Rathaussturm – kontaktlos

Die Murreder Henderwäldler gaben sich am Donnerstagabend zwar gewohnt selbstbewusst, aber ihr Projekt war natürlich kein ganz einfaches: Den Amtssitz von Bürgermeister Armin Mößner digital in Beschlag zu nehmen.

Zunftmeisterin Diana Spreu ist im klassischen Hemdglonker-Outfit zum virtuellen Rathaussturm angetreten, zugeschaltete Henderwäldler ebenfalls. Im Rathaus hat sich Bürgermeister Armin Mößner mit ein wenig Dekoration auf den Auftakt der etwas anderen Fasnetssaison eingestimmt. Seinen Amtssitz wird er aber selbstbewusst verteidigen. Foto: Murreder Henderwäldler

Zunftmeisterin Diana Spreu ist im klassischen Hemdglonker-Outfit zum virtuellen Rathaussturm angetreten, zugeschaltete Henderwäldler ebenfalls. Im Rathaus hat sich Bürgermeister Armin Mößner mit ein wenig Dekoration auf den Auftakt der etwas anderen Fasnetssaison eingestimmt. Seinen Amtssitz wird er aber selbstbewusst verteidigen. Foto: Murreder Henderwäldler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Keine Frage, für viele ist die Lage aufgrund der ungewissen Zukunft nicht wirklich spaßig. Und doch möchten die Murreder Henderwäldler zumindest ein wenig närrischen Sound in die Zeit bringen, in der sie normalerweise ihren Pflichten als Wasserfratzen, Feuerbarthl, Tannenzapfenhurgler, Hotz, Hexenturmweible und Nachtkrabb nachkommen.

Tja, aber wie stürmt man als Narr in Zeiten mutierender Viren am besten ein Rathaus? Mit viel Abstand und Maske? Oder noch besser kontaktlos? Das Mittel der Wahl ist dieser Tage in der Regel die Verlegung ins Netz. Also haben es sich die Murreder Henderwäldler von Bürgermeister Armin Mößner nicht zweimal sagen lassen, es doch mal mit einem virtuellen Rathaussturm zu versuchen, zu dem dann auch Stadträte, Mitglieder und Gäste per Link eingeladen wurden.

Als kleines Intro serviert die Murrhardter Narrenzunft zu Beginn ein paar digitale Eindrücke vergangener Tage: Henderwäldler in Hemdglonker-Tracht, sprich weißen Nachthemden und grün-weiß gestreiften Schlafmützen, die mit dem Narrenbaum vors Rathaus ziehen, mit dem Nachwuchs an der Eingangstür rütteln und den Amtssitz einnehmen, dann ein abgeführter Bürgermeister gefolgt von städtischen Mitarbeitern und Stadträten, die im Großkäfig landen, und schließlich auch einige Umzugsimpressionen.

Nachdem Zunftmeisterin Diana Spreu die Zuschauer am Bildschirm mit dem Henderwäldler-Narrenruf begrüßt hat, muss sie zunächst improvisieren. Beim virtuellen Rathaussturm gibt es noch ein paar kleine technische Anlaufschwierigkeiten. Kein Wunder, ist es doch der erste in der Geschichte der Narrenzunft. „Ich hoff’, ihr habt’s euch alle gemütlich gemacht und habt eure Nachthemdle an. Dann werden wir das schon alles hinbekommen“, sagt Diana Spreu und schiebt ein charmant selbstironisches „Vielleicht“ hinterher. Nach ein paar Minuten, die am Bildschirm meist viel länger wirken, informiert sie dann, dass die Präsenz der Stadtverwaltungsspitze noch zu wünschen übrig lässt, und es mit der Verbindung nicht so richtig klappt. „Der Bürgermeister scheint irgendwie verloren gegangen zu sein, oder er hat die Firewall ganz weit hochgezogen“, um sich vor den närrischen Zugriffen zu schützen. Das wiederum lässt im Kopf des Zuschauers durchaus noch mal handfestere Möglichkeiten einer virtuellen Übernahme auftauchen. Das erneute Einspielen der Erinnerungsbilder erlöst Diana Spreu kurz, dann tritt Bürgermeister Armin Mößner doch ganz überraschend auf den digitalen Plan und der traditionelle Schlagabtausch kann beginnen.

Das Stadtoberhaupt stellt klar, dass es vor allem eins will: ungestört weiterarbeiten. „I schaff mei Sach’ besser ohne Narrenkrach!“ Die Zunftmeisterin kontert, dass dabei wohl kaum mehr als analoge Tintenflecken zustande kämen und die Fasnet viel zu wichtig sei, nicht einfach außen vor gelassen werden könne. Zur Not müsse man halt mit Maske ins Büro kommen. Mößner hält trocken dagegen. Die Henderwäldler sollten nicht unverbesserlich wie die Muck ins Kerzenlicht fliegen, Ruhe geben und dem Amtssitz einfach fernbleiben. Bei allem Murren muss die Henderwäldler-Chefin dann auch zugeben, dass sich Armin Mößner und das städtische Team als Unterstützer beim Landesnarrentreffen im Januar 2020 recht wacker geschlagen haben, und versucht so, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ihr Vorschlag: ein Sonderurlaub für die Verwaltungstruppe „mit mehr Zeit auf der Gass’, da hätten die auch ihren Spaß!“

Doch auch wenn Mößner seine Anerkennung durchblicken lässt, gibt er sich entschlossen bodenständig. Trotz der erfolgreichen Gastgeberhistorie und nun auch noch verliehenen Immaterielles-Weltkulturerbe-Botschafter-Funktion sollten es die Narren nicht übertreiben. Diana Spreu nimmt noch einen Anlauf. Könnte es für den Bürgermeister nicht auch schön sein, ein paar Tage zu Hause bei den Liebsten zu verbringen? Die Henderwäldler würden das ganz selbstlos möglich machen. „Jetzt sei koi Brummelbär, gib’ d’r Schlüssel her“, lockt sie pädagogisch verständnisvoll und bekommt als Retourkutsche eine lange Liste der vielen städtischen Projekte, denen sich der Bürgermeister widmen muss.

Schließlich raufen sich die beiden zusammen. Diana Spreu beruhigt den Bürgermeister, dass die Narren doch zu Hause bleiben, er sich aber auf ihr Wiederkommen einstellen muss. Und Armin Mößner deutet an, dass er damit im kommenden Jahr auch fest rechnet und sich auf die Aussicht, wieder live zu feiern, freut. Bleibt der Zunftmeisterin noch ein Abschiedsgruß über die heimischen Bildschirme und der Hinweis, dass die Murreder Henderwäldler in der Stadt trotzdem ein paar analoge Fasnetsmarken gesetzt haben – mit einem Narrenbaum vor dem Rathaus, der nicht nur symbolisch Kopf steht, Bannern, Plakaten und Bildern der Murrhardter Narren.

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Erstellt:
13. Februar 2021, 06:00 Uhr

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