Bundesparteitag
Bei der Linken soll die „revolutionäre Freundlichkeit“ Einzug halten
Auf dem Bundesparteitag in Chemnitz verständigt sich die Linkspartei darüber, wie sie mit dem guten Bundestagswahlergebnis umgehen will.

© IMAGO/
Sie ist inzwischen das emotionale Kraftzentrum der Linkspartei: Heidi Reichinnek.
Von Norbert Wallet
In Chemnitz ist an diesem Wochenende ein seltenes Phänomen zu beobachten: lachende Linke. In der Stadt trifft sich die Linkspartei zu ihrem Bundesparteitag. Tatsächlich badet die Partei derzeit in einem neuen Lebensgefühl: entspannte Zufriedenheit. Oder wie es Partei-Liebling Heidi Reichinnek formulierte: „Es ist so ein verdammt gutes Gefühl, endlich wieder gewonnen zu haben.“
Dazu haben zwei Faktoren beigetragen: Das überraschende Comeback bei der Bundestagswahl und das Ausscheiden des Wagenknecht-Flügels, der in der Lage war, jeden Parteitag in ein erbittertes Ringen um Kurs und Formulierungen zu verwandeln. Dass die Linke inzwischen mit den beiden Bundesvorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken sowie den Fraktionschefs im Bundestag Heidi Reichinnek und Sören Pellmann ein flügelweit anerkanntes Spitzenpersonal hat, schadet der guten Stimmung ebenfalls nicht.
Konzentration auf zentrale Themen
Die Frage ist, wie die neue Stärke in praktische politische Arbeit umgesetzt werden soll. Darum geht es auf dem Parteitag. Er liegt zeitlich günstig. Die Linke ist die erste Oppositionspartei, die sich nach den Wahlen zur Selbstvergewisserung versammelt. Eine Chance, frühzeitig in die Offensive zu kommen.
Geht es nach der Parteiführung, sollen inhaltlich und organisatorisch wichtige Leitplanken verabschiedet werden. Programmatisch bleibt die Partei bei dem Kurs, der im Bundestagswahlkampf so erfolgreich war: Konzentration auf einige zentrale Themen. Wohnen und Mieten, faire Löhne und soziale Gerechtigkeit. „Alle Parteien gehen nach rechts – wir nicht“, heißt es im Leitantrag. Die Partei wolle eine „zentrale Rolle im Protest gegen Aufrüstung, Sozialabbau, Klimazerstörung und Rechtsruck“ einnehmen. Alte Kassenschlager wie die Vermögenssteuer und das Überführen wichtiger Infrastruktur in öffentliche Hand gehören dazu. Reichinnek formuliert das radikaler: „Wir wollen ein Wirtschaftssystem abschaffen, das Reiche immer reicher und Arme immer ärmer macht.“
„Ein Umgang, der uns nicht zerreißt“
Organisatorisch will die Partei die Chance nutzen, um mit Hilfe der vielen Neumitglieder zum alten Erfolgsrezept der Kümmerer-Partei zurückzukehren. „Wir wollen eine Linke, die vor Ort verankert ist, hilft, kämpft und organisiert“, sagt der Leitantrag. Wobei mit der neuen Parteiführung auch ein, teilweise neuer, selbstkritischer Ton Einzug hält. So bemängelt der Leitantrag ausdrücklich, dass es „in den letzten Jahren an einer ehrlichen Analyse der gesellschaftlichen Entwicklung“ gefehlt habe, „die auch unsere Rolle und auch eigene Fehler mit einbezieht“. Parteichefin Ines Schwerdtner spricht von „revolutionärer Freundlichkeit“, die nun Einzug halten soll. Oder weniger pathetisch: „Ein Umgang, der uns nicht zerreißt.“
Der Bundesvorstand zeigt sich auch entschlossen, in einem Punkt klarer aufzutreten, der die Partei angreifbar gemacht hat: die Haltung gegenüber Israel. In der Vergangenheit hatten einseitige Pro-Palästina-Stellungnahmen die Frage aufgeworfen, ob die Linke ein Antisemitismus-Problem habe. „Das Existenzrecht des Staates Israel ist für uns nicht verhandelbar“, heißt es nun unmissverständlich in einem Vorstandsbeschluss. Der Vorstand „distanziert sich von jeden Aufruf, jedem Statement und jedweder bildlichen Darstellung, die unter dem Deckmantel der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung die Existenz Israels negiert oder die Auslöschung Israels propagiert“, heißt es darin. Und: „Wir fordern die Mitglieder unserer Partei auf, derartige Darstellungen nicht zu veröffentlichen und bereits veröffentlichte zurückzuziehen.“
Hintergrund ist ein Post von Vorstandsmitglied Ulrike Eifler auf X, der eine stilisierte Landkarte zeigt, in der Israel nicht vorkam. Überschrift: „All united for free Palestine“.
Eiflers Post hatte eine sehr scharfe Reaktion der israelischen Botschaft – ebenfalls auf X - nach sich gezogen, in der es heißt: „Israel zu dämonisieren, um bei jungen und migrantisch geprägten Wählergruppen zu punkten, ist zynischer Stimmenfang unter dem Deckmantel der Menschenrechte.“