Metal-Gottesdienst in Bruchsal
Headbangen am Altar – Metal-Fan hält etwas anderen Gottesdienst
Inspiriert vom Heavy Metal-Festival „Wacken“ veranstaltet Pastoralreferent Mathias Fuchs in Bruchsal ganz besondere Gottesdienste. Das Format erntet großen Zuspruch – aber auch Kritik.

© Mathias Fuchs/Headbangers’ Church
Während Mathias Fuchs in der Bruchsaler Kirche predigt, hält sich die Band „Metal Godz“ im Hintergrund bereit.
Von Nina Scheffel
Harte Gitarrenriffs und headbangende Gemeindemitglieder statt andächtigen Predigten und Stille auf den Kirchenbänken – in der Kirchengemeinde Bruchsal-Obergrombach im Kreis Karlsruhe ist das keine Seltenheit. Denn hier organisiert Pastoralreferent und Diplom-Theologe Mathias Fuchs von der katholischen Kirchengemeinde Bruchsal-Michaelsberg gemeinsam mit Gemeindemitgliedern die sogenannte „Headbangers’ Church“.
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Dabei kommen Elemente eines Gottesdienstes wie beispielsweise Bibeltexte und Gebete mit Live-Rock- und Heavy Metal-Musik, Lichteffekten und Tanz zusammen. Nicht selten erinnert der Gottesdienst an ein Konzert – Besucherinnen und Besucher sitzen nicht still in den Bänken, sondern singen, klatschen und tanzen. Im Anschluss kommt man bei einem Getränk zum Austausch zusammen.
Headbangers’ Church soll Menschen in die Kirche bringen
Für den Initiator Mathias Fuchs ist das Konzept weit mehr als nur eine wahrgewordene Fan-Fantasie. Denn die Kirchengemeinden in Baden-Württemberg ringen um ihre Mitgliederzahlen. Formate wie der Metal-Gottesdienst sollen dem entgegenwirken und auch Menschen in die Kirche bringen, die sonst vielleicht nicht den Weg in ein Gotteshaus finden.
Die Inspiration zu dem etwas anderen Gottesdienst hatte der bekennende Metal-Fan beim Wacken Open Air, einem der größten Festivals für Heavy Metal der Welt. „Ich bin selbst leidenschaftlicher Metal-Fan und fahre regelmäßig nach Wacken“, erzählt er. „Bei dem Festival hatte ich ein Aha-Erlebnis, denn dort bin ich ohne große Hürden mit Leuten ins Gespräch gekommen und habe intensive Momente erlebt. In der Metal-Szene spüre ich ein Riesenmaß an Solidarität und Verbundenheit untereinander.“
Gleichzeitig begegnet Fuchs auf dem Festival immer wieder Metalern, die ihm von einer Vergangenheit in der Kirche erzählen, die sie mittlerweile jedoch hinter sich gelassen haben. „Viele haben mir erzählt, dass sie dort für sich keinen Platz mehr sehen“, sagt er.
Das will der Pastoralreferent zumindest in seiner Bruchsaler Gemeinde ändern. Gemeinsam mit einem Gemeindemitglied und einem Bekannten, der die Band für die jeweiligen Auftritte in der Kirche organisiert, entsteht bei einem abendlichen Biergartenbesuch im Jahr 2023 die Idee zur „Headbangers’ Church“. Im Jahr 2024 findet schließlich die erste Ausgabe des Metal-Gottesdienstes statt.
„Gott ist immer dann da, wenn das Leben tobt“
Zu Beginn der Gottesdienste seien die Besucherinnen und Besucher noch zurückhaltend, erzählt Fuchs, auch, wenn es sie in den Fingern jucke, aufzustehen und zu tanzen. Genau dazu fordere er sie dann auch auf – mit Erfolg. „Für mich ist es ein Gottesdienst, der das Leben feiert“, so der Theologe. „Denn Gott ist immer dann da, wenn das Leben tobt und man Glück verspürt. Dieses Glück und diese Lebendigkeit erlebe ich auch im Heavy Metal. Die Musik ist kraftvoll und strotzt vor Leben, auch wenn die Texte oft düster sind.“ Dieses Gefühl will Fuchs in die Kirchengemeinde tragen, wie er selbst sagt, und damit das Leben, Religion, Musik und Gott zusammenbringen.
