Zusammen und als Individuen stark

Im Kammerchor singen Frauen und Männer, die in der gemeinsamen Projektarbeit musikalische Herausforderungen suchen

Für Kantor Gottfried Mayer war schnell klar, dass er neben der Kantorei auch einen Kammerchor für Sänger anbieten würde, die sich intensiv mit einzelnen Stücken, einer ganzen Programmkomposition sowie den eigenen Möglichkeiten beschäftigen wollen. Der Startschuss fiel 1994. Seither – der Kammerchor feiert nun seinen 25. Geburtstag – ist er fester Bestandteil des kirchenmusikalischen Lebens in Murrhardt.

Der Kammerchor bereichert das kirchenmusikalische Leben der Stadt, die Mitglieder kommen aus der ganzen Region – hier sind sie bei einer Aufführung im Juli in der Stadtkirche mit Kantor Gottfried Mayer (rechts) vor der neuen Orgel zu sehen. Archivfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Der Kammerchor bereichert das kirchenmusikalische Leben der Stadt, die Mitglieder kommen aus der ganzen Region – hier sind sie bei einer Aufführung im Juli in der Stadtkirche mit Kantor Gottfried Mayer (rechts) vor der neuen Orgel zu sehen. Archivfoto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Der Kammerchor am evangelischen Kantorat Murrhardt hat ein Einzugsgebiet, das weit in die Region reicht. Die Sänger kommen aus Murrhardt, aber auch aus dem ganzen Kreisgebiet – vom Oberen Murrtal und Remstal, dem Kreis Schwäbisch Hall genauso wie aus dem Stuttgarter Raum. Die rund 30 Mitglieder finden sich zu gemeinsamen Projekten und intensiver musikalischer Arbeit zusammen.

„Ich hab einfach noch mehr Herausforderung gesucht“, sagt Irmgard Schüle aus Murrhardt. Sie singt seit 1976 im Kirchenchor der katholischen Gemeinde, aber als sie Kantor Jürgen Haug ein Jahr später für eine Aufführung mit dem Kammerchor warb, blieb sie dabei und stieg dann, als Gottfried Mayer den Chor neu formierte, wieder ein. „Es ist einfach gut zu singen, sich mit der Musik zu beschäftigen und sich tolle Chorwerke zu erarbeiten“, sagt die 60-Jährige. Diese Projektarbeit macht ihr so viel Freude, dass sie lange Zeit auch in Tübingen an der Stiftskirche unter der damaligen Leitung von Gerhard Steiff gesungen hat. Sie genießt es sehr, wenn „sich beim Kammerchor dann nach und nach alles zusammenfügt“. Für sie persönlich heißt das, die Stücke auch zu Hause zu üben – die Tonfolgen kann sie am E-Piano anstimmen – und parallel Gesangsunterricht zu nehmen.

Stephan Abele zog 1997 mit seiner Familie nach Sulzbach an der Murr. „Im Kirchenchor gesungen hab ich schon als Kind, aber in einem Kammerchor mitzuhalten, bei großen Konzerten, hab ich mir anfangs eigentlich gar nicht zugetraut.“ Doch dann kamen zwei Dinge zusammen. Zum einen begann er selbst eine Ausbildung zum Chorleiter (C-Kurs) bei Gottfried Mayer, zum anderen beschloss seine Frau, beim Murrhardter Kammerchor einzusteigen. 2007 zog auch Stephan Abele nach und hat es seither nicht bereut. „Die musikalische Bandbreite ist toll. Ich kannte viele klassische Stücke, aber hier haben wir uns auch mal mit modernen Werken beschäftigt“, erzählt der 58-Jährige.

Beim Arbeiten an den Stücken loten die Sänger des Kammerchors ihr Können und ihre Grenzen aus

„Das ist ein bisschen, wie eine Nuss zu knacken, man muss sich tief in die Musik hineinversenken, um die Gedanken dahinter zu erfassen.“ Ob das ein Stück des Komponisten Karlheinz Stockhausen oder die Uraufführung eines noch zeitgenössischeren Werks war, Stephan Abele empfindet die Begleitung von Gottfried Mayer als eine, die ihn fordert und auf gute Weise „an seine Grenzen führt“.

