Bundesanwalt lässt Syrer frei

„Der Lügner hat gestanden“ – IS-Vorwürfe fallen weg

Nach drei Monaten Haft in Singen sind zwei Syrer freigelassen worden. Der Hauptbelastungszeuge widerruft seine Aussage – was steckt hinter der überraschenden Wende?

Nach drei Monaten hat die Bundesaanwaltschaft zwei IS-Verdächtige wieder freigelassen (Symbolfoto).

© imago images/Nicolaj Zownir

Nach drei Monaten hat die Bundesaanwaltschaft zwei IS-Verdächtige wieder freigelassen (Symbolfoto).

Von Eberhard Wein

Als Schlag gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ist der Einsatz vor drei Monaten bundesweit durch die Medien gegangen: In Singen nahm ein Spezialeinsatzkommando (SEK) des Landeskriminalamts (LKA) zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher fest, hieß es. Jetzt kommt die überraschende Wende in dem Fall: Beide Männer wurden am Dienstag auf freien Fuß gesetzt.

Beim zuständigen Bundesrichter sei eine Aufhebung der Haftbefehle beantragt worden. „Hintergrund ist, dass sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen der dringende Tatverdacht nicht aufrecht erhalten lässt“, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts und bestätigte damit Informationen dieser Zeitung. Zu weiteren Einzelheiten äußere man sich grundsätzlich nicht. Die beiden Syrer, 29 und 31 Jahre alt, könnten aber wieder zu ihren Familien zurückkehren.

Schwere IS-Vorwürfe gegen Syrer in Singen erhoben

Die Vorwürfe, die bei der Festnahme genannt worden waren, wogen schwer. Demnach hätten sich die beiden Männer im Frühjahr 2014 in der ostsyrischen Stadt Muhasan dem IS angeschlossen und mit der islamistischen Terrormiliz gegen die Freie Syrische Armee (FSA) gekämpft, einer abtrünnigen Regierungsarmee. Nach der Eroberung der Stadt sollen sie gegnerische Soldaten zur Exekution gebracht haben. Einer der Männer habe sogar selbst einen Soldaten erschossen.

Von diesen Vorwürfen bleibt nun nichts mehr übrig. Hintergrund ist offenbar, dass der Hauptbelastungszeuge seine Aussage widerrufen hat. Der Mann, der unter anderem wegen Vergewaltigung im Gefängnis sitzt, hatte seine beiden Landsleute der IS-Mitgliedschaft bezichtigt, stand aber schon selbst wegen einer möglichen IS-Mitgliedschaft im Zentrum von Ermittlungen. „Mein Mandant wurde fünf Jahre lang beschuldigt, an einem Mord beteiligt gewesen zu sein“, sagte der Rechtsanwalt Christoph Nix, der einen der beiden nun entlassenen Männer vertritt. „Der Lügner hat gestanden.“ Allerdings habe das LKA zuvor lange Zeit einseitig ermittelt.

Verteidigung deckt Versäumnisse auf: Kartenhaus fällt zusammen

Vor diesem Hintergrund hätte die Verteidigung selbst tätig werden müssen. Zusammen mit seinen Freiburger Kollegen Klaus Malek und Jens Janssen hätten sie eine zweistellige Zahl von Entlastungszeugen ausfindig machen können. Doch die Bundesanwaltschaft habe darauf lange nicht reagiert. Jetzt sei offenbar das Kartenhaus zusammengefallen.

Unklar ist, ob hinter der offenbar falschen Beschuldigung nur ein persönlicher Racheakt steckt. Der Hauptbelastungszeuge ist nach Informationen dieser Zeitung verwandt mit einem Mann, der ebenfalls in Singen wohnt und der mit der Familie der beiden anderen Männer im Clinch liegt. 2020 sollen sie an einem brutalen Überfall auf den Verwandten beteiligt gewesen sein. Sie wurden dafür vom Landgericht Konstanz bei einem nach Stammheim ausquartierten Prozess zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die inzwischen aber abgesessen sind.

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Erstellt:
16. Dezember 2025, 20:30 Uhr

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