Auf Tuchfühlung mit Wald und Wanderweg

An der Herzog-Christoph-Schule Murrhardt ist dieses Schuljahr ein besonderes Projekt gestartet. Schülerinnen und Schüler pflegen Wege am Riesberg, kommen mit der Natur in Kontakt und schlagen bei ihren Arbeitseinsätzen gleichzeitig die Brücke zum praktischen Lernen.

Die zwei kümmern sich um den Einstieg am Hang. Das Projektteam wird später die eingefallene Treppe neu gestalten. Foto: Matthias Balle

Die zwei kümmern sich um den Einstieg am Hang. Das Projektteam wird später die eingefallene Treppe neu gestalten. Foto: Matthias Balle

Von Christine Schick

Murrhardt. Eine Handvoll Jugendliche kommt mit ihrem Lehrer Matthias Balle die steile Treppe zur Riesbergstraße herauf. An einem nicht mehr ganz intakten Einstieg mit recht mitgenommenen Treppenstufen zu einem Waldweg, der ins Gebiet des Riesbergs führt, macht die Gruppe halt – es ist ihr aktueller Standort für die kommenden Einsätze. Mit im Gepäck haben sie eine Reihe von nützlichen Werkzeugen. Der stattliche Waldteufel, eine langstielige Astschere, mit der man größeren Zweigen zu Leibe rücken kann, wird genauso präsentiert wie eine kleinere Variante, die sich mit einer Hand benutzen lässt. „Damit schneiden wir die Äste“, sagt eine Schülerin. „Das geht gut und macht Spaß. Wenn man lange arbeitet, tun einem ein bisschen die Hände weh.“ Ein Schüler erzählt, wie sie im Waldschullandheim Bekanntschaft mit den Werkzeugen wie dem Waldteufel gemacht haben, und Matthias Balle ergänzt später, dass es für die Benutzung eine entsprechende Einführung gab, bei der Sicherheitsfragen besprochen wurden.

An diesem Vormittag nehmen sich die Jugendlichen ein vielleicht 50 Meter langes Stück des Wegs von der Straße in den Wald vor, das sie von Dornengestrüpp und hineinragenden Ästen freischneiden. Ein Teil der Gruppe bleibt vorne, andere übernehmen einen Abschnitt weiter hinten. Die entfernten Äste wandern an einen Hang, wo sie vom Wald später wieder zu Humus umgebaut werden. „So können die Einzelnen auch eigenverantwortlich arbeiten“, sagt Matthias Balle. Als er vor einem Jahr von Schwäbisch Hall an die Herzog-Christoph-Schule nach Murrhardt gewechselt ist, hat er überlegt, was er im Unterricht in Verbindung mit Natur und praktischer Arbeit anbieten könnte.

Da er selbst sehr gerne – privat wie auch als Sportler – draußen unterwegs ist, lag es für ihn nahe, die Umgebung in diesem Sinne zu nutzen. „Viele Jugendliche wissen gar nicht, dass wir hier einen so tollen Wald haben.“ Balle wünschte sich ein Projekt, bei dem die Schüler des sonderpädagogischen Bildungszentrums praktisch lernen, aber auch an der frischen Luft sein können. „Das hat ja auch gesundheitliche Aspekte.“ Neben der Bewegung im Grünen und der Versorgung mit jeder Menge Sauerstoff kommt noch hinzu, dass weniger auf Displays geschaut wird – seiner Erfahrung nach verbringen die Jugendlichen viel Zeit mit dem Handy. Als das Konzept stand und er von der Schulleitung grünes Licht bekam, konnte es im Herbst losgehen. Am Anfang standen Einsätze im Freibad. Dort gab es für die Gruppe verschiedene Aufgaben wie Abbau von Bänken und Schirmen, Aufräumarbeiten oder das Abschleifen und neu Streichen von Holzwänden. In der Zwischenzeit nahm Matthias Balle mit Revierförster Philipp Dölker Kontakt auf, um die Einsätze im Wald mit ihm abzusprechen. Vereinbart haben die beiden zwei Zielmarken: die Strecke eines längeren Wanderwegabschnitts zwischen Felsenmeer und Riesbergturm freischneiden, sodass er sich wieder gut nutzen lässt, sowie eine weitere Strecke westlich ebenfalls von in den Weg hineinragenden Büschen und Ästen befreien sowie die Wasserabschläge öffnen, damit der Abfluss wieder funktioniert.

