Internationale Klavierakademie 2.0

Die Murrhardter Meisterkurse stehen vor einem Neuanfang: Gründervater Felix Gottlieb hat sich nach knapp 20 Jahren zurückgezogen, doch mit Christian A. Pohl gibt es einen künftigen, neuen Leiter. Das Team geht zudem mit einer veränderten Konzeption an den Start.

Christian A. Pohl übernimmt die Leitung der Klavierakademie. Er bringt viel Erfahrung in Methodik und Didaktik mit. Foto: privat

Christian A. Pohl übernimmt die Leitung der Klavierakademie. Er bringt viel Erfahrung in Methodik und Didaktik mit. Foto: privat

Von Christine Schick

Murrhardt. Eigentlich sollten die Murrhardter Meisterkurse im vergangenen Jahr ihren 20. Geburtstag feiern. Und im Sommer 2020 sah es zwischenzeitlich sogar so aus, als könnte angesichts der Coronalage vielleicht doch eine Akademie im Herbst möglich sein. Dem war bekanntermaßen nicht so. Etwas eindeutiger entwickelte sich das Szenario in diesem Jahr, die Meisterkurse wurden abgesagt. In diese Unterbrechung fiel dann auch noch ein harter Schnitt, wie Kulturamtsleiter Uwe Matti berichtet. Felix Gottlieb, Gründervater und Leiter der Internationalen Klavierakademie, hatte immer mal wieder anklingen lassen, dass er sich irgendwann zurückziehen wolle, dann allerdings fiel die Entscheidung wirklich. „Für uns hieß es, möglichst zügig zu überlegen, wie und mit wem es weitergehen kann“, erzählt Uwe Matti. Für ihn war klar, dass die Suche nach einer neuen Leitungsfigur vielversprechender sein würde, wenn auch eine gewisse konzeptionelle Offenheit und ein Stück weit Neuorientierung im Prozess möglich sein könnte.

Von seiner Seite aus gab es zwei grundsätzliche Ideen, die er dabei in den Ring werfen wollte. Zum einen hatte sich in den vergangenen Jahren der Wunsch herauskristallisiert, eine Nachwuchsförderung zu ermöglichen, sprich noch jüngeren Menschen die Chance zu geben, in klar abgestecktem, kleinerem Rahmen am Unterricht der Klavierakademie teilzunehmen. Einen ersten Probelauf gab es bei der Klavierakademie 2019 (wir berichteten) bereits. Zum anderen war ihm wichtig, sich in Bezug auf die Meisterkurse in musikpädagogischer Hinsicht noch breiter auszurichten und sehr individuell auf die einzelnen Teilnehmer eingehen zu können.

Pohl kennt die Klavierakademie, hat sie in jungen Jahren selbst begleitet

Diese Überlegungen stießen beim künftigen Wunschpartner auf Resonanz. Uwe Matti hatte bei Professor Christian A. Pohl angeklopft. Er lehrt nicht nur an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig und ist Studiendekan der Fachrichtung Klavier/Dirigieren, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit musikpädagogischen und -didaktischen Fragestellungen. Hinzu kommt aber noch ein weiterer spannender Hintergrund: Christian A. Pohl war in jungen Jahren Schüler von Professor Felix Gottlieb, hat die Klavierakademie mitbegründet und von 2001 bis 2009 in organisatorischer Hinsicht begleitet. Das, was heute Julia Kirschbaum für die Akademie leistet, fiel in diesen Jahren ihm zu.

Als klar war, dass Christian A. Pohl einschlagen würde, ging es für ihn und Uwe Matti daran, gemeinsam an der künftigen Ausrichtung und neuen Konzeption zu arbeiten, und mittlerweile sind die grundsätzlichen Ideen klar. Der Kulturamtsleiter spricht von drei Säulen. Die erste stellt die Förderung besagter noch jüngerer Schüler dar. Infrage kommen beispielsweise Musikschüler oder Stipendiaten, die in ihrem Spiel ein gewisses Niveau erreicht und Erfahrung gesammelt, beispielsweise einen Bundes- oder Landespreis bei Jugend musiziert gewonnen haben. Als mögliche Partner sieht Matti hier die Musikschulen in Murrhardt und Backnang oder die Riebesam-Stiftung.

