Israel greift den Iran an
„Wir befinden uns im Krieg“
Israel hat Irans Nuklearanlagen angegriffen und die beiden höchsten militärischen Anführer getötet. Teheran kündigt Vergeltung an. Droht jetzt ein neuer Nahost-Krieg?

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Ein Ziel des israelischen Angriffs: Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt die Nuklearanlage Natanz im Iran am 24. Januar 2025.
Von Markus Brauer/A/AFP/dpa
Trotz Warnungen von US-Präsident Donald Trump hat Israel mehrere Ziele im Iran angegriffen, darunter in der Hauptstadt Teheran und in der Atomanlage Natanz. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz sprach am Freitag (13. Juni) von einem „Präventivschlag“, Israel rechne mit Vergeltungsangriffen.
Atomanlage Natanz bombardiert
Iranischen Medienberichten zufolge wurde bei den Angriffen der Chef der Revolutionsgarden, Hossein Salami, und Armeechef Mohammed Bagheri getötet. Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei drohte Israel mit folgenschweren Konsequenzen.
Iranischen Medien zufolge wurden bei den Angriffen die wichtige Atomanlage Natanz und drei Militäranlagen im Nordwesten des Landes getroffen. Beide Länder riegelten ihren Luftraum ab, Israel verhängte den Ausnahmezustand.
Konflikt mit Iran an einem „kritischen Punkt“
In Erwartung eines iranischen Angriffs habe der Verteidigungsminister „gemäß seiner Befugnis im Rahmen des Gesetzes über die zivile Verteidigung einen Sonderbefehl unterzeichnet, wonach an der Heimatfront im gesamten Staat Israel ein besonderer Ausnahmezustand verhängt wird“, heißt es in der Erklärung seines Ressorts.
Später erklärte Katz, Israel befinde sich im Konflikt mit seinem Erzfeind Iran an einem „kritischen Punkt“. „Dies ist ein entscheidender Moment in der Geschichte des Staates Israel und in der Geschichte des jüdischen Volkes.“
Israel nimmt Dutzende Ziele ins Visier
Die israelische Armee hatte am frühen Freitagmorgen mitgeteilt, dass sie die erste Phase ihrer Angriffe auf den Iran abgeschlossen habe. Daran seien „Dutzende von Kampfflugzeugen der israelischen Luftwaffe“ beteiligt gewesen.
Bei dem Einsatz seien iranische Militär- und Atomanlagen im ganzen Land getroffen worden. Die Angriffe galten demnach Dutzenden militärischen Zielen, „einschließlich nuklearen Ziele in verschiedenen Regionen des Iran“.
„Wir befinden uns im Krieg“
Die Angriffe im Iran sollen nach Äußerungen eines ranghohen israelischen Militärvertreters auch in den kommenden Tagen weitergehen. „Wir verfügen über einen langfristigen, breit angelegten Angriffsplan für die kommenden Tage. Vor uns liegen schwierige Zeiten“, teilte der Militär mit.
„Die Iraner werden reagieren. Wenn die Bevölkerung (in Israel) diszipliniert bleibt, wird es nur wenige Verletzte geben“, fügte er hinzu. Anderenfalls seien viele Opfer zu befürchten. „Wir befinden uns im Krieg.“
Zu dem Großangriff im Iran sagte der Militär laut dem Bericht: „Wir haben einen beispiellosen Erfolg erzielt – einen erheblichen Schlag gegen die Spitze des iranischen Militärs und der Revolutionsgarden. Zusätzlich auch gegen Atomwissenschaftler, die die Umsetzung vorantreiben.“
Netanjahu: „Schlag gegen das „Herz“ der iranischen Atomprogramms
Bei seinen Angriffen traf Israel nach den Worten von Regierungschef Benjamin Netanjahu „das Herz“ des iranischen Atomprogramms zur Anreicherung von Uran. Zudem sei „das Herz von Irans Programm für ballistische Raketen“ getroffen worden.
Die israelischen Angriffe richteten sich ihm zufolge gegen die Urananreicherungsanlage in Natanz und damit im Zusammenhang stehende Wissenschaftler. Der israelische Militäreinsatz gegen den Iran werde „so viele Tage wie nötig“ dauern, kündigte Netanjahu an.
„Wir befinden uns an einem Punkt ohne Umkehr“
Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir beschrieb den Großangriff als Notwendigkeit. „Wir haben diese Operation begonnen, weil die Zeit gekommen ist. Wir befinden uns an einem Punkt ohne Umkehr“, sagte Zamir. „Wir können es uns nicht leisten, auf einen anderen Zeitpunkt zu warten, wir haben keine andere Wahl.“
Und weiter führte Zamir aus: „Die jüngsten wie auch die vergangenen Ereignisse der Geschichte haben uns gelehrt, dass wir nicht die Augen verschließen dürfen, wenn der Feind versucht, uns zu vernichten. Wir müssen für unser Existenzrecht kämpfen – Freiheit wird denen zuteil, die bereit sind, für sie zu kämpfen.“
Trump wusste vorab von dem Angriff
US-Präsident Donald Trump ist einem Medienbericht zufolge vorab von Israels Militärschlag gegen den Iran informiert gewesen. Trump habe dem Sender Fox News gesagt, dass er gewusst habe, dass Israel den Iran angreifen würde, bevor dies geschehen sei, erklärte der Sender.
