Dünger in Wasserschutzgebiet ausgebracht

Nach Meldungen zu auffälligem Geruch und Geschmack des Murrhardter Trinkwassers ergeben die Untersuchungen, dass ein Landwirt sich nicht an die Regeln für ein Wasserschutzgebiet in Vorderwestermurr gehalten hat. Zur Sicherheit laufen bis voraussichtlich Montag weitere Auswertungen.

Bis kommenden Montag gilt weiterhin die Empfehlung von Stadt und Stadtwerken, das Wasser in Murrhardt (Ausnahmen siehe Infotext) abzukochen und nicht einfach aus dem Wasserhahn zu trinken. Foto: Adobe stock/samopauser

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Bis kommenden Montag gilt weiterhin die Empfehlung von Stadt und Stadtwerken, das Wasser in Murrhardt (Ausnahmen siehe Infotext) abzukochen und nicht einfach aus dem Wasserhahn zu trinken. Foto: Adobe stock/samopauser

Von Christine Schick

Murrhardt. In der Sitzung des Werkausschusses, zu dem nur ein Teil der Gemeinderätinnen und -räte gehören, haben sich am Donnerstagabend Bürgermeister Armin Mößner sowie Stadtwerkegeschäftsführer Rainer Braulik und Betriebsleiter Michael Schünzel zu der Trinkwasserproblematik geäußert, die am selben Tag bekannt wurde. Rainer Braulik rekapitulierte die Ereignisse: Am sehr späten Mittwoch erreichten Stadt und Stadtwerke Meldungen aus der Bevölkerung, dass das Trinkwasser auffällig rieche und schmecke. Waren es zunächst Anrufe aus Fornsbach, seien später auch Meldungen aus Gebieten hinzugekommen, die das Stadtnetz in Murrhardt betrafen. Zum einen habe man die Empfehlung herausgegeben, das Trinkwasser abzukochen, zum anderen das Landratsamt als Behörde mit ins Boot geholt.

Nachdem sich Verantwortliche an verschiedenen Stellen umgeschaut hatten, sei in den Fokus gerückt, dass die Ursache wahrscheinlich in landwirtschaftlicher Tätigkeit in einem Wasserschutzgebiet liege. In einer Pressemitteilung der Stadt Murrhardt beziehungsweise Homepagemeldung zuvor hieß es dazu: „Nach ersten Erhebungen zur Ursache besteht der Verdacht, dass im Bereich eines Wasserschutzgebietes in Vorderwestermurr natürlicher, landwirtschaftlicher Dünger ausgebracht wurde.“

Der Verstoß ist nachgewiesen‚nun laufen weitere Untersuchungen

Michael Schünzel beschrieb in der Sitzung zum Prozedere, dass Zuständige des Landratsamts für die Wasserschutzgebiete genauso wie aus dem Gesundheitsbereich aktiv geworden seien. Die Wasserschutzgebiete seien abgegangen worden. Auch wenn es Hinweise aus der Bevölkerung gegeben habe, die das Wasser als ölig, modrig und mit einem Geruch nach Gülle beschrieben hätten, müsse man damit zunächst vorsichtig umgehen beziehungsweise dies genau prüfen. Die Untersuchungen hätten dann aber ergeben, dass in besagtem Wasserschutzgebiet von einem Landwirt Dünger ausgebracht worden sei und die Proben entsprechende Überschreitungen festgestellt hätten. Schünzel sprach von einem klaren Verstoß der Rechtsvorschrift, derjenige sei bekannt und habe mit den rechtlichen Konsequenzen zu rechnen, auch die Polizei sei eingeschaltet worden.

Parallel laufe die Analyse weiterer Proben, die an den verschiedensten Orten wie im Stadtgebiet, in Siegelsberg und Fornsbach erfolgt sind. Schünzel geht davon aus, dass Stadt und Stadtwerke in etwa drei Tagen dazu Nachricht vom Landratsamt erhalten und man weiß, ob andere, weitere Probleme auszuschließen seien. Dann stehe fest, ob beispielsweise noch Bakterien in den Proben nachgewiesen worden seien, sie gingen aber nicht davon aus. Zudem erläuterte er die technischen Möglichkeiten und Hintergründe in Bezug auf das Trinkwasser in Murrhardt: Das gesamte Quellwasser im betroffenen Einzugsbereich werde grundsätzlich mittels modernster Technik ultrafein gefiltert und mit UV-Strahlung behandelt, das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass Keime ins Versorgungsnetz gelangt sind, sei gering.

Rainer Braulik ergänzte, dass die betroffene Wasserquelle zudem vom Netz genommen worden sei, und unterstrich, dass es bisher keinen Hinweis für eine gesundheitliche Gefährdung gegeben habe. Deshalb habe die Stadt auch nur eine Empfehlung ausgesprochen, das Trinkwasser abzukochen. Dem schloss sich Bürgermeister Mößner an. Die Quelle sei nicht mehr am Netz und man habe entsprechend NOW-Wasser (Zweckverband Wasserversorgung Nordostwürttemberg) beigemischt. Auf die Nachfrage von SPD-Fraktionschef Edgar Schäf, ob der Landwirt zu viel Dünger ausgebracht habe oder dies zu nah an der Schutzzone erfolgt sei, erläuterte Mößner, was grundsätzlich gilt. Wasserschutzgebiete seien in drei Zonen aufgeteilt. Für Zone eins gelte quasi ein Tabu zur Ausbringung, da gehe gar nichts, sagte er. Dann gebe es noch die beiden weiteren Zonen zwei und drei. Welche Zone betroffen sei, musste er offenlassen, klar sei aber, dass der Landwirt den Dünger dort nicht hätte verteilen dürfen. Möglicherweise hätten die Niederschläge der vergangenen Tage ebenfalls zur jetzigen Lage beigetragen.

