Worte lösen Gewalt und Frieden aus

Eindringliche Reden von Bürgermeister und Schülerinnen bei Gedenkfeier zum Volkstrauertag in Murrhardt

Welche ungeheure Macht Worte haben und wie viele furchtbare Gewalttaten sie auslösen können, verdeutlichten Ida Buchner und Sarah Schreiber, Abiturientinnen am Heinrich-von-Zügel-Gymnasium, in ihrem Textbeitrag „Auf Worte folgen Taten“ bei der gestrigen Gedenkfeier zum Volkstrauertag.

Die Abiturientinnen des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums: Ida Buchner (links) und Sarah Schreiber fanden klare Worte zum Volkstrauertag. Foto: E. Klaper

© Elisabeth Klaper

Die Abiturientinnen des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums: Ida Buchner (links) und Sarah Schreiber fanden klare Worte zum Volkstrauertag. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Mit Zitaten nationalsozialistischer und rechtspopulistischer Politiker voller Aggression, Hass und Hetze, Rassismus und Antisemitismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit warnten die Schülerinnen vor der großen Gefahr, dass Worte zu Gewalttaten führ(t)en: „Wir erleben zurzeit einen Rechtsruck, und nationalistisches Gedankengut verbreitet sich. Doch wir haben versprochen, Krieg mit allen Mitteln zu verhindern.“ Zugleich stellten Buchner und Schreiber klar: „Demokratie ist ein Prozess, an dem wir kontinuierlich arbeiten müssen.“ Ebenso wichtig sei es, sich zu wehren gegen die aktuellen rassistischen, fremdenfeindlichen Tendenzen. „Mit Worten kamen die Nationalsozialisten an die Macht, und aus Worten wurden Verbrechen.“ Aber Worte können auch Gutes bewirken: „Sie geben uns die Möglichkeit, zu verhindern, dass künftig wieder Opfern von Krieg und Gewalt gedacht werden muss“, betonten die ehemaligen Literaturkurs-Schülerinnen, deren Lehrer Samuel Feinauer sie bei der Vorbereitung unterstützte.

An drei bedeutende historische Ereignisse erinnerte Bürgermeister Armin Mößner in seiner Gedenkansprache im nur zu zwei Dritteln besetzten Heinrich-von-Zügel-Saal: Die Unterzeichnung des Versailler Vertrags vor 100 Jahren, den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren und die Verkündung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vor 70 Jahren. Der Versailler Vertrag beendete offiziell den Ersten Weltkrieg, in dem rund 20 Millionen Soldaten umkamen. 1919 wurde auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet, der Kriegsgräberstätten zu Lernorten der Geschichte weiterentwickelt. Auf dessen Vorschlag führte man den Volkstrauertag als Gedenktag ein. Wegen der umstrittenen Deutung des Ersten Weltkriegs verlor die Trauer um die Gefallenen bald ihre gesellschaftlich verbindende Wirkung. Die Nationalsozialisten machten 1934 den Volkstrauertag zum „Heldengedenktag“ und verlegten ihn in den März, verbannten aber alle aus dem Gedenken, die nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehörten.

Am 1. September 1939 entfesselte Deutschland den Zweiten Weltkrieg, in dem Millionen Menschen umkamen, und beging mit dem Holocaust das wohl größte Verbrechen der Geschichte. 1952 wurde der Volkstrauertag wieder als Tag der nationalen Trauer eingeführt. Heute wird allen Opfern von Krieg und Gewalt gedacht und gleichzeitig zu Versöhnung, Verständigung und Frieden gemahnt. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte sei zentral, darum fand Mößner es schade, dass die Teilnehmerzahl stetig sinkt. Wer die Schrecken eines Kriegs nicht erlebte, könne sie sich nur schwer vorstellen.

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet, ausgearbeitet vom 65-köpfigen Parlamentarischen Rat und verbunden mit dem feierlichen Versprechen, Deutschland ein Regelwerk für Freiheit, Demokratie und Menschenwürde zu geben. Aktuell herrschten indes Angst vor der Zukunft, soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Bindungen brächen, viele interessierten sich nur noch fürs Ich und eigene Interessen. Ratlosigkeit und Missfallen seien spürbar, aber Gift für Gesellschaft und Demokratie, denn Populisten missbrauchten solche Gefühle. „Wir müssen einen größtmöglichen Konsens in der Gesellschaft bei der Beantwortung der Zukunftsfragen herstellen“, betonte der Bürgermeister. Darum rief er dazu auf, aufeinander zuzugehen, sich zu engagieren, mehr im Wir und weniger im Ich zu denken. Es gelte, gemeinsam die politische (Diskussions-)Kultur zu erneuern, die politischen Verhältnisse zu stabilisieren und Antworten zu finden auf die Fragen, die uns bewegen. „Stiften Sie Frieden und animieren Sie Ihre Mitmenschen dazu“, unterstrich Mößner.

Mit bezaubernden impressionistischen und klassizistischen Werken französischer Komponisten umrahmten Ulrike Baral-Firnau (Querflöte) und Alexander Marthaler (Klavier), Lehrkräfte an der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land, die Gedenkfeier. Anschließend zogen die Teilnehmer zu den Gedenkstätten am Feuersee, wo Mitglieder der Feuerwehr und der Reservistenkameradschaft Kränze niederlegten, begleitet von einer Bläsergruppe des Musikvereins Stadtkapelle. Bei Gedenkfeiern in den Stadtbezirken Fornsbach und Kirchenkirnberg sowie im Teilort Vorderwestermurr legten Stadträte Kränze an den Gefallenendenkmälern nieder.

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Erstellt:
18. November 2019, 06:00 Uhr

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