Fox News zufolge betonte Trump zugleich, dass Teheran „keine Atombombe haben kann, hoffte aber mit Blick auf den Iran, „dass wir an den Verhandlungstisch zurückkehren können“.
Iran kündigt Vergeltung an
Irans geistliches Oberhaupt erklärte, Israel habe sich mit seinen Angriffen „auf ein bitteres und schmerzhaftes Schicksal eingestellt, das ihm mit Sicherheit zuteil werden wird“. Auch die berüchtigten Iranischen Revolutionsgarden kündigten Vergeltung für den Tod ihres Chefs Hossein Salami an.
Das iranische Militär erklärte, es werde „mit Sicherheit auf diesen zionistischen Angriff reagieren“. Israel werde „einen hohen Preis zahlen“ und sollte mit einer „starken Antwort der iranischen Streitkräfte rechnen“, teilte Generalstabssprecher Abolfasl Schekartschi mit.
USA warnen Iran
Das Weiße Haus teilte derweil mit, dass Trump am Freitag um 11 Uhr (Ortszeit, 17 Uhr MESZ) an einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates teilnehmen werde. Sein Außenminister Marco Rubio erklärte, Israel habe den USA mitgeteilt, dass ein Militärschlag gegen den Iran „für seine Verteidigung notwendig“ sei.
Zugleich unterstrich Rubio, dass die USA daran nicht beteiligt gewesen seien. Den Iran warnte er davor, „amerikanische Interessen ins Visier zu nehmen“ und betonte, „Priorität“ der USA sei der Schutz ihrer Streitkräfte in der Region.
Viele offene Fragen
Obwohl der Iran mit einer harten Reaktion auf Israels Vorgehen drohte, ist bislang nicht bekannt, welche genauen Folgen die nächtlichen Angriffe auf die gesamte Region haben werden. Die Sorge vor einer massiven Eskalation im Nahen Osten ist groß.
Das genaue Ausmaß der Angriffe ist bisher nicht bekannt. Es ist zudem unklar, ob neben der Atomanlage in Natans tatsächlich weitere Anlagen des Atomprogramms getroffen wurden und wenn ja, welche.
Im vergangenen Jahr standen Israel und der Iran bereits mehrfach am Rande eines offenen Kriegs. In Israel geht man Medienberichten zufolge davon aus, dass mögliche Kämpfe mit dem Iran sich über mindestens zwei Wochen ziehen könnten.
Israel: Irans und Israels Militär im Vergleich
RangLaut dem „Global Firepower Index“ belegt der Iran Platz 14 der militärisch stärksten Länder der Welt und Israel Platz 17. Der „Global Firepower Index“ gibt einen Überblick über die Fähigkeiten eines Landes zur konventionellen Kriegsführung. Er berücksichtigt dabei unter anderem Faktoren wie die Größe des stehenden Heeres, Menschen im wehrfähigen Alter, Anzahl an Kriegsgerät und wirtschaftliche Stärke.
Iran
•Bevölkerung: 88,5 Millionen
•aktive Soldaten: 610 000
•Reservisten: 350 000, einschließlich 200 000 Mann der islamischen Revolutionsgarden
•Kampfpanzer: 2000
•gepanzerte Fahrzeuge: 65 000
•Artilleriegeschütze: 3400
•Flugzeuge: 551
•Jagdflugzeuge: 186 (vor allem Mig-29 aus sowjetischer Produktion oder US-Maschinen vom Typ F-14 aus 1970er Jahren)
•Bomber: 23
•Transportflugzeuge: 86
•Aufklärer: 10
•Hubschrauber: 129, davon 13 Kampfhubschrauber
•Kriegsschiffe: 101
•ballistische Raketen: 3000
•Drohnen: nicht bekannte Anzahl
Israel
•Bevölkerung: 9,55 Millionen
•aktive Soldaten: 170.000
•Reservisten: 465.000
•Luftwaffe: 612 Luftfahrzeuge
•Jagdflugzeuge: 241 (vor allem F-15-, F-16-, F-35-Kampfjets aus US-Produktion)
•Bomber: 39
•Transportflugzeuge: 12
•Aufklärer: 23
•Hubschrauber: 146, davon 48 Kampfhubschrauber
•Kriegsschiffe: 67
•Kampfpanzer: 1370 Panzern
•gepanzerte Fahrzeuge: 43.000
•Artilleriegeschütze: 1100
•Raketenabwehr: Iron Dome für kurze Distanzen, David’s Sling für größere ballistische Systeme, Arrow zur Abwehr von Mittel- und Langstreckenraketen