Weitere Themen

Bevor das Projekt startete, hat Balle auch beobachtet, dass Wanderer den Hang beim Einstieg an der Riesbergstraße ziemlich heruntergerutscht sind. Das lag mit daran, dass es geregnet hatte, aber vor allem an der mittlerweile recht eingefallenen Holztreppe. Somit hat sich eine weitere Aufgabe ergeben: Die Gruppe wird die Treppe mit Holzelementen neu aufbauen. Dazu gibt es auch schon eine Planzeichnung, in der Trittstufen, Pflöcke und weitere Bestandteile mit den jeweiligen Maßen festgehalten sind. Damit lässt sich auch die Brücke zum Unterricht schlagen – die Jugendlichen müssen das Steigungsverhältnis von Treppe und Stufen berechnen und die Lauflinie beachten, wobei das Besondere ist, dass sie dies auch ganz konkret umsetzen. Verwenden werden sie Holz, das sie vor Ort finden und das sich gut eignet.

Nicht unwichtig findet Matthias Balle, dass das Tun der Schülerinnen und Schüler auch nach außen sichtbar wird. „Es geht nicht einfach nur darum, dass sie etwas arbeiten, sondern dass klar wird, sie tun etwas für die Allgemeinheit.“ Das gilt für den Einsatz im Freibad, wobei auch Kontakte zu den Verantwortlichen vor Ort entstehen, genauso wie für die Arbeit an den Waldwegen. „Wir hatten auch schon positive Rückmeldungen von Wanderern, die auf der Strecke unterwegs waren.“

Während noch einige Arme voll abgeschnittenes Astmaterial in Richtung Hang wandern, findet sich noch eine leere Plastikverpackung, die eingesteckt wird. Das Müllaufsammeln gehört genauso dazu und so kann Balle auch den Umweltschutz und die Probleme von Mikroplastik thematisieren. Sind der Gruppe schon mal Tiere begegnet? Jein. Als noch Schnee lag, konnten die Schülerinnen und Schüler an den Spuren ablesen, wo beispielsweise Rehe und Vögel unterwegs waren. Nicht zuletzt lassen sich beim Weg ins Gebiet und bei der Arbeit auch Baumarten, Sträucher und Pflanzen kennenlernen. Was macht den Jugendlichen am meisten Spaß? Zusammengetragen werden die Teamarbeit und der körperliche Einsatz sowie das, was Pädagogen als Selbstwirksamkeit bezeichnen, sprich das direkte Ergebnis des eignen Tuns vor Augen haben. Zum Schluss werden die Arbeitswerkzeuge eingesammelt und ein Schüler macht den Vorschlag, das nächste Mal eine Liste dabei zu haben, die sich abhaken lässt, sodass auch nichts vergessen wird. Dann geht es zu Fuß zurück zur Schule.

Der Weg wird beherzt vom Dornengestrüpp befreit. Foto: Christine Schick

Der Weg wird beherzt vom Dornengestrüpp befreit. Foto: Christine Schick

Erleben der Jahreszeiten

Jahreszeiten Die Gruppe der Herzog-Christoph-Schule ist jede Woche an einem festen Tag anderthalb Stunden im Einsatz, sodass für sie auch Regelmäßigkeit und Routine entstehen. Dass die Jugendlichen dabei auch mal kühleren Temperaturen oder einem Nieselregen trotzen, hat den Vorzug, dass sie den Wechsel der Jahreszeiten und die damit verbundenen Veränderungen erleben. „Wenn es kalt ist, kann das etwas härter sein, aber man merkt auch, wie schön es in der Natur ist“, sagt Matthias Balle.

Arbeitsgruppen Die Jugendlichen sind zwischen zwölf und 16 Jahre alt. Sie können sich für diese Arbeitsgruppe oder eine weitere entscheiden, bei der Technikunterricht im Mittelpunkt steht.

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Erstellt:
12. April 2025, 06:00 Uhr

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