Moschee-Streit auf den Fildern
Zeitenwende in der Islampolitik nötig
Die Politik muss dem Verbandsislam endlich entschlossen entgegentreten. Das zeigt auch der Moschee-Entscheid auf den Fildern, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

© Natalie Kanter
Der umstrittene Moschee-Rohbau in der Stadt Leinfelden-Echterdingen.
Von Michael Weißenborn
Der Rohbau einer nicht ganz fertig gebauten Moschee soll abgerissen werden. So hat es der Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen mit großer Einmütigkeit von bürgerlich bis links verfügt. Einen derartigen Schlussstrich hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Nicht umsonst befürchten manche in der Fildergemeinde, dass ihre Stadt nun an den Pranger gerät – als islamfeindlich. Zu Unrecht. Denn selbst der konsequente Entscheid ist ein Beleg für die zähen Bemühungen, für die Weltreligion Islam einen Platz zu finden. Gescheitert ist dies aber an der Unnachgiebigkeit eines kleinen Ablegers des ultrakonservativen Kölner Islamverbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Selbst während des jahrelangen juristischen Streits hatte die Stadt Kompromissvorschläge zum Moscheebau unterbreitet. Die allesamt abgelehnt wurden, weil der Verband auf dem Schülerwohnheim – sein Markenkern – mit umstrittener integrationsfeindlich-schwarzer Pädagogik beharrte.
Unnachgiebige Fundamentalisten
Der Oberbürgermeister hat also recht: der Beschluss jetzt ist „sachlich geboten, rechtlich begründet und wirtschaftlich verantwortungsvoll“. Und doch reichen Bau- und Vertragsrecht in der Auseinandersetzung mit dem intransparenten Islamverband allein nicht aus. Die Demokratie muss wehrhaft sein, wenn sie überleben will. Und sich zu wehren beginnt damit, zu benennen, was ist. Die Ideologie dieses Verbands ist – da sind sich fast alle Experten einig – antiwestlich, antidemokratisch und – denkt man etwa an Vorkommnisse an einer Schule in Neu-Ulm 2015 – auch antisemitisch. Zudem werden körperliche Übergriffe berichtet, die die Behörden zum Eingreifen zwangen.
Der Islambeauftragte der evangelischen Landeskirche Friedmann Eißler, konstatiert zu dessen Bildungsarbeit, „die Sorge vor Verunreinigung und Beeinflussung durch die nichtislamische Gesellschaft“ stehe im Vordergrund“, der „westlich-säkulare Einfluss werde als „problematisch und gar als Feind des Glaubens gesehen“. Trotzdem machte zum 50-Jahr-Jubiläum der Organisation sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Aufwartung. Und Ministerpräsident Winfried Kretschmann verlieh dem VIKZ-Landeschef den höchsten Landesorden – ausgerechnet für Engagement in Sachen Integration.
Gegen aufgeklärte freie Lehre
Wichtiger noch als dieses symbolische Irrlichtern: In Baden-Württemberg darf der Verband den islamischen Religionsunterricht mitgestalten und ist bei wichtigen Entscheidungen der islamischen Theologie an Hochschulen eingebunden. Mit konkreten Folgen: Aufgeklärt-modern wirkt das Islamzentrum der Universität Tübingen nicht. Und in Freiburg wurde sogar versucht, dem liberalen Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi die Lehrerlaubnis zu entziehen.
Verbände spalten
Die Publizistin und frühere SPD-Abgeordnete Lale Akgün stellte unlängst fest: „Die ultrakonservativen bis islamistischen Verbände vertiefen die Gräben innerhalb der Muslime und zwischen Muslimen und Andersgläubigen.“ Sie warnt schon lange davor, den Verbänden – auch Ditib oder die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) – nicht die Deutungshoheit darüber zu überlassen, wer Muslim und was Islam ist. Das führe zur wachsenden Spaltung. Politik und Kirchen ignorieren das Problem aber weiter, das durch den extremistischen Tiktok-Islam noch an Brisanz gewinnt.
Liberale fördern
Die Politik in Kommunen, in Land und Bund muss endlich aufhören, die Falschen zu hofieren. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland ist da schon weiter. Sie will von den Verbänden nichts wissen. Überall gibt es muslimische Akteure oder Initiativen, die sich mit der freiheitlichen Werteordnung identifizieren. Die liberalen muslimischen Stimmen kommen aber bisher viel zu kurz.