Ein Baustein für den Hochwasserschutz

Mit einem Einweihungs- und Informationstreffen hat die Stadt den Abschluss des Projekts in der Wiesenstraße begangen. Das Regenüberlaufbecken ist saniert, hat ein Entlastungspumpwerk an die Seite gestellt bekommen und der Spielplatz, der der Baustelle weichen musste, ist so gut wie fertig.

Kleine Leute helfen Bürgermeister Armin Mößner bei der Einweihung des Spielplatzes.

© Stefan Bossow

Kleine Leute helfen Bürgermeister Armin Mößner bei der Einweihung des Spielplatzes.

Von Christine Schick

Murrhardt. Wer nicht weiß, wo genau sich das Regenüberlaufbecken 24 in der Murrhardter Wiesenstraße befindet, hat nun zwei freundliche Orientierungspunkte: Die Betonwände der zugehörigen kleinen Gebäude sind mit Tierfiguren im Comicstil verschönert und machen sich in der direkten Nachbarschaft zum neu gestalteten Spielplatz ziemlich gut. Zwar waren die Erwachsenen bei der Einweihung in der Überzahl, aber auch ein paar Kinder konnten sich auf dem Gelände umschauen, das sie im späteren Frühjahr dann wirklich in Beschlag nehmen können, sobald der Rasen auf dem Spielplatz angewachsen ist.

Vertreterinnen und Vertreter von Stadt, Gemeinderat und beteiligten Firmen sowie Anwohnerinnen und Anwohner waren zur Einweihung gekommen. Sie erwartete neben den technischen und entstehungsgeschichtlichen Erläuterungen auch eine kleine Vorführung des Vorflutsicherungspumpwerks in Aktion. Da es bis Dienstagabend noch recht trocken war und im Vorfeld schon lange nicht mehr geregnet hatte, mussten die Verantwortlichen dafür entsprechend Wasser sammeln, sodass die Pumpen zumindest für rund eine halbe Minute ihre Tatkraft unter Beweis stellen konnten. Die Maschinen – zwei Pumpen und eine weitere als Reserve – befördern immerhin 725 Liter pro Sekunde aus der Anlage in Richtung Murr, und so konnten die Gäste den kraftvollen Strom des Wassers für diesen Augenblick verfolgen.

Hochwasserrückhaltebecken Gaab, Mauern und Dämme sind zudem nötig

Dass das Regenüberlaufbecken 24 in der Wiesenstraße saniert und die Anlage mit neuer Technik inklusive Entlastungspumpwerk ausgestattet ist, das bei kritischen Konstellationen wie Hochwasser sowie Regen oder Starkregen Wasser in die Murr schickt, ist für Bürgermeister Armin Mößner zumindest eine „kleine Versicherung“. Wie auch Gerd Rebmann vom Murrhardter Ingenieurbüro Riker und Rebmann, dessen Team das Projekt planerisch begleitet hat, betonte er, dass für den Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasserereignis auch noch das Hochwasserrückhaltebecken Gaab sowie Mauern und Dämme nötig sind.

Für diesen Baustein haben Stadt und Gemeinderat ein gutes Durchhaltevermögen an den Tag legen müssen, wie Mößner in Erinnerung rief. Schon 1995 mit dem sogenannten allgemeinen Kanalisationsplan habe sich abgezeichnet, dass am Regenüberlaufbecken in der Wiesenstraße über kurz oder lang Anpassungen notwendig sind. Konkreteren Bedarf ergab 2007 eine Studie, die einen ersten Ansatz für die Planungen lieferte. Im Zuge des Entwurfs 2012 wurde klar, dass noch weitere Detailuntersuchungen nötig sind, parallel lief zudem die Gründung des Wasserverbands Murrtal und die Planungen der beteiligten Kommunen für über- und innerörtliche Schutzmaßnahmen. 2015 reifte das Projekt weiter, mittlerweile war auch klar, dass ein Vorflutsicherungspumpwerk wichtiger Bestandteil sein würde, so Mößner. Dies erhöhte die Kosten von ursprünglich 1,3 Millionen Euro auf damals noch veranschlagte 2,16 Millionen Euro. „Die Summe macht klar, dass wir das nicht allein stemmen konnten und auf finanzielle Unterstützung angewiesen waren“, sagte der Bürgermeister. Es folgte der Antrag beim Land, das Projekt auch im Sinne des örtlichen Hochwasserschutzes vorziehen zu können, sowie eines Zuschusses. Nach 2015 vergingen fünf Jahre, bis auf die jährlich beantragte Unterstützung schließlich eine Zusage erfolgte. Das Land gewährte rund 1,3 Millionen Euro für das Vorhaben, dessen geschätzte Gesamtkosten bei 2,86 Millionen Euro lagen. Die Umsetzung konnte nach Vorbereitungen zu Anfang des Jahres 2021 beginnen.