Für den richtigen Ton sorgt die Band „Metal Godz powered by Gelbsucht and friends“, die speziell für den Anlass Rock- und Metal-Klassiker interpretiert und Mathias Fuchs bei der Predigt musikalisch begleitet. Dabei wechseln sich Live-Performances und Predigten sowie Gebete ab. Leise vor sich hin gemurmelt wird dabei aber nicht – „bein „Amen“ kann es schon auch mal lauter werden“, erzählt Fuchs lachend.
In der Gemeinde kommt das Format zum allergrößten Teil gut an, Besucherinnen und Besucher sind begeistert. Erst Mitte Mai konnten sich Metal-Fans in Bruchsal wieder über den etwas anderen Gottesdienst freuen. „In der Kirche haben wir Platz für 400 Leute. Bei den Gottesdiensten platzt sie trotzdem jedes Mal aus allen Nähten“, erzählt Fuchs.
Doch nicht nur die Kirchengemeinde ist begeistert. Auch Metal-Fans aus weiter entfernten Städten kämen extra für den Gottesdienst angereist, so der Theologe. „Es waren auch schon Leute dabei, die bereits aus der Kirche ausgetreten sind, den Gottesdienst aber trotzdem gut finden.“
„Manche Menschen glauben, dass wir Satan huldigen“
Gleichzeitig bleibt auch die Kritik am Konzept nicht aus. „Es gibt natürlich auch Menschen, die mit der Musik nichts am Hut haben und Klischees über Metal-Fans glauben – zum Beispiel, dass wir Satan huldigen“, sagt Fuchs lachend. „Diese Leute lehnen diese Art von Gottesdienst ab.“
Anderen Kritikern sei das Format nicht fromm genug, wieder anderen passe die Sprache, die Fuchs in seinen Predigten verwendet, nicht. „Wenn ich beispielsweise über schwierige Momente predige, sage ich in diesem Gottesdienst eben nicht ‚Es gibt tiefe Täler’, sondern ‚Das Leben fickt uns’. Das widerstrebt manchen.“
Ablehnung dieser Art erfährt Fuchs zumeist in Form von Kommentaren unter Beiträgen oder Videos zum Gottesdienst auf Social Media. Vereinzelt kämen jedoch auch Besucher nach dem Gottesdienst auf ihn zu. Zum allergrößten Teil sei das Feedback allerdings positiv. „Während die einen die Sprache kritisieren, kommen andere und finden es gut, weil sie eben selbst so schwätzen.“
Rückendeckung von der Kirche
In der Gemeinde selbst hat Mathias Fuchs mit der Idee offene Türen eingerannt. Dort erfährt er Rückhalt für seine experimentellen Konzepte. „Unser Ortspfarrer, der Dekan und auch die Erzdiozöse Freiburg unterstützen das Konzept“, erklärt er. „Erst vor Kurzem ist der zweite Antrag auf finanzielle Förderung durchgegangen.“
Die Headbangers’ Church, ein Gottesdienst speziell für Biker sowie ein Trauergottesdienst unter dem Motto der Metal-Band Hämaton „Gott muss ein Arschloch sein“ sind nicht die einzigen Formate, mit denen Fuchs den Gottesdienst revolutionieren will. Im Dezember letzten Jahres veranstaltete er in Bretten eine sogenannte „Tattoo-Segnung“, bei der er Religion und Tätowierung verbindet.
Christmas-Edition im Dezember
Nach dem Metal-Gottesdienst im Mai können sich Fans im Advent auf eine „Christmas-Edition“ (20. Dezember ab 17 Uhr) freuen. Und auch darüber hinaus sind Mathias Fuchs’ Ideen noch lange nicht erschöpft. „Ich könnte mir vorstellen auch mal etwas im Schwimmbad zu machen – da lasse ich mich auch stark von Wacken inspirieren“, sagt Fuchs. Mehr will er noch nicht verraten.