Die zweite Säule bildet den Kern der Klavierakademie – den Unterricht bei weiterhin drei Professorinnen und Professoren. Die Studenten sollen auch künftig drei Lehrende an die Seite gestellt bekommen, gleichzeitig aber – eine weitere Neuerung – selbst souverän auswählen können. „Es gibt keine feste Zuweisung mehr, dass man bei allen dreien Stunden nehmen muss, ein Student kann einen Schwerpunkt wählen, sich auch nur für zwei oder einen Dozenten entscheiden.“ Das dritte tragende Element sind Zusatzangebote für die Studenten aus dem Bereich der Didaktik und Methodik, um ihnen diesen vorzustellen und Rüstzeug für einen möglichen eigenen Unterricht mitzugeben. Christian A. Pohl hat sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und seine Erfahrungen in einem Buch verarbeitet, das in der Edition Peters erscheint. Pohl hat zudem Professor Gerald Fauth als weiteren Dozenten angesprochen, der ebenfalls aus seinem Fundus schöpfen kann. Um die Teilbereiche ein Stück weit miteinander zu verzahnen, gibt es eine weitere Idee: einzelnen Meisterschülern die Möglichkeit geben, die ganz jungen Teilnehmer zu unterrichten beziehungsweise beim Unterricht der Jungster dabei zu sein. Somit erhält die Klavierakademie eine gute Portion musikmethodischen und -pädagogischen Mehrwert, die Matti nicht nur aufgrund seines eigenen beruflichen Hintergrunds schätzt, sondern auch für die berufliche Perspektive der Studenten für wichtig erachtet. Nicht alle werden als reine Konzertpianisten zum Zuge kommen und ihr Geld verdienen können, so seine Überlegung. Als gemeinsame Grundüberzeugung formuliert er: „Wir sollten bestrebt sein, jedem Studenten die bestmögliche Ausbildung zukommen zu lassen.“

Auch in einer weiteren Hinsicht möchte das Team den Studenten entgegenkommen, was auch schon 2020 greifen sollte. Um die Kosten der Akademie für die jungen Leute zu reduzieren, wird sie zeitlich verkürzt, die rund zwei Wochen sollen auf etwas mehr als eine Woche komprimiert werden. Zudem war in den vergangenen Jahren für Uwe Matti zu merken, dass nicht nur andere Meisterkurse ähnliche Ausrichtungen konzipiert und vergleichbare Angebote wie Murrhardt gemacht haben, sondern sich auch die Studenten nicht mehr so stark gebunden fühlen und sich vergleichsweise spontan für einen Meisterkurs entscheiden.

Nicht zuletzt heißt es mit dem Pfund Murrhardt und Umgebung zu wuchern. Die Stadt hat den Vorteil der kurzen Wege und die Chance, sich stark aufs künstlerische Arbeiten konzentrieren zu können. Das Ambiente lädt dazu ein, in entspannter Atmosphäre zu studieren, berichtet Matti von einem der Punkte, die Christian A. Pohl hier auf die Liste setzt. Wichtig sei ihm außerdem der Austausch unter den Lernenden und Lehrenden und das nicht nur am Klavier, sondern auch mal nach Übungsschluss. „Auch die menschliche Seite ist wichtig.“

Die Internationale Klavierakademie wird sich konzeptionell verändern – trotzdem stehen die Musik, das Spiel und die Kunst, Instrument und Werk zum Sprechen zu bringen, weiter im Mittelpunkt. Foto: J. Fiedler
Das Dozententrio für die erste Akademie unter neuer Leitung steht schon fest

Künftiger Leiter Christian A. Pohl übernimmt die Internationale Klavierakademie Murrhardt. Für die nächsten Meisterkurse werden Professorin Rena Schereschewskaja, Professor Gerald Fauth und er den Unterricht bestreiten. Pohl hat nach seinem Abitur in Esslingen Klavier an der Musikhochschule in Freiburg studiert, wo er später auch Lehrbeauftragter für Klavier war. Nach weiteren Stationen unter anderem als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart wurde er 2009 Professor für Klavier und Klaviermethodik an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. 2010 hat Pohl die Leipziger Klaviermethodikseminare ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Gerald Fauth hat er 2012 die Internationale Mendelssohn-Akademie Leipzig gegründet und leitet sie bis heute. Weitere Informationen zu seinem Schaffen findet sich im Netz auf www.christian-pohl.com.

Künftige Klavierakademie

Im Zuge der Neuausrichtung wird auch die Homepage der Akademie überarbeitet. Dem Team schwebt vor, die Meisterkurse für 25 bis 27 Pianistinnen und Pianisten anzubieten. Hinzukommen sollen etwa fünf weitere jüngere Schüler. Die Teilnehmerkonzerte sollen auch künftig stattfinden. Eine Überlegung ist, dass zudem auch der eine oder andere Dozent ein Konzert bestreitet.

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Erstellt:
2. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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