Queerfilmfestival in Stuttgart
„Queere Menschen werden in Filmen lächerlich gemacht oder müssen sterben“
Viele Darstellungen von queeren Menschen in Filmen haben wenig mit der Realität zu tun. Die 18 Filme beim Queerfilmefestival 2025 in Stuttgart können das besser.

© Queerfilmfestival
Johan ist jung, schön und genießt Kopenhagens schwule Szene mit ihren Kneipen, Partys und One-Night-Stands. Eine Szene aus dem Film „Sauna“. Der Film wird auf dem Queerfilmfestival in Stuttgart am Freitag, 5. September, um 20 Uhr gezeigt.
Von Frederik Herrmann
Wenn Phillip Schmölz an frühere Filme zurückdenkt, ärgert er sich. „Wenn überhaupt mal queere Menschen in Filmen gezeigt wurden, dann hatten diese oft wenig mit der Realität zu tun.“ Denn der 37-Jährige kennt queere Menschen und weiß, was sie beschäftigt. Er arbeitet für BerTA Stuttgart, eine Beratungsstelle für Regenbogenfamilien, und ist zudem an der Organisation des Queerfilmfestivals Stuttgart beteiligt. Die Filme, die dort gezeigt werden, seien dagegen näher dran an dem, was queeres Leben ausmacht, sagt er.
18 Filme über queeres Leben und Identität
Vom Donnerstag, 4. September, bis Mittwoch, 10. September, zeigt das Festival im Delphi Arthaus Kino (Tübinger Str. 6, 70178 Stuttgart) 18 verschiedene Filme, die queeres Leben und Identität vermitteln.
„Diese Filme sind wichtig, um die Lebensrealität von queeren Menschen zu zeigen“, sagt Schmölz.
Früher wurden schwule Männer in Filmen häufig lächerlich dargestellt oder auf überzogene Stereotype reduziert. Ein Paradebeispiel ist der alte Bulli-Film „Der Schuh des Manitu“: Dort betreibt der schwule Indianer Winnetouch die „Puder-Rosa-Ranch-Salon“, ist schrill, laut, pink und feminin. „Ein Stereotyp, das nicht auf alle schwulen Männer passt“, erklärt Schmölz. Ähnliche Rollen finden sich etwa in der Sat.1-Komödie „Die Wochenshow“, in der Bastian Pastewka den schwulen Brisko Schneider spielt – ebenfalls Friseur.
Ein weiteres Problem: Queere Figuren mussten in Filmen häufig sterben. Dieses als „Bury Your Gays“ bekannte Phänomen zeigt sich an dem Liebesdrama „Brokeback Mountain“ (2005), in dem der Cowboy Ennis am Ende stirbt. Unklar ist, ob er bei einem Unfall ums Leben kommt oder einem queerfeindlichen Mord zum Opfer fällt.
Auch in der Serie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ (1997-2003) stirbt die lesbische Hauptfigur Tara Maclay. „Am Ende blieb immer der Eindruck, dass ihre Liebe gefährlich ist und bestraft wird“, so Schmölz.
Queerfilmfest in Stuttgart zeigt andere Perspektiven
Anders ist es beim Queerfilmfest Stuttgart: Die 18 Filme beleuchten die Sichtweisen der Charaktere und stellen queeres Sein als normal oder empowernd dar. So erzählt beispielsweise „Lesbian Space Princess“ eine animierte Heldinnen-Geschichte mit queeren Figuren, während „Janine zieht aufs Land“ von Jan Eilhardt, selbst genderfluid, die junge Janine begleitet, die in ihr Heimatdorf zurückkehrt, wo sie toxischer Maskulinität begegnet, der sie einst entkommen wollte. Anders als damals kämpft sie jetzt um Zugehörigkeit.
Den Auftakt in Stuttgart am Donnerstag, 4. September, um 18.30 Uhr macht „Queerpanorama“. Der Film von Jun Li zeigt das Leben eines jungen Mannes in Hongkong, der sich von einem Sex-Date zum nächsten treiben lässt.
Autobiografische Züge weist „Kaktusfrüchte“ auf, in dem Regisseur Rohan Parashuram Kanawade von seinen eigenen Erfahrungen als queerer Mensch im ländlichen Indien berichtet. Weitere Filme wie „Sauna“ von Mathias Broe thematisieren kritische Männlichkeitsbilder unter schwulen Männern, während „Scham“ von Lukas Röder die Folgen sexueller Gewalt beleuchtet. Geschichten der Selbstfindung junger queerer Menschen stehen im Mittelpunkt von „Skinny Love“ von Sigurður Anton Friðþjófsson und „Enzo“ von Robin Campillo.
Eine filmische Langzeitstudie über das Erwachsenwerden präsentiert Lotta Schwerk mit „Ninja Motherf*cking Destruction“. Bei der Vorstellung am Mittwoch, 10. September, um 18.30 Uhr wird die Darstellerin Emma Suthe ebenfalls anwesend sein und Fragen beantworten.
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„Queerfilmfestival kann zu mehr Verständnis unter heterosexuellen Menschen beitragen“
„Solche Filme hätte ich mir in meiner Jugend gewünscht“, sagt Schmölz. „Sie vermitteln jungen queeren Menschen: Du bist nicht allein.“
Das Queerfilmfest Stuttgart richtet sich dabei nicht nur an die queere Community. „Die Filme können auch zu mehr Verständnis bei heterosexuellen Menschen beitragen“, betont Schmölz. Neben Stuttgart findet das Queerfilmfestival in zehn weiteren Städten statt.
Weitere Informationen zum Programm finden Sie unter: https://arthaus-kino.de/queerfilm/