Als Napoleon durchs Murrtal zog

Serie „Virtueller Rundgang durch die neue stadtgeschichtliche Abteilung im Carl-Schweizer-Museum“: Zeichnung französischer Soldaten

In der auch für die Einwohner der Walterichstadt überaus unruhigen und schweren Zeit während der napoleonischen Kriege zog der französische Feldherr und Kaiser Napoleon I. Bonaparte 1805 auch durch unsere Region, sehr wahrscheinlich sogar direkt durch das Herz des Schwäbischen Waldes. Ausstellungsstücke im Carl-Schweizer-Museum liefern Hinweise darauf.

Erinnerungsstücke an die napoleonische Zeit sind im Carl-Schweizer-Museum künftig zu sehen. Fotos: E. Klaper

Erinnerungsstücke an die napoleonische Zeit sind im Carl-Schweizer-Museum künftig zu sehen. Fotos: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. Zwar gibt es dazu keinen direkten Augenzeugenbericht oder ein anderes Dokument, das den Durchmarsch eines Teils der Armee unter dem Befehl des Marschalls Michel Ney durch Murrhardt eindeutig beweist. Aber: „Ein schlüssiges Indiz ist eine Zeichnung von Johann Jakob Klenk (1785 bis 1812), der als Soldat in Napoleons Armee eingezogen wurde und während dessen Russlandfeldzug fiel,“ betont Museumsleiter Christian Schweizer. Sie blieb erhalten in den Aufzeichnungen seines jüngeren Bruders, des Bauern Gottlieb Klenk (1792 bis 1865) aus Hinterbüchelberg. Diese haben der Murrhardter Historiker Gerhard Fritz und seine Studentin Susanne Krehlik vor Kurzem im Jahrbuch für Württembergisch Franken Band 103/2019 herausgegeben. Die Zeichnung zeigt laut Schweizer zwei französische Soldaten in Uniformen von Napoleons Leibgendarmeriecorps der Garde, die stets in unmittelbarer Nähe des Kaisers blieben.

Eine Kopie ist in einer Vitrine der neuen stadtgeschichtlichen Abteilung im Carl-Schweizer-Museum ausgestellt, neben weiteren Erinnerungsstücken an die napoleonische Zeit. „Besonders auffällig sind die geknöpften Überhosen mit zahlreichen Knopfleisten, ebenso die typische Kopfbedeckung, eine Lagermütze, Bonnet genannt, mit mehreren Sternen als interne Abzeichen für die Teilnahme an zahlreichen bedeutenden Schlachten der napoleonischen Kriege.“ Der Museumsleiter geht davon aus, dass solche Soldaten während des Durchmarschs der Armee auch Murrhardt und Umgebung erkunden und sichern mussten.

Napoleons Armee marschiert auf unterschiedlichen Wegen

„Napoleon war normalerweise immer an der Spitze des Zuges und beim wichtigsten Teil seiner Armee, der die Artillerie mitführte. Diese bestand aus zahlreichen, tonnenschweren Feldgeschützen, die von starken Kaltblutpferden gezogen und von etlichen Soldaten in Stellung gebracht und aufgebaut werden mussten. Da sie der langsamste Teil des Zuges war, gab sie dessen Tempo vor und wurde durch die Infanterie gesichert“, erklärt Schweizer. Napoleons Armee marschierte in verschiedenen Teilen und auf unterschiedlichen Wegen, ein Teil durchs Murrtal, ein anderer durchs Kochertal. Diese Aufteilung und Gefechtsmarschordnung diente zur gegenseitigen Flankensicherung. „Der originale Befehl Napoleons vom 28. August 1805 ist erhalten und beschreibt die schon ein Jahr zuvor begonnene Erkundung des Geländes für die Marschstrecke der Armee.“ Damit hatte der französische Kaiser General Rene Savary beauftragt, der auch dessen Geheimpolizei leitete.

„Beginnend ab Germersheim, musste er alle Täler, Höhen und speziell die Querverbindungen zwischen Neckar und Donau erkunden.“ Weiter hatte Savary über Gebäude wie Schlösser und Klöster zu berichten, die als Truppenunterkunft dienen konnten, sowie Dörfer für die Versorgung der Soldaten und Pferde festzulegen. Dabei wurde auch der Rückmarsch nach der Schlacht geplant.

