Ausdauer und Perspektivwechsel können Gold wert sein

Sozialarbeiter Sören Benninger muss in der mobilen Jugendarbeit in Murrhardt und Sulzbach flexibel und kreativ sein und manchmal einen langen Atem haben.

Sören Benninger und seine Chefin Sabine Hermentin freuen sich, dass nun auch wieder direkter Kontakt mit den Jugendlichen möglich ist. Foto: Paulinenpflege Winnenden

Sören Benninger und seine Chefin Sabine Hermentin freuen sich, dass nun auch wieder direkter Kontakt mit den Jugendlichen möglich ist. Foto: Paulinenpflege Winnenden

Von Matthias Knödler

MURRHARDT. „Die Begegnung auf Augenhöhe mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist in meinem Job sehr wichtig!“, sagt Sören Benninger. Der gelernte Industriekaufmann und studierte Sozialarbeiter ist seit 2014 in der mobilen Jugendarbeit in Sulzbach an der Murr und seit vergangenem Jahr auch in Murrhardt unterwegs. „Ich habe bei meiner Arbeit in Sulzbach gemerkt, dass hier auch einige Murrhardter waren. Daraufhin hat meine Vorgesetzte in Murrhardt angefragt, ob die damals schon einige Monate vakante Jugendarbeitsstelle der Stadt Murrhardt nicht wiederbesetzt werden soll. Sie sollte. Und so bin ich jetzt jeweils 50 Prozent in beiden Gemeinden im Einsatz.“

Dort hat der 32-Jährige viele Aufgaben: Sören Benninger ist unter anderem verlässlicher Ansprechpartner, Berater, Netz- und Streetworker in einem und muss vor allem kreativ und flexibel sein. Die mobile Jugendarbeit hat grundsätzlich vier Bereiche: die Einzelfallarbeit, die Gruppenarbeit, Streetwork und die Gemeinwesenarbeit. Vieles greift in der täglichen Arbeit ineinander. Bevor er in der Jugendarbeit tätig war, hat Sören Benninger in der Industrie gearbeitet. „Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und während meiner Zivizeit gemerkt, dass ich etwas ganz anderes machen möchte. Bei meinem Sozialarbeitspraxissemester hab ich für die Jugendarbeit Feuer gefangen.“ Dort ist im Gegensatz zur Industrie nicht alles planbar und total durchstrukturiert. „Dass jeder Arbeitstag anders ist und ich oft nicht weiß, was mich erwartet, ist für mich Herausforderung und Motivation zugleich“, erzählt Sören Benninger begeistert. Seine Vorgesetzte Sabine Hermentin, Abteilungsleiterin bei der Paulinenpflege Winnenden, die selbst lange Zeit in der Jugendarbeit vor Ort tätig war, pflichtet ihm bei: „Oft kommt es völlig anders, als man denkt. Manchmal stehen die Jugendlichen Schlange und haben viele Anliegen, manchmal ist niemand da. Man muss sich schon immer wieder motivieren und überlegen, wie komm ich an die Jugendlichen ran?“

Dazu passt, dass die mobile Jugendarbeit einen aufsuchenden Charakter hat, auch wenn Sören Benninger Kontaktzeiten im Jugendtreff Sulzbach und im Juze Murrhardt anbietet: „In Sulzbach gehe ich oft zum Tartan-Platz runter und frag nach Themen. Wenn es Anliegen gibt, mache ich mit Einzelnen oder der ganzen Clique Termine aus. Dabei lerne ich auch immer wieder neue Jugendliche kennen. Manchmal merke ich auch: Die wollen und brauchen mich jetzt nicht. Dann gehe ich wieder.“ Sabine Hermentin kennt das auch: „Wir sind als Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der Jugendwelt zu Gast. Für uns gilt: Wenn ihr gerade keinen Bock auf uns habt, gehen wir wieder.“ In Sulzbach und Murrhardt kann sich Sören Benninger über Langeweile aber nicht beklagen. „Es gibt immer was zu tun. Und bei allem ist der lange Atem wichtig. Oft gibt es nicht sofort eine Lösung. Manchmal ist kein Ergebnis auch ein Ergebnis. Dann muss man neu ansetzen und das Problem von einer anderen Seite betrachten. Erfolge sieht man oft erst langfristig.“

Das gilt zum Beispiel auch für einen von Benningers Glücksmomenten, an den er gerne denkt: „Ich konnte einen Schüler mit schlechtem Hauptschulabschluss und einem Jahr Schulpause motivieren, doch noch die Realschule zu wuppen und eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann zu machen.“ Auch über seinen Arbeitgeber freut sich Sören Benninger: „Ich schätze es sehr, in der Paulinenpflege arbeiten zu dürfen, hier bin ich als Streetworker kein Einzelkämpfer, sondern bekomme viel Unterstützung von meiner Vorgesetzten und kann mich mit anderen Paulinenpflege-Kollegen austauschen, die an anderen Standorten arbeiten. Klasse ist hier auch die Fürsorge, die wir als Mitarbeiter in Pandemiezeiten erfahren.“ Dass diesbezüglich Licht am Ende des Tunnels zu erkennen ist, freut Sören Benninger ebenso wie Sabine Hermentin: „Je nach Inzidenz sind jetzt auch wieder Treffen in Gruppen möglich. Auch die Face-to-Face-Begegnung wird einfacher. Es gab Zeiten, da konnten wir uns nur in Chatgruppen unterhalten. Die Jugendlichen sind durch die Pandemie auch etwas träger geworden. Die Lockerungen bringen jetzt sicherlich frischen Wind in unsere Arbeit.“

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Erstellt:
23. Juni 2021, 06:00 Uhr

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