Erdbeben in Baden-Württemberg

„Eines der erdbebenreichsten Bundesländer“ – so oft bebt die Erde im Südwesten

Ein Erdbeben riss kürzlich einige Menschen im Kreis Esslingen aus dem Schlaf. Wie oft es in Baden-Württemberg bebt – und welche Regionen besonders betroffen sind.

Einsatzkräfte proben den Ernstfall: Schwere Erdbeben sind in Baden-Württemberg sehr selten.

© IMAGO/Arnulf Hettrich / Oliver Berg/dpa

Einsatzkräfte proben den Ernstfall: Schwere Erdbeben sind in Baden-Württemberg sehr selten.

Von Michael Bosch

In der vergangen Woche sind rund um Dettingen an der Teck mehrere hundert Menschen aus dem Schlaf aufgeschreckt. Ein Erdbeben hatte die Nachruhe der Bewohner und Bewohnerinnen im Kreis Esslingen gestört. Wie häufig kommt so etwas vor? Und welche Regionen in Baden-Württemberg sind besonders häufig betroffen?

Wie viele Menschen die Erschütterung wahrnehmen, hängt zum einen von der Stärke des Erdbeben und der Bevölkerungsdichte in der Region ab, in der es auftritt. Dementsprechend melden sich teils nur vereinzelte Menschen, die die Bewegung im Untergrund wahrgenommen haben, bei entsprechenden Stellen. Teils sind es aber auch mehrere hundert. „Nachts, wenn es ruhig ist, wird ein Erdbeben eher verspürt, als tagsüber, wenn allgemein eine größere Unruhe herrscht“, sagt Andrea Brüstle vom Landeserdbebendienst in Baden-Württemberg.

Über 500 Erdbeben in diesem Jahr in Baden-Württemberg

Im Grunde bewegt sich die Erde im Südwesten fortwährend. Laut dem Landeserdbebendienst hat es seit Jahresbeginn mehr als 560 Beben gegeben, deren Epizentrum entweder direkt in Baden-Württemberg oder so nah an der Grenze – in Rheinland-Pfalz, Hessen, Frankreich oder der Schweiz – lag, dass sie theoretisch auch noch im Ländle Auswirkungen hatte.

Erdbeben gibt es quasi täglich, an manchen Tagen sogar mehrere hintereinander. „Baden-Württemberg ist eines der erdbebenreichsten Bundesländer in Deutschland“, sagt Seismologin Brüstle. „Im Schnitt gibt es alle ein bis zwei Monate in Baden-Württemberg ein Erdbeben, das auch von der Bevölkerung wahrgenommen wird.“

In den allermeisten Fällen bleiben die Ereignisse aber unbemerkt. Laut dem geologischen Dienst des Landes war das Beben in der zweiten Dezemberwoche zwar das stärkste je gemessene im Kreis Esslingen, aber in diesem Jahr bereits das 14., das Menschen in Baden-Württemberg gespürt haben (könnten). Auf der Richterskala erreichte es einen Wert von 3,0.

Schäden an Gebäuden nach Erdbeben im Südschwarzwald

In der Vergangenheit gab es durchaus auch schon Erdbeben, die in weiten Teilen Baden-Württembergs für klirrende Gläser in den Wandschränken gesorgt haben. Ende Juni 2024 war das nach einem Beben der Stärke 4,2 bei Schopfheim (Kreis Lörrach) der Fall. Auch das Beben zwei Jahre zuvor bei Hechingen (Zollernalbkreis) hatte ähnliche Auswirkungen.

Das stärkste Erdbeben seit dem Jahrtausendwechsel ereignete sich am 5. Dezember 2004. Um kurz vor 3 Uhr in der Nacht entlud sich die Energie im Untergrund bei Waldkirch (Landkreis Emmendingen) nördlich von Freiburg. Die Erdstöße (5,4 auf der Richterskala), die mehrere Sekunden anhielten, waren in einem Umkreis von bis zu 250 Kilometern zu spüren. Im Südschwarzwald sowieso. Bei der Polizei in Freiburg gingen mehr als 200 Anrufe binnen weniger Minuten ein. In Waldkirch wies hinterher etwa jedes zwanzigste Gebäude oberflächliche Schäden auf.

Menschen werden selten verletzt

„Etwa einmal pro Jahrzehnt kommt es zu Erdbeben, die zu Gebäudeschäden führen können“, sagt Andrea Brüstle. Dabei könne es auch zu „Störungen von Betriebsabläufen“ kommen. Züge fahren dann beispielsweise nicht mehr. Katastrophale Erdbeben – mit Toten und Verletzten – seien in Baden-Württemberg „sehr selten, aber nicht vollständig auszuschließen“, so die Expertin. Beim größten Beben der zurückliegenden 50 Jahre wurde am 3. September 1978 der Zollernalbkreis erschüttert. Messungen ergaben eine Stärke von 5,7 auf der Richterskala. 25 Menschen wurden verletzt. Die Schäden beliefen sich damals auf etwa 100 Millionen D-Mark.

Wenn die Erde im Südwesten erzittert, ist das im wesentlichen auf tektonische Spannungen der Rheinregion zurückzuführen. Ausgelöst werden die Beben von der Kollision der afrikanischen mit der europäischen Platte. Baden-Württemberg ist eines der erdbebenreichsten Bundesländer. Neben dem Oberreihngraben sind auch der südliche Schwarzwald, die Bodenseeregion und die Schwäbische Alb die seismisch aktivsten Zonen. „Die Region Stuttgart ist in der Regel weniger von Erdbeben betroffen“, sagt Andre Brüstle.

Gefahr durch Erdbeben und Messung

Sicherheit„Die größte Gefahr durch Erdbeben für Menschen in Baden-Württemberg ist nicht unmittelbar, sondern geht von Gebäuden aus, die durch das Erdbeben beschädigt werden“, sagt Seismologin Andrea Brüstle. Die wichtigste Verhaltensregel bei Erdbeben laute deshalb: Nicht aus dem Haus laufen. Herabstürzende Dachziegel, Fassadenteile oder Schornsteine führen demnach am ehesten zu Verletzungen.

MessungErdbeben werden mit einem Seismograph gemessen. Die Geräte machen Bodenerschütterungen sichtbar. Die Stärke von Erdbeben wird in aller Regel mithilfe der Richter-Skala angegeben, die logarithmisch aufgebaut ist: Ein Beben der Stärke 7 ist zehnmal so stark wie ein Beben der Stärke 6, 100 Mal so stark wie ein Beben der Stärke 5 und 1000 Mal so stark wie ein Beben der Stärke 4. Ab Stärke 3 oder 3,5 spüren Anwohner in besiedelten Gegenden die Beben. Ab Stärke 5 muss man mit Schäden rechnen. Die stärksten Beben weltweit erreichen Werte um 9.

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Erstellt:
16. Dezember 2025, 05:14 Uhr

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