Keine guten Aussichten für den Wald

Der Klimawandel ist längst bei uns angekommen. Insbesondere im Forst zeigt sich, welche Auswirkungen Trockenheit, Hitze und Extremwetterereignisse haben. Die Stadt kann froh sein, wenn die Schadensaufarbeitung sie künftig nicht zusätzlich Geld kostet.

Die Schäden durch Sturmtief Sabine im Februar haben gezeigt, wie verwundbar und angeschlagen der Stadtwald mittlerweile ist. Archivfoto: D. Seitz

© D. Seitz Revierförster Murrhardt

Die Schäden durch Sturmtief Sabine im Februar haben gezeigt, wie verwundbar und angeschlagen der Stadtwald mittlerweile ist. Archivfoto: D. Seitz

Von Christine Schick

MURRHARDT. Das Bild, das Kreisforstamtsleiterin Dagmar Wulfes und Murrhardts Revierförster Dieter Seitz und Andreas Schlär in ihren Berichten vor dem Murrhardter Gemeinderat zeichneten, war weder überraschend noch ermutigend. Dass der Wald mit Hitze, Trockenheit, Sturm und infolgedessen mit Käferbefall kämpft, war seit 2018 immer wieder Thema. Dagmar Wulfes bezeichnete die Situation denn auch als europäische Waldkatastrophe. Dieter Seitz machte deutlich, wie anfällig und verwundbar der Wald mittlerweile gerade für Unwetterereignisse ist. Das Sturmtief Sabine im Februar habe mit Windgeschwindigkeiten von rund 80 Kilometern pro Stunde – im Vergleich zu Lothar mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde eigentlich nicht so drastisch – „3500 Festmeter auf den Boden gerissen“, was rund einem Drittel des Schadholzes 2020 entspricht.

Weil viele Bäume an unzugänglichen Stellen lagen oder gar nicht erst entdeckt wurden, konnte sich der Borkenkäfer entsprechend gut vermehren. Der Einschlag lag bei ungefähr 160 Prozent der geplanten Menge. Auch der weitere Jahresverlauf brachte mit insgesamt zu hohen Temperaturen und zu geringen Niederschlägen keine Erholung. „Der Wald stirbt weiter. Es ist immer noch zu trocken“, sagte Dieter Seitz, der auch für die Zukunft keine gute Aussichten ausmachte. Neben der Kalkung, die für das Team ein großer Arbeitsposten gewesen sei, standen zahlreiche Einschläge auch vor dem Hintergrund der Verkehrssicherungspflicht wegen Umsturzgefahr der Bäume auf dem Programm. Weitere Themen waren die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners (Parkplatz Riesberg) sowie Reaktionen auf die starke Präsenz von Waldbesuchern und Touristen wegen Corona bis hin zur Absperrung von Wegen wegen des Nicht-einhalten-Könnens der Abstände und Müllentsorgung. Darüber hinaus setzten die Mitarbeiter rund 3000 Jungpflanzen, unter anderem Eichen, Esskastanien, Kirschen und Douglasien, an Stellen, die nicht über den Wald selbst wieder reguliert werden – „dort, wo uns die Tanne von der Natur geschenkt wird“.

Dagmar Wulfes ging darauf ein, wie sich der Wald verändern wird und sich über eine Förderung bestimmter Baumarten möglicherweise auch eine Anpassung an die Klimaveränderung erreichen lassen könnte. Die Fichte, früher prägend für das Waldbild, spielt in der Planung eine untergeordnete Rolle und ist mit einem Anteil von zehn Prozent verzeichnet. Der Tanne rechnet Dagmar Wulfes zumindest an den Nordhängen noch gewisse Überlebenschancen ein. Künftig wird mehr auf Mischbaumarten gesetzt, die mit Wärme und Trockenheit besser zurechtkommen und trotzdem in Bezug auf den Holzertrag ihre Leistung erbringen können. „Sie werden diesen Baumartenwechsel noch miterleben“, sagte die Kreisforstamtsleiterin. Für den Stadtwald sind unter anderem Eiche (nicht in Siedlungsnähe), Robinie, Elsbeere, Baumhasel und als Nadelbäume Douglasie oder Atlaszeder vorgesehen.

Andreas Schlär, der vorausblickte, kündigte an, dass 2021 noch viel Schadholz aufzuarbeiten sei – sowohl innerhalb als auch an den Rändern des Waldes, bereits jetzt sichtbar an den markierten Bäumen beispielsweise entlang der Riesbergstraße. Man sei damit konfrontiert, dass Bäume sehr schnell absterben und ihre Standsicherheit verlieren. Dass der Einschlag so über die ganze Fläche erfolgen muss, macht die Arbeiten insgesamt teurer, weil sie sich dezentraler, aufwendiger und mit mehr Verkehrssperrungen gestalten. Die Umstellung hin zu klimastabileren Beständen geschehe in kleineren Schritten. Insgesamt sollen dabei niedrigere Baumarten mit tieferen Wurzeln und gleichzeitig trotzdem schnell wachsendem Holz zum Zuge kommen beziehungsweise gefördert werden. Schlär rechnet mit der Pflanzung von rund 3000 Jungbäumen auf Flächen mit entsprechenden Lücken.

