Zusammenschluss ohne Identitätsverlust
Beim Festakt zum Jubiläum der Gemeindereform wird als Symbol für „50 Jahre miteinander“ von Murrhardt, Fornsbach und Kirchenkirnberg ein Wegweiser an der Göckelhofkreuzung enthüllt. Landrat Richard Sigel und Bürgermeister Armin Mößner erinnern und ziehen Bilanz.

Dort, wo Murrhardt und die ehemals selbstständigen Gemeinden Fornsbach und Kirchenkirnberg zusammentreffen, erinnert nun ein Wegweiser an den Zusammenschluss und gemeinsamen Weg seit 50 Jahren. Die Aufnahme zeigt Landrat Richard Sigel (links) und Bürgermeister Armin Mößner bei der Enthüllung. Foto: E. Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Bei Bilderbuchwetter am Tag des Schwäbischen Waldes beging eine große Schar von Wanderern das Jubiläum des Zusammenschlusses der Stadt Murrhardt mit den ehemals selbstständigen Gemeinden Fornsbach und Kirchenkirnberg zum 1. Juli 1971 im Zuge der Gemeindegebietsreform. Dazu gab’s eine gemeinsame Sternwanderung der Stadt, der Ortsvereine Murrhardt und Fornsbach des Schwäbischen Albvereins sowie der Bürgerschaft Kirchenkirnberg zu der Stelle, an der die Gemarkungen der drei Stadtbezirke geografisch zusammentreffen. Dieser Schnittpunkt befindet sich bei der Göckelhofkreuzung, wo ein kurzer Festakt stattfand.
„Es war eine sehr bewegte Zeit“ in der Landes- und Kommunalpolitik Ende der 1960er-Jahre, erzählte Bürgermeister Armin Mößner. „Die Verwaltung muss mit der Zeit gehen“, habe der damalige Landesinnenminister Walter Krause erklärt. Die Gemeinden in ihrem damaligen Gebietszuschnitt entstanden weitgehend im 19. Jahrhundert, doch „seither haben sich Lebensverhältnisse und -gewohnheiten des Bürgers entscheidend verändert“, habe Krause verdeutlicht, vor allem in Bezug auf die kommunale Infrastruktur.
Im 19. Jahrhundert waren Gemeinden oft nur Ordnungs-, Melde- und Ortspolizeibehörde mit Standesamt und Feuerwehr. Moderne Kommunen hingegen erfüllten ein umfangreiches Pflichtaufgabenspektrum mit Versorgungsinfrastruktur, öffentlichen und sozialen Einrichtungen. Deshalb „kann mit der Verwaltung von gestern die Welt von morgen nicht mehr gemeistert werden“, habe Krause klargestellt. So kam es zum großen Reformprozess: „Das Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden war der Beginn der Gemeindegebietsreform, die am 1. September 1968 begann und am 1. Januar 1975 meist abgeschlossen war. Parallel dazu erfolgte die Kreisreform, aus der 1973 auch der heutige Rems-Murr-Kreis hervorging“, so Mößner.
„Murrhardt war damals mit rund 10000 Einwohnern bereits gut aufgestellt, hatte eine leistungsfähige Verwaltung und erfüllte die Vorgaben der Zielplanung.“ Kurz fasste der Rathauschef den Eingemeindungsprozess zusammen. Kirchenkirnberg sollte laut Zielplanung des Landes nach Gschwend eingemeindet werden und dem Ostalbkreis oder Kreis Hall angehören, wogegen sich Widerstand regte. Ein Großteil der Bevölkerung wollte zu Murrhardt, wohin es historisch schon immer Verbindungen gab, da die erste urkundliche Erwähnung des Orts auf das Kloster zurückging.
Daher lehnte der Kirchenkirnberger Gemeinderat die Vorgaben und Vorschläge der Behörden ab und nahm Verhandlungen mit der Stadt Murrhardt auf. Denn: Die freiwillige Eingliederung sei der einzige Weg, der Planung und Zugehörigkeit zu einem anderen Landkreis zu entkommen, so der damalige Bürgermeister Friedrich Krauss. In Fornsbach sei die Eingemeindung nach Murrhardt „zunächst keine Liebesheirat, sondern eine Zweckehe“ gewesen. Bürgermeister Emil Kasper trat 1970 in den Ruhestand und regte an, mit Murrhardt Gespräche zu führen, da die anstehenden Aufgaben wie die Abwasserbeseitigung sich am besten mit der Stadt lösen ließen.
