1 Jahr nach Trumps Wiederwahl
God’s Own Country: Wie Religion die USA spaltet
Christlicher Nationalismus auf dem Vormarsch: Trumps zweite Amtszeit rückt Religion und Macht gefährlich nah zusammen. Theologen warnen vor einer Aushöhlung der Verfassung und vor wachsender Polarisierung.
© Imago/ZUMA Wire
Wahlkampfberanstaltung im März 2024 in Georgia: Jesus ist mein Erlöser, Trump ist mein Präsident.“
Von Markus Brauer/KNA
„Make America great again“ – und das am liebsten mit göttlichem Beistand. Schon die Amtseinführung Donald Trumps im Januar 2025 war durchdrungen von religiösen Symbolen und einem fast messianischen Heilsversprechen, das sich in seiner Person zu erfüllen schien. Zum Jahrestag seiner Wiederwahl haben USA-Experten die religiös-politische Lage des Landes analysiert.
Der Theologe Massimo Faggioli, Professor am Trinity College in der irischen Haupstadt Dublin, beobachtet eine deutliche Zunahme des christlichen Nationalismus. Ziel der US-Regierung sei es, dem Christentum wieder eine zentrale Rolle im Selbstverständnis der Vereinigten Staaten zu geben.
Christliche Kommission zur Religionsfreiheit
Um dieses Ziel zu fördern, habe Trump eine präsidiale Kommission zur Religionsfreiheit eingerichtet, erläutert die in den USA lehrende Ethikerin Hille Haker. „Diese Kommission ist vor allem mit christlichen Mitgliedern bestückt. Ihre dezidierte Aufgabe ist es, die Trennung von Staat und Kirche auf der politisch-rechtlichen Ebene zu überprüfen – und wenn möglich zurückzunehmen.“
Religionsfreiheit werde von der Regierung, ergänzt Haker, vor allem als Förderung des Christentums verstanden. „Was diese Werte sind, erschließt sich aus der Opposition zu liberalen Gesetzen: Ablehnung von gleichgeschlechtlichen Ehen, Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen.“
Zu diesem Christianisierungsprogramm gehörten auch die Stärkung traditioneller Familienbilder sowie die Ablehnung von mehr Rechten für Frauen und sexuelle Minderheiten. Die starke christliche Färbung der US-Politik hält Haker für unvereinbar mit der US-Verfassung. „Die Verfassung schützt nämlich nicht eine Religion, sondern alle Religionen“.
Spaltung in Kirche und Gesellschaft
Trotz der Bevorzugung des Christlichen verstärkte sich im vergangenen Jahr innerhalb der katholischen Kirche die Spaltung. Der österreichische Theologe und USA-Kenner Andreas Weiß sieht darin ein Spiegelbild der gesamten Gesellschaft. Die sozialen, regionalen und ideologischen Bruchlinien der USA verliefen auch quer durch die Kirche.
Während viele US-Bischöfe Unmut wegen Trumps restriktiver Migrationspolitik äußern, zeigen sich andere bei sexualethischen Themen wie Gender und Abtreibung durchaus auf Regierungslinie. Ein Vorstoß der US-Regierung in Sachen In-Vitro-Fertilisation sorgte im Oktober jedoch für Unmut bei konservativen US-Bischöfen, die sonst gerne die Nähe zu Trump suchen.
Für die Bischöfe werde es daher zunehmend schwieriger, eine gemeinsame Linie zu finden, konstatiert Weiß. Theologin Haker kommentiert mit Blick auf die Zerrissenheit der Kirchenleitung: „Die amerikanische Bischofskonferenz ist ein Totalausfall in der Opposition.“
Polarisierung zwischen Glaubensgemeinschaften und in Gemeinden
Weiß betont zudem, dass Trump nicht nur die katholische Kirche spalte, sondern auch andere christliche Gemeinschaften wie Methodisten, Lutheraner oder Presbyterianer. Der Präsident bringe durch seine Politik unterschiedliche Strömungen innerhalb dieser Kirchen gegeneinander auf und fördere zugleich die Bildung konfessionsübergreifender konservativer wie liberaler Allianzen.
Diese Polarisierung zeige sich schließlich auch auf Ebene der Gemeinden. „Ebenso wie die US-Gesellschaft insgesamt sind auch die Pfarrgemeinden gespalten. Ein Teil der Mitglieder favorisiert die Republikaner, der andere die Demokraten“, erläutert der Eichstätter Theologe Benjamin Dahlke.
In dieser Situation zu predigen, sei eine Herausforderung, weiß Dahlke, der selbst Priester ist. In der Messe gesprochene Gebete und Predigten müssten sorgfältig bedacht werden: „Schließlich können sie das eine oder das andere Lager verärgern.“
Angst vor Gottesdienstbesuch
Für viele Gläubige hat die Politik des Präsidenten unmittelbare Folgen für ihr Glaubensleben. „Viele illegal im Land lebende Latinos haben Angst, beim Kirchgang in eine Kontrolle der Einwanderungsbehörden zu geraten und folglich abgeschoben zu werden“, berichtet Dahlke. Aus diesem Grund habe das Bistum San Bernardino in Kalifornien sogar die sonntägliche Messpflicht ausgesetzt.
Auch im Verhältnis zur Weltkirche zeigen sich Spannungen. Mit Papst Leo XIV., dem ersten aus den USA stammenden Papst, hat sich der Ton zwischen Washington und Rom zwar verändert, doch die Differenzen bleiben. „Papst Franziskus hatte geradezu eine Animosität gegenüber dem US-Präsidenten. Leo XIV. ist da viel zurückhaltender und kontrollierter im Auftreten“, beobachtet Dahlke. Dennoch bleibe die Distanz spürbar.
Langfristig Abkehr von der Religion
Langfristig, warnt der Theologe, könnte die fortschreitende Verschmelzung von Religion und Politik eine Abkehr von der Religion in den USA bewirken. „Die aktuelle Politik könnte eine Gegenbewegung auslösen. Wie in Polen und Irland könnte es irgendwann einen Säkularisierungsschub geben.“
Ein Jahr nach der Wiederwahl Trumps zeigt sich: US-Präsident Trump hat Religion und Politik enger denn je miteinander verwoben. Und damit die Gräben in God’s Own Country weiter vertieft.
