Exotische Tierwelt

In der letzten Eiszeit lebten Flusspferde in Europa

Flusspferde, die heute nur noch in Afrika südlich der Sahara vorkommen, haben in Mitteleuropa viel länger überlebt, als bisher angenommen.

Flusspferde lebten am Oberrhein im gleichen Zeitfenster wie Mammuts. Hier trifft in den Reiss-Engelhorn-Museen die Rekonstruktion eines Flusspferdes auf ein Mammutskelett.

© Rebecca Kind

Flusspferde lebten am Oberrhein im gleichen Zeitfenster wie Mammuts. Hier trifft in den Reiss-Engelhorn-Museen die Rekonstruktion eines Flusspferdes auf ein Mammutskelett.

Von Markus Brauer

Analysen von Knochenfunden zeigen, dass Flusspferde noch vor etwa 47.000 bis 31.000 Jahren im Oberrheingraben im Südwesten Deutschlands lebten, also während der letzten Eiszeit.

Ein internationales Forschungsteam angeführt durch die Universität Potsdam und die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim mit dem Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie sowie der ETH Zürich und internationalen Partnern hat dazu eine Studie im Fachjournal „Current Biology“ veröffentlicht.

Wertvolle Quelle für die Forschung

Bisher ging man davon aus, dass gewöhnliche Flusspferde (Hippopotamus amphibius) in Mitteleuropa vor ungefähr 115.000 Jahren mit dem Ende der letzten Warmzeit ausgestorben sind.

Der Oberrheingraben ist ein wichtiges kontinentales Klimaarchiv. Tierknochen, welche die Jahrtausende in den Kies- und Sandablagerungen überdauert haben, sind eine wertvolle Quelle für die Forschung.

„Es ist schon erstaunlich, wie gut die Knochen erhalten sind. An vielen Skelettresten war es möglich, auswertbare Proben zu entnehmen – nach dieser langen Zeit keine Selbstverständlichkeit“, betont Ronny Friedrich, Experte für Altersbestimmung am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie.

Kombination mehrerer Methoden brachte die Lösung

Das Team untersuchte zahlreiche Flusspferdfunde und kombinierte dabei paläogenetische und Radiokarbon-Analysen. Die Sequenzierung alter DNA ergab, dass europäische Eiszeit-Flusspferde nah mit heute lebenden afrikanischen Flusspferden verwandt sind und zur selben Art gehören. Die Radiokarbondatierungen wiesen ihr Vorkommen während einer milderen Klimaphase in der mittleren Weichsel-Eiszeit nach.

Eine zusätzliche genomweite Analyse ergab eine sehr geringe genetische Vielfalt, was darauf hindeutet, dass die Population im Oberrheingraben klein und isoliert war. Diese Ergebnisse und weitere fossile Funde machen deutlich, dass die an sich wärmeliebenden Flusspferde im gleichen Zeitfenster wie kälteangepasste Arten wie Mammuts und Wollnashörner auftraten.

Neue Erkenntnisse durch Eiszeit-Forschung

„Die Ergebnisse zeigen, dass Flusspferde am Ende der letzten Warmzeit nicht aus Mitteleuropa verschwunden sind, wie zuvor angenommen wurde“, resümiert der Erstautor Patrick Arnold. „Demzufolge sollten wir weitere europäische Flusspferd-Fossilien, die traditionell der letzten Warmzeit zugeordnet werden, erneut analysieren.“

Dass die Eiszeit-Forschung noch viele spannende Fragestellungen bereithält, davon ist auch Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und Leiter des Forschungsprojekts „Eiszeitfenster Oberrheingraben“, überzeugt.

„Die aktuelle Studie liefert wichtige neue Erkenntnisse, die eindrucksvoll belegen, dass die Eiszeit nicht überall gleich war, sondern dass es lokale Besonderheiten gab, die zusammen betrachtet ein komplexes Gesamtbild ergeben – ähnlich wie bei einem Puzzle.“

Zum Artikel

Erstellt:
10. Oktober 2025, 11:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen