Mit dem 100. Stich endet die Jungimkerzeit

Bezirksbienenzüchterverein Murrhardt: Austausch zwischen Einsteigern und Erfahrenen – Einweihung des neuen überdachten Platzes

Martin Karpf gibt Einblick in den Lehrbienenstand. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Martin Karpf gibt Einblick in den Lehrbienenstand. Fotos: J. Fiedler

Von Ute Gruber

MURRHARDT. Seine Feuerprobe hat das neue Bauwerk – der überdachte Sitz- und Veranstaltungsplatz – schon bestanden und zwar längst vor der offiziellen Einweihung. Oder besser gesagt: Die Wasserprobe, denn beim vergangenen Imkertreff am Lehrbienenstand mit dem Tagesthema Königinnenvermehrung, Belegstellen und Zuchtstoff ging mitten im anschaulichen Vortrag von Imkermeister Helmut Reusch ein gewittriger Wolkenbruch auf das gemeindeeigene Gartengrundstück in der Fliesenklinge hernieder. Noch vor einem Jahr hätte sich die Zuhörerschaft fluchtartig aufgelöst, jetzt aber rückten die knapp 30 Bienenfreunde unter dem schützenden Dach nur ein bisschen enger zusammen und ließen sich die praktischen Tipps des erfahrenen Bienenzüchters zeigen.

Der hat außerdem eine erfreuliche Nachricht zum Thema Varroa-Resistenzzucht für die Imker: Zum ersten Mal seien seine Buckfast-Völker 2018 alle unter der Schadschwelle geblieben. Eine Behandlung gegen die todbringenden Milben, die Deutschlands Bienenvölker seit 40 Jahren in eisigem Griff halten, sei nicht nötig gewesen. „Ich konnte es selber kaum glauben! Wär’ schön, wenn das so bleibt.“

Dass das solide Bauwerk der Bezirksbienenzüchter Murrhardt – selbst wenn es nur ein offener Unterstand ist – vom Landratsamt genehmigt wurde, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn laut Naturparkverordnung solle „der Außenbereich von Bebauung frei gehalten werden“, wie Bürgermeister Armin Mößner in seiner Ansprache erklärt. Selbst wenn der Grund und Boden wie im vorliegenden Fall der Stadt gehört. Die Brisanz des Themas Insektensterben und die flankierenden Maßnahmen wie die ausgesäten Blühflächen und die geplante Begrünung der Dachfläche, dazu die mögliche Mitnutzung durch Wanderer auf dem benachbarten Limeswanderweg hätten für die Entscheidungsträger den Ausschlag gegeben.

Für die gute Unterstützung durch die Stadt Murrhardt in dieser Angelegenheit bedankt sich denn auch der Vereinsvorsitzende Rudolf Hofmann ganz herzlich beim Rathauschef und sodann bei seinen Vereinskameraden für deren tatkräftige Mithilfe. Ohne Walter Rau, Ernst Hudelmaier, Marco Härtel, Werner und Manfred Karpf, Jürgen Hofmann, Josef Michalowski, Charles Angelbauer, Ernst Buck, Werner Schepp, Ralf Kiefer sowie Zimmerermeister Alfred Wurst wäre das Bauwerk nämlich nur ein genehmigter Plan geblieben. Den Vorstand selbst nicht zu vergessen.

Alle 14 Tage trifft man sich im Sommer zu Fortbildung und Erfahrungsaustausch hier am Waldesrand unter dem Linderst. Und das seit 20 Jahren, seit unter der Ära von Jürgen Kursawe das Lehrbienenhaus gebaut wurde.

Einsteigern wird der Umgang an Bienenvölkern des Vereins gezeigt

Die Einsteiger bekommen dann an den vereinseigenen Bienenvölkern in der Praxis das gezeigt, was sie zuvor in den Theoriestunden gelernt haben und können so unter erfahrener Aufsicht Berührungsängste zu den wehrhaften Nutztieren überwinden. Jungimkerin Julia Hönig aus Harrenberg etwa hat eigentlich schon seit letztem Jahr eigene Bienen im Garten, aber „muss noch so viel fragen. Deshalb habe ich den Kurs belegt.“ Sie findet es faszinierend, was in dem Bienenvolk übers Jahr so alles passiert und schätzt an dem neuen, naturverbundenen Hobby, dass es doch vergleichsweise wenig zeitaufwendig sei. „Nicht wie bei einem Pferd, nach dem man zweimal am Tag wenigstens sehen muss.“ Für die berufstätige junge Mutter, die zudem noch Jägerin ist, durchaus ein Argument.

Werner Schepp und Gaby Pregitzer, die schon im dritten Jahr dabei sind, stellen dagegen fest: „Das ist viel mehr Arbeit, als wir gedacht haben. Die regelmäßigen Kontrollen und die Honigernte, das Wachsausschmelzen und Rähmchenputzen...“ Der Rentner war beim sommerlichen Bienenfest in Fornsbach von den Demonstrationen und Ausführungen der Imker tief beeindruckt und fragte seine Gaby eines Sonntagmorgens: „Du, was tätsch von Biene halte?“ Inzwischen stehen neben dem Haus vier Völker – „Das langt auch!“ – und man hat so langsam ein Gespür für die Tiere. Das Wohlergehen der Bienen stehe für sie an erster Stelle, erklärt Gaby Pregitzer, der Honig sei zweitrangig. Auch wenn letztlich jeder seinen eigenen Weg finden müsse, halten die beiden einen erfahrenen Imker als beratenden Paten für unerlässlich: „Ohne den Hans Lang wären wir hoffnungslos untergegangen!“ Werner Schepps Garten mitten im Murrhardter Wohngebiet hat sich den Bienen zuliebe deutlich verändert: „Wir lassen viel mehr Unkraut stehen und haben extra Phacelia gesät – da summt’s wie verrückt!“ Löwenzahn statt Golfrasen – die Bienen danken die Fürsorge. Als Einzige der Anwesenden haben Werner und Gaby trotz der ungünstigen Frühjahrswitterung 20 Kilo Blütenhonig geerntet.

Kurskamerad Andreas Kolditz ist auf vielen Gebieten Selbstversorger und schätzt die Bestäubungsleistung der geflügelten Nutztiere: „Wir haben jetzt deutlich mehr Obstertrag, das war meiner Petra wichtig.“ Zusammen stellen sie aus den Früchten Most, Essig, Dörrobst, Marmelade, Mus et cetera her.

Eine andere Kurskollegin kokettiert mit dem Begriff Jungimkerin: „Wie lang gehört man denn dazu? Bin ich das noch?!“ – „Erst nach 100 Stich isch mer koin Jungimker mehr“, meint lapidar einer der Imkerveteranen. „Okay, da fehlen noch ein paar Dutzend“, freut sich die Mittfünfzigerin.

Überhaupt: Die obligatorischen Bienenstiche bei den Arbeiten am Bienenkasten sind neben ausgeräuberten Jungvölkern ein beherrschendes Thema unter den Anfängern, selbst wenn die Routiniers behaupten: „Da gewöhnt man sich dran. Früher war das viel schlimmer.“ Martialische Stichstorys von dicken Lippen, Ohrensausen und zugeschwollenen Augen machen die Runde. „Wenn mich eine am Aug’ sticht“, witzelt da Veteran Siegfried Jung, „dann sag ich zu denen: Wenn ihr des noch mal machet, schau ich euch nimmer an!“ Wohl wahr: Wie dann auch?! Mit kräftigem Rauch und Imkerschleier lässt sich aber das allermeiste verhindern.

Rudolf Hofmann stellt fest, dass die meisten der jährlich 15 Kursteilnehmer trotz Rückschlägen immer noch Bienen halten und etwa die Hälfte sogar dem Verein beigetreten sei. „Die Solidarität in der Gruppe ist Gold wert.“ Seit diesem Jahr werden unter dem neuen Vereinsdach nach Absprache auch Kurzseminare für bieneninteressierte Gruppen angeboten, mit theoretischer Einführung, einem Blick in ein lebendes (Lehr-)Bienenvolk und anschließender Honigverkostung. „Ich denke da an andere Vereine, Firmen oder auch private Gruppen“, erklärt Rudolf Hofmann, der seit einigen Jahren auch jährlich (stets ausgebuchte) Theoriekurse für die Einsteiger abhält. Der Schwäbische Albverein hat das Angebot heuer schon angenommen. Im März, unerwartet bei Schnee, unter dem neuen Dächlein. Gibt es auch eine Schneeprobe?!

Einfach praktisch: Bei Regen und Sonne sind die Mitglieder, Kursteilnehmer, Gäste und Wanderer nun gut geschützt. Bei einer kleinen Feier wurde der neue überdachte Sitz- und Veranstaltungsplatz der Bezirksbienenzüchter eingeweiht.

© Jörg Fiedler

Einfach praktisch: Bei Regen und Sonne sind die Mitglieder, Kursteilnehmer, Gäste und Wanderer nun gut geschützt. Bei einer kleinen Feier wurde der neue überdachte Sitz- und Veranstaltungsplatz der Bezirksbienenzüchter eingeweiht.

Info
Themen des Imkertreffs

Anders als im Programm der Bezirksbienenzüchter Murrhardt ursprünglich vorgesehen, werden die Themen der nächsten Schulungen getauscht: Am 5. Juli geht es um die Varroa-Behandlung, am 19. Juli stehen Bienenprodukte – Schatzkiste der Natur: Ernte von Propolis, Pollen, Bienenbrot, Gelée royale oder Apilarnil – im Mittelpunkt. Zu den 14-tägigen Freitagstreffen um 18 Uhr am Lehrbienenstand sind auch Nichtmitglieder eingeladen.

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Erstellt:
26. Juni 2019, 06:00 Uhr

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