Die Verhandlungen erfolgten auf Augenhöhe, wobei sich Murrhardt laut Kasper gegenüber Fornsbach als sehr guter Partner zeigte. Mit beiden Gemeinden arbeiteten die Verwaltungsfachleute Eingemeindungsvereinbarungen aus, für die jeweils klare Mehrheiten der Bürger stimmten. Nach vollzogenem Zusammenschluss baute die Stadt die Infrastruktur und öffentlichen Einrichtungen in Fornsbach und Kirchenkirnberg auf und aus. Kurios: „In Murrhardter Amtsstuben kursierte kurzzeitig auch der ambitionierte Plan einer Großen Kreisstadt im Oberen Murrtal mit Sulzbach, Großerlach und Spiegelberg“, erzählte der Rathauschef.
Durch die Gemeindegebietsreform entstand die flächengrößte Kommune im Rems-Murr-Kreis mit 7114 Hektar Gemarkungsfläche, zugleich Unterzentrum an der Entwicklungsachse Stuttgart–Schwäbisch Hall mit heute 14200 Einwohnern, Tendenz steigend. Die Infrastruktur, das Angebot an Einrichtungen und die Zuständigkeiten der Verwaltung stünden „einer Großen Kreisstadt in nichts nach“, so Mößner. Die Bevölkerung packe zum größten Teil mit an und gestalte das Gemeinwesen mit in den Kirchen und über 120 Vereinen. Die herrliche Landschaft sei größtes Kapital der Stadt und ihres Umlands mit zwei Stadtbezirken und 76 Teilorten, Weilern und Wohnplätzen. „Die Gemeindereform im Oberen Murrtal ist eine gelungene Sache“, resümierte der Bürgermeister.
„Wir feiern ein historisches Ereignis am historischen Ort, an dem die drei Gemarkungsgrenzen aufeinandertreffen“, so Landrat Richard Sigel. Die Gemeindereform „war damals vielerorts ein hochemotionales Thema, Eingemeindungen und Zusammenschlüsse hatten viele Befürworter, aber genauso viele Skeptiker und Gegner“. Die „Flur- und Verwaltungsneuordnung“ war „ein demokratischer Akt“, auch wenn mancherorts etwas nachgeholfen werden musste mit Hinweisen auf Landessonderzuweisungen bei freiwilligen Zusammenschlüssen. „Die Gemeinde- und Kreisreform war eine Erfolgsgeschichte und führte dazu, dass sich Baden-Württemberg zu einer der führenden Wirtschaftsregionen Deutschlands und Europas entwickelte. Dies gilt auch für den 1973 neu gegründeten Rems-Murr-Kreis, der heute einer der wirtschaftlich stärksten Kreise innerhalb der Region Stuttgart ist“, so Sigels Fazit. Zwar habe es „manche Frotzeleien und nachbarschaftliche Scharmützel“ gegeben, doch die Identität der Ortsteile mache deren Reiz aus und sei nicht verloren gegangen.
„Wir brauchen leistungsfähige und schlagkräftige Kommunen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern“, wie die Coronakrise zeige, daher „waren die Reformen der 70er-Jahre richtig“. Die Eigen- und Besonderheiten der früher selbstständigen Gemeinden blieben erhalten, und alle Teile seien im Lauf der Zeit zusammengewachsen, woran der neue Wegweiser erinnern soll. „Murrhardt ist ein gelungenes Beispiel für die Schaffung leistungsfähiger Strukturen auf kommunaler Ebene“, ebenso für die Integration, Anpassung von Standards, Infrastruktur und Lebensverhältnissen, und lebe dies auch im Kreis.
Und: Bürgermeister Armin Mößners Satz, der an die berühmten Worte des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt zur deutschen Einheit erinnert, „trifft den Nagel auf den Kopf: Zum 1. Juli 1971 kam zusammen, was heute selbstverständlich zusammengehört.“ Anschließend enthüllten Landrat und Bürgermeister mit der Schwäbischen Waldfee Leonie Treml einen Wegweiser beim Schnittpunkt der drei Gemarkungen an der Göckelhofkreuzung. Er steht auf städtischem Grund, zeigt symbolisch die Namen und Wappen der drei Kommunen und trägt die Inschrift „50 Jahre Miteinander: Dieser Wegweiser erinnert an den Zusammenschluss der Stadt Murrhardt mit den Gemeinden Fornsbach und Kirchenkirnberg am 1. Juli 1971.“
Bürgermeister Armin Mößner,beim Festakt zur Gemeindereform in Murrhardt „In Murrhardter Amtsstuben kursierte kurzzeitig auch der ambitionierte Plan einer Großen Kreisstadt im Oberen Murrtal mit Sulzbach, Großerlach und Spiegelberg.“