Wenn der Strom ausfällt,springt eine Netzersatzanlage an

Gerd Rebmann gab am Abend einige wichtige Stichworte rund um die Anlage. Dazu gehörte die Tatsache, dass die zwei Gebäude einen Meter über der Schwelle eines 100-jährlichen Hochwassers liegen, um entsprechende Sicherheit zu haben. Damit das Pumpwerk bei einem Stromausfall weiterarbeiten kann, ist eine Netzersatzanlage Teil der Ausstattung. Ansonsten befindet sich ein Großteil der Technik unter der Erde. Zur Ertüchtigung des Regenüberlaufbeckens und Kanalsystems gehören eine Reihe von messtechnischen Einrichtungen, um die Pegelstände im Blick zu haben, genauso wie Schieber und Klappen, die bei steigendem Wasser entsprechend in Aktion treten. Später, wenn zusätzliche innerörtliche Hochwasserschutzmaßnahmen umgesetzt werden, heißt es, die Mauer der Anlage entlang der Murr weiterzuführen. Zu ertüchtigen ist zudem der Feuerseekanal. Letzterer verweist darauf, dass das Abwasser- und Hochwasserschutzmanagement ein komplexes und weit verzweigtes System berücksichtigen muss. Vier Szenarien auf Überblicksplänen geben davon eine Idee. Bei trockenem Wetter fließt das Abwasser aus dem Innenstadtbereich in Richtung Kläranlage. Regnet es kräftig, besteht über die Anlage die Möglichkeit, das nachkommende Wasser gedrosselt (ab elf Liter pro Sekunde) abzugeben, indem das Becken hinzugenommen und nach Bedarf gefüllt wird. Bei Hochwasser heißt es, den Zugang zur Murr abzutrennen. Kommt dann noch Regen oder sogar Starkregen hinzu, muss das Wasser bei vollem Regenüberlaufbecken aus dem Kanal mit dem Pumpwerk herausbefördert werden. Rebmann machte auch nochmals klar, dass man sich besonders mit Blick auf Starkregenereignisse trotzdem nicht in absoluter Sicherheit wiegen kann.

Die Gäste erleben das Vorflutsicherungspumpwerk bei der Einweihung in Aktion. Fotos: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Die Gäste erleben das Vorflutsicherungspumpwerk bei der Einweihung in Aktion. Fotos: Stefan Bossow

Gerd Rebmann erläutert die Anlage im Zusammenhang mit dem gesamten städtischen Kanalsystem.

© Stefan Bossow

Gerd Rebmann erläutert die Anlage im Zusammenhang mit dem gesamten städtischen Kanalsystem.

Kosten etwas geringer als geplant

Kosten Bürgermeister Armin Mößner berichtet, dass sich die Gesamtkosten auf rund 2,7 Millionen Euro belaufen, somit konnte das Projekt etwas unter der Schätzung von 2,8 Millionen Euro realisiert werden. Das Land unterstützt mit rund 1,2 Millionen, bleiben für die Stadt 1,5 Millionen Euro.

Verschönerung Die Tierbilder auf den Gebäuden stammen vom Graffitikünstler Richard Koch, der auch schon in den Schulen in diesem Sinne gewirkt hat.

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Erstellt:
9. März 2023, 06:00 Uhr

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