Das Schwerste kommt noch
Beim Haushalt und in der Sozialstaatsdebatte steht Schwarz-Rot erst am Anfang.
Von Eidos Import
In der Politik geht es nicht selten zu wie auf einem Marktplatz, auf dem laute Stimmen für ihre Botschaft werben. Da steigt der eine – nennen wir ihn Friedrich Merz – sozusagen auf eine Kiste und ruft laut aus: So, wie er sei, könne Deutschland sich den Sozialstaat nicht mehr leisten. Und die andere – nennen wir sie Bärbel Bas – erklimmt schnell ebenfalls eine Kiste und ruft spontan: „Bullshit!“
Wenn der Kanzler und die Arbeitsministerin sich so austauschen, dann verstärkt das natürlich den Eindruck, die regierenden Parteien stritten vor allem – statt sich um die Probleme der Bürgerinnen und Bürger zu kümmern. In diesem Fall hatte die Auseinandersetzung aber auch einen positiven Effekt. Der eigene Schreck darüber, wie laut es öffentlich gescheppert hat, dürfte einen Beitrag geleistet haben, dass sich die Beteiligten ein Stück aufeinander zubewegt haben.
Bei Friedrich Merz war das in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag konkret zu beobachten. Ja, er hat die Botschaft gesetzt, die er wollte – und die nach Lage der Dinge auch absolut richtig ist: Im deutschen Sozialstaat muss sich manches ändern und vieles effizienter funktionieren, damit er nicht irgendwann kollabiert. Es geht darum, ihn zu erhalten und so aufzustellen, dass er dauerhaft finanzierbar bleibt. Steuer- und Beitragszahler müssen für möglichst wenig Geld möglichst viel funktionierenden Sozialstaat bekommen.
Ebenfalls ist zu beobachten, dass die Zahl der Köpfe bei den Sozialdemokraten zunimmt, die grundsätzlich bereit sind, sich der Debatte zu stellen. Für Finanzminister Lars Klingbeil gilt das ohnehin. Eigentlich hatte auch Bas immer wieder zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist zu Reformen, die den Sozialstaat effizienter machen – bis sie sich selbst mit ihrer verunglückten Äußerung ein Stück weit ins Abseits gestellt hat. Wenn die SPD eine Partei der Arbeit sein will, dann muss sie ihren Beitrag dazu leisten, dass Arbeit in Deutschland nicht durchgehend zu teuer ist. Dazu braucht es Sozialbeiträge, die zumindest nicht immer weiter ansteigen.
Gleichzeitig gilt: Sowohl in Sachen Haushalt als auch in der Sozialstaatsdebatte befindet sich Schwarz-Rot momentan noch in dem Stadium, in dem die Dinge einigermaßen leicht zu bewältigen sind. Der mehr als 500 Milliarden Euro schwere Haushalt für 2025 war nicht so schwer aufzustellen. Dasselbe gilt für den Etat für das Jahr 2026. Die große Herausforderung kommt mit dem Haushalt im Jahr 2027, in dem eine Lücke von 30 Milliarden Euro klafft. Die Regierung hat bislang nur gezeigt, dass sie Geld ausgeben kann. Der Beweis, ob sie sparen kann, steht noch aus.
Und die Sozialversicherungsdebatte bewegt sich weiter auf dem Niveau, dass alle Akteure zwar äußern, wo sie hinwollen – aber gleichzeitig sehr wenig darüber sprechen, wie das Ganze funktionieren könnte. Und – jenseits abstrakter Aussagen – reden sie erst recht nicht darüber, dass es allen, wirklich allen Bürgern und Bürgerinnen Anstrengungen und Opfer abverlangen wird. Auch die härteste Reformdebatte ist am Ende nur eine Wohlfühldebatte, wenn sie nicht konkret geführt wird.
Union und SPD müssen jetzt zeigen, ob sie das gemeinsam hinbekommen. Viele Menschen könnten zunächst wütend sein, wenn sich etwas ändert und sie das auch spüren. Doch größere Parteien in der Mitte werden in der Erwartung gewählt, dass sie Probleme schließlich auch lösen. Die Menschen wollten eine Regierung, in der die Parteien gemeinsam für das Interesse des Landes auch der eigenen Klientel mal etwas zumuten. Sie wollten eine Regierung, die über sich hinauswächst. Sonst hätte auch die Ampel weitermachen können.