Kommunalwahlen in NRW
Darf Merz sich freuen?
Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen wirken sich auch auf die Politik in Berlin aus. Was das Ergebnis für die Bundesregierung bedeutet – ein Überblick in Fragen und Antworten.

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Das Ergebnis der CDU in NRW liegt über dem Bundestrend – doch das ist wohl kein Erfolg von Kanzler Friedrich Merz (re.).
Von Tobias Peter und Rebekka Wiese
In keinem anderen Bundesland wohnen mehr Menschen als in Nordrhein-Westfalen – 18 Millionen, das ist mehr als ein Fünftel aller Deutschen. Wie die abstimmen, wirkt sich bundesweit aus – weshalb die Kommunalwahlen, die dort am Wochenende stattgefunden haben, nun auch die Bundespolitik in Berlin beschäftigen. Zumal es die ersten großen Wahlen nach Antritt der neuen Bundesregierung waren. Wie der Stimmungstest ausgefallen ist und was das für die Parteien bedeutet: ein Überblick.
Stärkt das Ergebnis Kanzler Friedrich Merz?
Nun ja. Die CDU ist der Sieger. Glanzvoll ist ihr Ergebnis bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen aber auch nicht. Das Ergebnis liegt aber deutlich über dem Bundestrend. Das hinbekommen zu haben, ist ein Verdienst von Kandidaten vor Ort. Sonnen im Erfolg an Rhein und Ruhr kann sich vor allem der dortige Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Hendrik Wüst. Er ist bekanntlich nicht der größte Merz-Fan, sondern hält Merz für nicht mittig genug. In der CDU ist also ein Merz-Rivale gestärkt.
Wie schlimm ist es für die SPD?
In ein drastisches Bild gefasst: Wer Angst davor hat, brutal krankenhausreif geschlagen zu werden, ist fast schon froh darüber, wenn die Tracht Prügel nicht lebensgefährlich ausfällt. Es bestätigt sich der Trend: Das Wort von der „Herzkammer der SPD“ stimmt schon lange nicht mehr – auch wenn einzelne Kandidaten zeigen, dass sie für die Partei überzeugen können. Dennoch ist das Ergebnis nicht so verheerend, dass in der Bundespartei – zusätzlich zu den bisherigen Problemen – sofort etwas ins Rutschen geraten würde. Wie die SPD bei der nächsten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähig sein soll, weiß aber niemand.
Was bedeutet das Ergebnis für die Bundesregierung?
Es verändert sich erst mal nichts. Keiner hat erheblich Luft zum Atmen dazugewonnen, die ihm ermöglichen würde, stärker als bislang auf den anderen zuzugehen. Was auf jeden Fall bleibt, ist der hohe Problemdruck etwa durch die schlechten Wirtschaftsdaten. Auf Reformen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen, werden sich Union und SPD vor allem dann verständigen, wenn beide glauben, davon profitieren zu können.
Wie stark ist die AfD nun im Westen?
Zunehmend etabliert. Nordrhein-Westfalen ist für die AfD kein natürliches Terrain, aber auch dort ist sie jetzt drittstärkste Kraft. Das Ergebnis der Kommunalwahlen ist für die Partei trotzdem ambivalent. Sie ist in Nordrhein-Westfalen stärker denn je, aber trotzdem unter dem Bundestrend. Sie ist mit drei Kandidaten in den Stichwahlen, aber keiner davon hat ernsthafte Aussichten, letztlich gewählt zu werden. Was sich aber mal wieder zeigt: Wo die Menschen das Gefühl haben, dass es für sie wenig Perspektiven gibt, gewinnt die AfD. Das gilt im Westen wie im Osten Deutschlands.
Sind die Grünen jetzt in der Dauerkrise?
Für die Grünen verändert das Ergebnis wenig. Ihre Krise weitet sich nicht aus – aber sie hält an. Dass die Grünen-Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen von einem „Aufwärtstrend“ sprechen, ist jedenfalls stark übertrieben. Ja, das Ergebnis lag leicht über dem der Bundestagswahl. Und bei den Stichwahlen in der kommenden Woche haben sie gute Chancen, mehrere Großstädte zu gewinnen. Aber in Hochburgen nicht zu verlieren, ist noch keine Trendwende. Was mal als Krise der Grünen galt, scheint ihr neuer Normalzustand zu sein.
Wie wichtig waren bundespolitische Themen für die Wahl?
Sehr wichtig. Was auffällt: Die Themen, die den Wählern in Nordrhein-Westfalen jetzt von Bedeutung waren, decken sich mit denen, die die Bundesregierung prioritär angehen wollte. In einer Umfrage gaben 36 Prozent der Wahlberechtigten an, dass Wirtschaft für sie entscheidend gewesen sei. Auf dem zweiten Platz landete das Thema Migration und Integration. Beides sind Themen, für die die Kommunen auch tatsächlich zuständig sind. Doch der Rahmen wird durch den Bund vorgegeben. Die Trendwende, die Kanzler Merz in beiden Bereichen versprochen hatte, scheint vor Ort noch nicht angekommen zu sein.