„Zukunft der Region“
Mercedes-Chef: Deutschland verliert an Attraktivität für Investitionen
Bei Podiumsdiskussion „Zukunft der Region“ fordert Ministerpräsident Kretschmann, die Wirtschaftskraft des Landes nicht aus dem Blick zu verlieren.
© Lichtgut/Max Kovalenko
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Zweiter von links) fordert von Europa „neue Airbus-Projekte“. Auf dem Podium diskutiert er mit Markus Berret (Roland Berger), StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs, Mercedeschef Ola Källenius und Bosch- und Volvo-Aufsichtsrätin Martina Merz (v.l.).
Von Klaus Köster
Die schwierige Lage der Autoindustrie hängt nach Ansicht von Mercedes-Chef Ola Källenius nicht allein mit der Ungewissheit über die Zukunft des Verbrennungsmotors und der weltwirtschaftlichen Lage zusammen, sondern auch mit den Rahmenbedingungen in Deutschland. In Deutschland fänden ungefähr zwölf Prozent des Geschäfts von Mercedes statt; zugleich arbeiteten hier zwei Drittel der weltweiten Belegschaft, und 50 Prozent der weltweiten Investitionen fänden im Inland statt, sagte Källenius bei der Diskussionsveranstaltung „Zukunft der Region“ von Stuttgarter Zeitung, L-Bank und der Unternehmensberatung Roland Berger.
„Man kann uns also wahrlich nicht vorwerfen, dass wir Kapitalflucht betreiben. Aber wenn die Rahmenbedingungen in Deutschland sich stetig verschlechtern und andere in die entgegengesetzte Richtung gehen, dann findet das Kapital in einer Markwirtschaft den Weg dorthin, wo die Rendite unter Berücksichtigung des Risikos am höchsten ist“, so der Mercedes-Chef. „Da müssen wir in Deutschland und in Europa aufpassen.“
Källenius bezog sich dabei auf das geplante Verbrennerverbot der EU im Jahr 2035. Auch wenn Wohl und Wehe der Branche nicht allein von der EU-Regulierung abhingen, führten die bisherigen Pläne doch zu einer Verkleinerung des Marktes, die sich für die Wirtschaft „katastrophal“ auswirken könne.
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach sich dafür aus, beim Klimaschutz die Wirtschaftskraft nicht zu vernachlässigen. Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 sei erkennbar nicht zu erreichen; man müsse das Ziel daher so anpassen, dass es erreichbar sei. Ein Anteil vollelektrischer Fahrzeuge von 90 statt 100 Prozent ab dem Jahr 2035 wäre für ihn auch schon ein großer Erfolg. Zugleich warnte Kretschmann davor, das Ziel des Abschieds vom Verbrenner grundsätzlich infrage zu stellen und so den Eindruck zu erwecken, dieser Technologie gehöre die Zukunft.
Die frühere Thyssen-Krupp-Chefin Martina Merz fordert, den Übergang so zu gestalten, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt. Merz, die unter anderem auch dem Aufsichtsrat von Bosch angehört, erklärte überdies, der Übergang zum E-Antrieb sei nicht einzige Veränderung in dieser Hightech-Industrie, die zudem auf dem Weg zum softwaredefinierten Auto sei. Solche grundlegenden technologischen Veränderungen könne man nicht auf einen Schlag einführen.
Marcus Berret, Global Managing Partner der Unternehmensberatung Roland Berger, hält eine schnelle Entscheidung über den Umgang mit dem Verbrennungsmotor für wichtig, damit die Menschen Klarheit haben und sich mit Käufen nicht länger zurückhalten. Die Unternehmen müssten derzeit „zu viele Kämpfe parallel führen“. Zu diesen zähle der chinesische Markt, auf dem alle Anbieter in Summe nur Verluste schrieben.
Um die Abhängigkeit von China zu verringern, muss Europa nach seiner Ansicht eine Art Airbus-Projekt auf den Weg bringen. Der Flugzeughersteller war als Konsortium von Herstellern verschiedener EU-Staaten gegründet worden und konnte die die damals dominierende Marktstellung des US-Herstellers Boeing brechen. Bei einem solchen Projekt müsse es darum gehen, einen europäischen Champion auf dem Gebiet der Batteriezellen fürs E-Auto aufzubauen. Das könne zwar 50 Milliarden Euro kosten – aber wenn ein Land sich eine solche Investition leisten könne, sei es Deutschland.
Auch Källenius spricht sich für eine europäische Industriepolitik aus, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Zugleich warnt er davor, sich zu stark von China abzugrenzen. Der Wohlstand hänge nach wie vor an der globalen Vernetzung der hiesigen Wirtschaft.
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Winfried Kretschmann berichtet von seinen jüngsten Besuchen bei der EU-Kommission in Brüssel.
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Ola Källenius erklärt, warum die Kosten in Deutschland aus seiner Sicht nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
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Die Reihen in der Rotunde der L-Bank sind dicht besetzt.
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Ein Blick aus den hinteren Reihen Richtung Bühne
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L-Bank-Chefin Edith Weymayr begrüßt das Publikum der Veranstaltung, die von der Stuttgarter Zeitung, Roland Berger und der L-Bank gemeinsam getragen wird.
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Markus Berret von Roland Berger ist überzeugt, dass Deutschland mehr in die Produktion von Batterien für E-Autos investieren muss.
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Martina Merz (r.) sagt, die technologische Transformation erfasse alle Lebensbereiche. Jeder Einzelne müsse bereit sein, sich davon anstecken zu lassen und mit Freude neue Dinge zu lernen.
