Der Biber ist zurück

Das größte Nagetier Europas siedelt sich nach etwa 130 Jahren wieder im Rems-Murr-Kreis an. In Welzheim und Alfdorf gibt es diverse Nachweise und auch an der Murr sind die Tiere aktiv. Im Landratsamt gibt es sieben Biberberater als Ansprechpartner.

Künftig werden Biber wohl auch an den hiesigen Gewässern wieder anzutreffen sein. Foto: Adobe Stock/Moritz

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Künftig werden Biber wohl auch an den hiesigen Gewässern wieder anzutreffen sein. Foto: Adobe Stock/Moritz

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Über die mögliche Rückkehr des Wolfs in die hiesige Region wurde in den vergangenen Jahren oft und kontrovers diskutiert. Weitaus weniger Aufmerksamkeit wurde hingegen der Wiederkehr eines anderen, lange als ausgerottet geltenden Tiers geschenkt: dem Biber. Dabei ist der mit seinem Comeback deutlich erfolgreicher. „Der Biber befindet sich erfreulicherweise im Rems-Murr-Kreis wieder in Ansiedlung“, vermeldet das Landratsamt Rems-Murr-Kreis. Vor allem die Gemeinden Alfdorf und Welzheim weisen verstärkt Bibernachweise auf. Nach fast 130 Jahren kehrt er nun also in seinen Lebensraum auf natürliche Weise zurück. Das Umweltschutzamt begrüße diese Entwicklung, heißt es.

Warum, liegt auf der Hand: „Der Biber ist ein hervorragender Landschaftsarchitekt und Biotopgestalter. Durch seine ,Biotoparbeit‘ schafft er Strukturreichtum in der Landschaft, die wiederum direkt die Artenvielfalt fördert.“ Das geht allerdings nicht immer störungsfrei. Denn indem der Biber Dämme baut, um den Eingang seines Baus unter Wasser liegend zu schützen, kann er Konflikte auslösen wie zum Beispiel die Vernässung landwirtschaftlicher Flächen.

Damit biberbedingte Konflikte vermieden oder Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden, gibt es im Rems-Murr-Kreis bereits sieben Biberberater. Eine von ihnen ist Heike Bader. Die Allmersbacherin hat sich schon immer sehr für die Natur interessiert und deshalb an der Schulung zur Biberberaterin teilgenommen. „Es gibt jedes Jahr neue Seminare mit Führungen vor Ort“, berichtet sie. Denn schon vor gut fünf Jahren habe man im östlichen Rems-Murr-Kreis erste Anzeichen für die Rückkehr des Nagetiers gefunden.

Bader selbst habe 2018 zum ersten Mal Nachweise gesehen. Um den Biber gebe es viele Vorurteile und viel Unwissen, sagt sie. „Manche haben Angst, dass er ihnen die Fische wegfrisst, dabei sind Biber Vegetarier.“ Auch seien die Schäden durch Biber oft gar nicht so gravierend, wie viele dies befürchten. Zumal 90 Prozent der Aktivitäten des Bibers in einem etwa 20 Meter breiten Uferstreifen stattfinden.

„Interesse und Verständnis wecken und Informationen liefern“, so fasst Heike Bader ihre Aufgabe zusammen, die sie ehrenamtlich erbringt. Dabei gebe es eine gewisse Gratwanderung. „Einerseits ist es wichtig, dass die Leute wissen, dass der Biber wieder da ist.“ So könne man die Tiere besser schützen. Die Nager gelten nämlich nach dem Bundesnaturschutzgesetz als streng geschützt. „Nicht, dass jemand meint, Tatsachen schaffen zu können und Biber heimlich zu jagen.“ Denn das Fehlen der Tiere fällt logischerweise nur dann auf, wenn deren Existenz bekannt ist. Andererseits findet Heike Bader: „Man sollte keinen Bibertourismus daraus machen.“ Denn die Nager sind sehr scheu, Menschenscharen seien da kontraproduktiv. Folglich verrät die Biberberaterin auch nicht, wo in Backnang sie vor wenigen Wochen Nachweise entdeckt hat. Ob es sich um eine dauerhafte Ansiedlung handelt, könne man noch nicht sagen. „Vielleicht sind es durchziehende Jungtiere“, mutmaßt Bader. Diese errichten keine Bauwerke. „Burgen bauen sie erst, wenn sie eine Familie gründen.“ Vom Landratsamt heiß es hierzu: „Seit 2021 liegen uns einzelne Sichtungen und Spuren an der Murr vor, in den nächsten Jahren ist auch dort mit Biberaktivitäten zu rechnen.“