Ralf Nentwich mahnt schnellere Information durch die Behörden an

Gestern meldete sich auch Ralf Nentwich, MDAL/Die-Grünen-Stadtrat und Landtagsabgeordneter, der nicht in der Sitzung war, mit einer Einschätzung und Kritik per E-Mail: „Die aktuelle Verunreinigung zeigt deutlich auf, wie wichtig unsere Wasserschutzgebiete für das Lebensmittel Wasser sind. Im Murrhardter Fall wurde aber auch deutlich, dass die schnelle Warnung der Bevölkerung in Murrhardt noch sehr viel Luft nach oben hat. Wer nicht zufällig auf die Internetseite der Stadt Murrhardt gesurft ist, hatte keinerlei Informationen über den Hinweis der Stadt, das Wasser abzukochen. Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne Zugang zum Internet waren ohne Informationen und ungeschützt. Ich stelle mir da schon die Frage, warum in diesem Fall nicht die Nina-Warn-App oder ein anderes Instrument des Bevölkerungsschutzes gewählt wurde. Dies war bei ähnlichen Vorfällen in anderen Kommunen ein gängiger Weg.“

Auf die Nachfrage bei der Stadt, ob dies angezeigt war und in welchen Fällen beziehungsweise nach welchen Kriterien solch ein Einsatz greift, lässt Rainer Braulik wissen: „Es gibt selbstverständlich in enger Abstimmung von Landratsamt und den Stadtwerken klare Kriterien, die dazu dienen, die Bevölkerung – je nach Einzelfall – zu informieren. Die Nina-App wird vom Landratsamt auch bisher schon bei Notfällen genutzt – jedoch handelte es sich bei dem Trinkwasservorfall vorgestern in Murrhardt um keinen solchen Notfall. Gesundheitsamt und Stadtwerke haben hier nur als vorbeugenden Gesundheitsschutz eine Empfehlung ausgesprochen, das Wasser fürs Zubereiten von Speisen und zum Trinken abzukochen. Das ist aber noch kein ,Abkochgebot‘“, erläutert er. Im Unterschied dazu: „Ein Gebot zum Abkochen (mit Nina-App und Durchsagen der Polizei auf der Straße) wäre ausgesprochen worden, wenn konkrete Anzeichen für eine Gesundheitsgefährdung vorgelegen hätten. Das war aber bei dem Vorfall vorgestern nicht der Fall. Unser Wasserwerk hat zu 99,9 Prozent mögliche, gesundheitsgefährdende Verunreinigungen durch Bakterien aus dem Quellwasser herausgefiltert. Das funktioniert mit Gerüchen und Geschmacksbeeinträchtigungen eben nicht vollständig. Um auch die sehr geringe Restgefahr einer gesundheitlichen Gefährdung (die 0,1 Prozent) noch auszuschließen, wurde die Empfehlung zum Abkochen nur über Pressemitteilung, die Homepage, über den städtischen Facebook-Auftritt und eine E-Mail an den Verteiler der lokalen Radiostationen kommuniziert, bis die Ergebnisse der Wasserproben unsere Annahme bestätigen.“

Internetseiten informieren über abschließende Ergebnisse

Abkochempfehlung Die Stadtwerke haben in Absprache mit dem Gesundheitsamt am Donnerstag empfohlen, Trinkwasser für die Zubereitung von Speisen und Getränken vorerst nur abgekocht zu verwenden. Um jedes Risiko vermeiden zu können, bleibt es zunächst – voraussichtlich bis Montag, 15. Mai – bei dieser Vorsichtsmaßnahme. Aus Rückmeldungen von Kunden und Mitarbeitern der Stadtwerke lässt sich schließen, dass nur zirka 20 Prozent der Nutzer die schlechte Wasserqualität überhaupt bemerkt haben, so die Stadtwerke in einer Pressemitteilung. Die betroffene Quelle wurde vom Netz genommen. Deshalb wird von den Stadtwerken und vom Gesundheitsamt auch kein Verbot ausgesprochen, sondern nur vorsichtshalber eine Empfehlung.

Gebiet Die Empfehlung zum Abkochen des Wassers betrifft den größten Teil des Murrhardter Wassernetzes. Nicht davon betroffen sind die nördlichen Ortsteile und Siedlungen Karnsberg, Hinterbüchelberg, Neuhaus und Waldsee sowie Steinberg, Kieselhof, Hördthof, Murrhärle und Hoffeld.

Ergebnisse Da die abschließenden Ergebnisse der verschiedenen Wasserproben bis zu drei Tage benötigen, rechnen die Stadtwerke mit einer möglichen Entwarnung nicht vor dem kommenden Montag. Sobald neue Erkenntnisse vorliegen, wird das Team über die Internetseiten der Stadt und der Stadtwerke informieren: www.murrhardt.de sowie www.stadtwerke-murrhardt.de.

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Erstellt:
13. Mai 2023, 06:00 Uhr

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