Wörtlich heißt es in Savarys Bericht: „Diese Wegelinie, die für die Artillerie unter dem Befehl von Marschall Michel Ney und die Trains (Versorgungszüge, Tross) geeignet ist, führt von Aalen über Murrhardt und Löwenstein nach Heilbronn.“ Der Grund für die Wahl dieser Strecke war, möglichst die Reichsstädte Gmünd nördlich und Hall südlich zu umgehen, denn die Gefahr, dort in Scharmützel verwickelt zu werden, bestand, ebenso in Schorndorf, hat der Museumsleiter recherchiert. „Für mich ist es kein Wunder, dass ein Teil der Armee durch Murrhardt zog. Denn bis 1797 war die Stadt als kleiner Teil Württembergs noch nicht von französischen Truppen besetzt, somit der letzte Zipfel unseres Ländles, den man noch unter Kontrolle bringen musste“, verdeutlicht Schweizer. Zudem war die Walterichstadt „ein Nest der altwürttembergischen Demokraten und des Bürgertums, zugleich scharfe Gegner von Napoleon und Kurfürst Friedrich“, den der französische Kaiser später zum ersten König von Württemberg erhob.

„Der damalige Bürgermeister Friedrich Keller und Prälat Christoph Friedrich Wild hielten als Mitglieder des ständischen Landesparlaments und Nachfolger von Friedrich Christoph Oetinger die Fahne der bürgerlich-demokratischen Traditionen Württembergs hoch“, betont der Museumsleiter. Keller war Ausschussmitglied, Wild Ältester, also quasi Präsident des Landesparlaments. Bereits 1803 hatte Napoleon Herzog und Kurfürst Friedrich angewiesen, energisch vorzugehen gegen die „Demokraten“, sprich Abgeordneten des Landesparlaments. Dass Napoleon über Murrhardt marschierte, hängt laut Schweizer auch mit der Demarkationslinie zum Basler Frieden zusammen, der die Auflösung des alten Deutschen Reichs einleitete. In diesem zwischen Frankreich und Preußen am 5. April 1795 geschlossenen Frieden, vermittelt durch den Basler Stadtschreiber Peter Ochs, willigte das geschwächte Preußen ein, das ganze linke Rheinufer an Frankreich abzutreten.

Die dazugehörende Demarkationslinie führte auf der rechten Rheinseite vom Niederrhein entlang der oberen Wupper über Limburg an der Lahn und Höchst am Main bis Darmstadt. Sie verlief weiter in südöstlicher Richtung und trennte Franken von Schwaben direkt bei Murrhardt am sogenannten Franzosenbuckel. Vom südlichsten Punkt bei Nördlingen reichte die Demarkationslinie nordöstlich bis zur Elbe bei Dresden, trennte Meißen und die Lausitz von Böhmen.

Eine Zeichnung von Johann Jakob Klenk zeigt zwei französische Soldaten.

Eine Zeichnung von Johann Jakob Klenk zeigt zwei französische Soldaten.

Info

Im Rahmen des Dritten Koalitionskriegs 1805 (Österreich, Großbritannien, Russland, Schweden gegen Frankreich) ging Kaiser Napoleon Bonaparte Bündnisse mit süddeutschen Herrschern ein. So mit Bayern den Vertrag von Bogenhausen am 25. August, mit Baden am 5. September den Vertrag von Baden-Baden und mit Württemberg den Vertrag von Ludwigsburg am 5. Oktober. Die französische Armee zog im späten August 1805 von Boulogne nach Deutschland und überquerte mit der Hauptarmee am 25. September den Rhein.

Am 8. September waren österreichische Truppen in Bayern eingedrungen, die den Auftrag hatten, Ulm zu befestigen. Frankreich erklärte am 23. September Österreich den Krieg. Im Oktober kam es im Großraum von Ulm zu Gefechten wie der Schlacht von Elchingen. Dabei besiegten die Franzosen die Österreicher, und die französische Armee rückte auf Wien vor. Die Schlacht von Austerlitz (die sogenannte Dreikaiserschlacht) am 2. Dezember brachte erneut eine schwere Niederlage für die vereinigte russische und österreichische Armee.

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Erstellt:
22. April 2020, 06:00 Uhr

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