Für die Landschaft entlang der Murr sei das ein Zugewinn, ist man sich im Landratsamt sicher. Die Fällungen der Bäume durch den Biber hätten keinen Kahlschlag zur Folge, sondern lösen einen vermehrten Stockausschlag der jüngeren Ufergehölze aus. Dies wiederum führe zu einer stärkeren Durchwurzelung der Uferbereiche und schütze vor Erosion. Unliebsamen Bissspuren könne vorgebeugt werden, führt Bader an. Sie und ihre Kollegen machen niederschwellig Vorschläge, wie manches besser gestaltet werden kann. So habe es sich bewährt, Drahtmanschetten an Bäumen anzubringen, an denen der Biber nicht nagen soll. So können die Aktivitäten des Bibers ein Stück weit gelenkt werden. Vorab seien die Handlungsspielräume jedoch begrenzt. Meiste könne erst eingegriffen werden, wenn es Fraßspuren oder Bauten gibt. „Bei Behinderung des Wasserabflusses durch Biberdämme können Dammdrainagen ein wertvolles Hilfsmittel sein“, heißt es zudem vonseiten des Landratsamts. Wird die land- und forstwirtschaftliche Nutzung bis an das Gewässer betrieben, werden gemeinsam Lösungen gesucht. Erst kürzlich ist beispielsweise der Welzheimer Ropbachsee übergelaufen. Ein Grund könnte die Arbeit des Bibers sein. Gerade in solchen Fällen werden die Biberberater zurate gezogen. „Als Privatpersonen darf man in solchen Fällen nicht eingreifen“, macht Heike Bader klar.

Heutzutage ist der Biber streng geschützt

Verbreitung Vor dem Eingriff des Menschen war der Europäische Biber (lateinisch Castor fiber) über den gesamten Waldgürtel Eurasiens verbreitet. Durch intensive Nachstellung wurde er weltweit nahezu ausgerottet, so auch Mitte des 19. Jahrhunderts in Baden-Württemberg. Deshalb zählt der Biber zu den international bedrohten Tierarten und ist durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU sowie nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Der Beginn der Neueinwanderung des Bibers in Baden-Württemberg fand Ende des 20. Jahrhunderts von der Schweiz, dem Elsass und Bayern aus statt.

Lebensweise Biber sind Pflanzenesser, sie ernähren sich vor allem von Pflanzenfasern aus Weichhölzern und Gräsern. Die Nagetiere leben monogam und in kleinen Familienverbänden. Biber können bis zu 1,40 Meter lang werden (Schwanz inbegriffen) und bis zu 30 Kilogramm Gewicht erreichen. Die Tiere halten sich vor allem in Uferbereichen auf. Ihre Baue legen die Tiere in Böschungen an. Indem der Biber Dämme baut, bezweckt er einen erhöhten Wasserstand, um den Eingang seines Baus zu schützen. Seine Arbeit als Habitatgestalter kommt auch anderen Tieren, etwa Amphibien, zugute.

Feinde Die größte Gefahr für den Biber ging lange Zeit vom Menschen aus, der das Tier als Nahrung und wegen seines Fells jagte. Als natürliche Fressfeinde ausgewachsener Biber zählen Wolf und Bär, die hierzulande jedoch ebenfalls lange ausgerottet waren. Junge Biber sind zudem auch durch Hunde, Greifvögel und Raubfische gefährdet.

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Erstellt:
17. Januar 2022, 06:00 Uhr

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