Ob der Einschlag erhöht werden soll, wird im Frühjahr entschieden.

Dagmar Wulfes geht davon aus, dass die Planung für 2021 etwas besser als fürs aktuelle Jahr aussieht. Unter dem Strich will man mit einem positiven, wenn auch bescheidenen Plus von rund 3500 Euro abschließen. Dies ermöglichen auch Hilfen des Landes über 60000 Euro bei der Schadholzaufarbeitung und Neupflanzung. Was die geplante Holzernte angeht, bot die Forstamtsleiterin an, gemeinsam bei einem Waldgang im Frühjahr darüber zu sprechen, ob man bei den veranschlagten 6000 Festmetern bleiben oder auf rund 8350 Festmeter erhöhen soll. Die Überlegung dabei ist, vom Vorrat des Murrhardter Stadtwaldes zu profitieren und etwas ältere Bäume zu ernten, die unter Umständen dann später vielleicht doch Stürmen oder Käferbefall zum Opfer fallen.

Dies wollte Bürgermeister Armin Mößner vor allem vom Holzpreis abhängig machen. Bei einem Gang durch den Forst könne man sich aber gern noch mal übers Thema austauschen, sagte er. Aus den Reihen des Gemeinderats waren vor allem besorgte Stimmen zu vernehmen. Mario Brenner (CDU/FWV) merkte an, dass die Zeiten eines Waldes im Sinne eines Sparkässles für die Stadt mit dem entsprechenden Holzerlös wohl vorbei und die Aufarbeitungskosten hoffentlich auszugleichen seien. Der Wald sei aber nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten zu betrachten, sondern auch als Naherholungsgebiet wichtig. Zu seiner Frage, in welchen Abständen eine Kalkung voraussichtlich notwendig sei, gab Dagmar Wulfes eine größere Spanne an. Nach der diesjährigen Einbringung, die vor allem noch Auswirkungen des sauren Regens der 1980er-Jahre ausgleichen soll, könne dies bestenfalls in 80 Jahren wieder ein Thema sein, allerfrühestens in 15 Jahren. Ralf Nentwich (MDAL/Die Grünen) macht sich Sorgen um die Zukunft des Waldes. Noch sei nicht genau klar, wie man auf die Lage reagieren und wie die Transformation gelingen könne. Der Wald habe einerseits ein Problem, andererseits sei er auch über seine Rolle als CO2-Speicher Problemlöser und in dieser Hinsicht sehr wichtig. Auch deshalb tat er sich schwer, viele weitere ältere Bäume in die Einschlagsplanung mit hineinzunehmen, wobei Dagmar Wulfes betonte, dass die Entscheidung bei Stadt und Gemeinderat liege, sie als Dienstleister nur bestimmte Angebote unterbreiten wollten.

Elisabeth Zenker (SPD) merkte an, dass der Klimawandel nun mit einer hohen Geschwindigkeit durchschlage und die Maßnahmen gegen den Eichenprozessionsspinner wichtig seien, die für Waldbesucher bedrohlich werden könnten. Wer im Forst unterwegs sei, registriere die großen Schäden und die Tatsache, dass man mit dem Einschlag kaum noch hinterherkomme, sagte Markus Blank (UL). Nach weiteren Detailfragen segnete der Gemeinderat den Betriebsplan für den Stadtwald 2021 unisono ab.

Erntekosten übersteigen den Ertrag für das Schadholz

Das Forstwirtschaftsjahr 2020 ist erneut geprägt vom europaweiten mit Schadholz überfluteten Holzmarkt. Im Rems-Murr-Kreis kommt es erstmalig zu der Situation, dass in einzelnen Wäldern die Holzerntekosten den Holzertrag für das Schadholz übersteigen und die Eigentümer von Kleinprivatwäldern nur durch die Aufarbeitungshilfe des Landes von sechs Euro pro Festmeter kostendeckend arbeiten können. Im Forstamt sind mittlerweile zwei Personen überwiegend mit der Abwicklung von Förderanträgen beschäftigt, wird in den Unterlagen zum Thema erläutert.

In den Jahren 2018 und 2019 sind in Deutschland 200000 Hektar Wald abgestorben, was etwa der Fläche des Saarlands entspricht. In Murrhardt und im ganzen Rems-Murr-Kreis ist man durch einen hohen Anteil standortgemäßer und gemischter Wälder noch vergleichsweise gut aufgestellt. Das seit drei Jahren andauernde Sterben der Hauptbaumarten Fichte, Tanne und Buche führt aber auch hier zu der schmerzhaften Erfahrung, dass aus vorratsreichen, wertvollen Wäldern innerhalb von Wochen abgestorbene Waldteile werden können, so die Vorlage.

Nachdem bei der Stadt Murrhardt für 2020 erstmals ein Defizit aus dem Forstbetrieb in Höhe von rund 25000 Euro einzuplanen war, kann für 2021 ein kleiner Überschuss von 3500 Euro prognostiziert werden. Eine belastende Rolle spielen hier auch die seit 2020 um 25000 Euro gestiegenen Verwaltungskosten, die auf die Forstneuorganisation und die Neuorganisation des Holzverkaufs zurückgehen.

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Erstellt:
14. November 2020, 06:00 Uhr

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