein Baustein für fast alle Mobilitätspläne der Kommunen.
Von Andreas Geldner
Können wir uns Klimaschutz und grüne Mobilität überhaupt noch leisten? „Es fehlt oft nicht an Geld, sondern am Willen“, sagte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag in Stuttgart.
Seit fünf Jahren greift das Land Kommunen finanziell unter die Arme, die einen Gesamtplan entwickeln, wie sie den Verkehr in grünere Bahnen lenken können. Mehr Busse und Bahnen, bessere Radwege, Neugestaltung von Straßen, Parkraumbewirtschaftung – der Werkzeugkasten ist vielfältig.
Land lockt mit Klima-Bonus
In Stuttgart wollte der Minister dem bei einem Treffen von Experten und Kommunalvertretern einen Schub geben. Das Land lockt seit fünf Jahren im Rahmen seines Landesmobilitätsplans mit Bonus-Zuschüssen von bis zu 75 Prozent anstatt der üblichen 50 Prozent, wenn Kommunen ein entsprechendes Gesamtkonzepts aufstellen. Von wenigen tausend Euro bis hin zu zweistelligen Millionenbeträgen kann je nach Projekt die Förderung reichen. Doch in Zeiten knapper Kassen sind die damit einhergehenden, langfristigen Verpflichtungen für viele Gemeinde- und Stadträte ein Problem.
Er wundere sich, warum die Kommunen auch dann zögerten, wenn sie mit einer ökologischen Lenkung des Verkehrs sogar Geld verdienen könnten, sagte Hermann. Ein Beispiel sei die mit dem neuen Landesmobilitätsgesetz eröffnete Möglichkeit der digitalen Parkraumkontrolle, bei der einige Städte und Gemeinden noch zögerten: „Das bringt doch mehr Effizienz und spart Geld.“ Ein Überwachungsfahrzeug könne in der Stunde bis zu 1000 Parkplätze kontrollieren, ein Mitarbeiter zu Fuß schaffe im selben Zeitraum vielleicht 50. Laut der Analysen des Ministeriums ist Parkraummanagement die Maßnahme, die den größten Effekt bei der CO2-Reduktion hat – und gleichzeitig am wenigsten kostet.
Parken ist ein emotionales Thema
Doch genau beim Thema Parken wurde klar, dass es hier um die Grundsatzfrage geht: Wem gehört die Stadt? Sobald Autos weniger Platz bekommen sollen, werde es emotional, berichtete der Freiburger Baubürgermeister Martin Haag.
Selbst im Musterland des öffentlichen Verkehrs, der Schweiz, ist das nicht anders, erzählte der Mobilitätsstratege des Kantons Basel-Stadt, Arne Schöllhorn. „Eine vermeintlich autofeindliche Politik hat eine sogar noch wachsende Autofreundlichkeit zum Ergebnis gehabt.“ Vor allem aus dem Umland drängten immer noch mehr Autos nach Basel, der Autobestand sei nicht geringer und die Fahrzeuge seien immer noch schwerer und größer geworden. Förderung verpuffe, wenn man nicht lenke.
Auch in der Schweiz ist Auto-Trend schwer zu knacken
Auch Basel hat bei den Parkgebühren für Anwohner einen langen Atem gebraucht, um diese deutlich zu erhöhen und nach der Größe der Fahrzeuge zu staffeln. Für die größte Autokategorie zahlt man nun umgerechnet rund 750 Euro im Jahr fürs Anwohnerparken. Einpendler, die im öffentlichen Straßenraum parken, werden mit knapp 1100 Euro zur Kasse gebeten. „Stuttgart verlangt aktuell noch 30,70 Euro fürs Anwohnerparken“, so kommentierte dies der Landesverkehrsminister. Einen Euro am Tag, also 365 Euro im Jahr halte er für eine faire Größe. Immerhin stehe aktuell im Zuge der Haushaltsberatungen eine Verdoppelung im Raum.
Stuttgart bekennt sich zu strengeren Parkregeln
Die Parkraumbewirtschaftung sei eine der vier wichtigsten Maßnahmen Stuttgarts neben dem teuren Stadtbahnausbau, klimafreundlichen Bussen und mehr Radwegen , sagte Michael Hagel, Leiter des Mobilitätsreferats. Der 2021 angestoßene Klimamobilitätsplan brauche Zeit und Überzeugungsarbeit. „Das muss man sorgsam erarbeiten und regelmäßig in den Gremien vorbeigehen.“
Der Freiburger Haag mahnte, nicht die größten Konfliktthemen als erstes anzupacken. Auch im politisch grün orientierten Freiburg habe man zuerst die niedriger hängenden Früchte geerntet, wo die Attraktivität von Alternativen zum Auto gesteigert worden sei – etwa beim Ausbau der Straßenbahn und der Radwege und aktuell der Elektrifizierung der Busflotte. Vom unverbindlichen Herumprobieren riet er anderseits ab.
Anpacken oder lieber austesten?
„Ich weiß nicht, ob die blauen Plastikmöbel des Landes so viel bringen“, sagte er über die vom Landesverkehrsminister beworbene Unterstützung für Versuche mit verkehrsberuhigten, so genannten Superblocks. Bei solchen Versuchen werden Straßen erst einmal provisorisch umgestaltet, um die Akzeptanz zu testen. „Das ist übrigens blaues Holz!“, widersprach Hermann amüsiert, der ansonsten interessiert zuhöre, als Haag dafür warb, die Dinge lieber von Anfang an dauerhaft durchzuziehen. „Pflanzen sie lieber gleich die Bäume!“ Klimaschutz sei abstrakt, mehr Lebensqualität sei für die Bürger konkret.
Die Extra-Förderung des Landes, die für die Regierungspräsidien einigen Verwaltungsaufwand bedeutet, wie die Stuttgarter Regierungspräsidentin Susanne Bay deutlich machte, scheint auch in Zeiten knapper Kassen noch ein Lockmittel. Zu den bisher an Mobilitätsplänen arbeitenden 16 Kommunen stießen bei der Veranstaltung acht weitere offiziell dazu, darunter aus der Großregion rund um Stuttgart etwa die Kreise Böblingen und Calw oder etwa die Stadt Schwäbisch Gmünd.