Dieses Angebot an motivierte, hungrige Sänger war und bleibt für den Kantor ein wichtiges. Durch die differenzierte Struktur von Kantorei und Kammerchor kann er unterschiedliche Wünsche erfüllen und erreicht mehr Menschen. Beim Kammerchor gibt es mittlerweile ein Vorsingen für diejenigen, die dazustoßen möchten. „Klar, das ist schon ein bisschen eine Mutprobe“, sagt Mayer. „Aber es geht nicht darum, dass hier jemand fertiggemacht wird“, sondern sich zu zeigen und mit einem gewissen Anspruch an sich anzutreten. Bliebe es bei einem Singen im Sinne eines Mitlaufens, würde das Konzept zu beliebig. Für jeden Einzelnen heißt das auch, auszuloten, was ihn dazu qualifiziert solistisch zu singen, gleichzeitig müssten die Solisten beziehungsweise Mitglieder wieder im Chor aufgehen, erläutert der Kantor. Das bedeutet auch eine ständige Arbeit daran, eine Balance zwischen Individuen und Verbund zu schaffen.

Die Zutaten sind bestimmte Rahmenbedingungen und die Freude am Tun. Der Kammerchor ist als Formation konzipiert, bei der die 33 Mitglieder je nach aktuellem Projekt entscheiden, ob sie dabei sind. Um sich dann in das jeweilige Programm einzufuchsen, gibt es auch Trainingshilfen wie Apps für die einzelnen Stimmen. „Bei modernen Stücken ist das nicht immer verfügbar und dann sing ich das auch schon mal selbst ein“, erzählt Gottfried Mayer. Genauso bieten er und eine Kollegin Stimmbildung an. In der Regel widmet sich der Kammerchor einem breiter aufgestellten Programm, um für sich selbst und dem Publikum unterschiedliche Facetten und Erfahrungswelten bereitzuhalten. „Das geht über verschiedene Epochen, aber auch mal über den Text der Stücke, um beispielsweise zum Nachdenken anzuregen beziehungsweise einen besonderen spirituellen Impuls zu geben“, erläutert Mayer. Er ist dankbar, dass der Kammerchor seine Anregungen und Ideen so interessiert aufnimmt.

Irmgard Schüle und Stephan Abele lassen jedenfalls keinen Zweifel daran, dass sie Lust haben, musikalische Nüsse zu knacken. Nicht immer ist vorher klar, wie sich was meistern lässt. „Das ist ja auch das Wesen von Kunst, mutig zu bleiben, immer wieder etwas Neues auszuprobieren“, sagt Gottfried Mayer dazu.

Dass der Kammerchor als eigenständiger Verein für die Finanzierung seines Chorleiters und beispielsweise flankierender Unterstützung von Orchestermusikern bei Konzerten selbst sorgen muss, unterstreicht Engagement sowie Wertschätzung des Angebots nochmals. Zwar gibt es zentrale, feste Sponsoren, aber all das ist keine Selbstverständlichkeit.

Für Irmgard Schüle (Sopran) und Stephan Abele (Bass) hat das Singen eine große Bedeutung und sie bringen mittlerweile viel Erfahrung mit ein. Trotzdem heißt es für sie letztlich im Training zu bleiben. „Zu singen, ist auch in gewisser Weise Leistungssport“, sagt Gottfried Mayer. Stephan Abele nickt. „Bei Bach kann man ganz schön ins Schwitzen kommen“, meint er und lacht.

Info
Jubiläumskonzert

Der Kammerchor lädt am Sonntag, 15. Dezember, 17 Uhr zu seinem Jubiläumskonzert „25 Jahre Kammerchor Murrhardt“ in die Stadtkirche ein. Auf dem Programm stehen unter anderem Felix Mendelssohn Bartholdys Hymne „Hör mein Bitten“ (nach Psalm 55), Johann Sebastian Bachs Kantate 110 „Unser Mund sei voll Lachens“, Kantate IV aus dem „Weihnachtsoratorium“ und Felix Mendelssohn Bartholdys Kantate „Vom Himmel hoch“ über Luthers Weihnachtslied. Mitwirkende sind Judith Wiesebrock (Sopran), Hanna Roos (Alt), Stephan Frieß (Tenor), Johannes Held (Bariton) sowie der Kammerchor Murrhardt und das Collegium musicum Stuttgart, die Leitung hat Gottfried Mayer. Karten (16, 13 und 10 Euro) gibt es beim BücherABC in Murrhardt, Telefon 07192/8606, und bei der Buchhandlung Kreuzmann in Backnang, Telefon 07191/325418.

Infos: www.kammerchor-murrhardt.de.

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Erstellt:
11. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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