Resultat freier und bewusster Beobachtung

Städtische Kunstsammlung Murrhardt zeigt zum 75. Geburtstag von Heiner Lucas bislang unveröffentlichte Werke des Künstlers

Bilder aus einer frühen Schaffensperiode, die noch nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und Stadtansichten von Murrhardt sind in der Ausstellung „Heiner Lucas. Zum 75. Geburtstag“ in der Städtischen Kunstsammlung Murrhardt zu sehen. Gestern fand die Vernissage im gut besuchten Heinrich-von-Zügel-Saal statt.

In der Ausstellung waren Werke zu sehen, die bis in die 1970er-Jahre zurückgehen, wie etwa das „Selbstporträt mit Zigarette“Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

In der Ausstellung waren Werke zu sehen, die bis in die 1970er-Jahre zurückgehen, wie etwa das „Selbstporträt mit Zigarette“Fotos: J. Fiedler

Von Claudia Ackermann

MURRHARDT. Bis in die 1970er-Jahre geht die Entstehung der Bilder von Heiner Lucas zurück, die nun erstmals ausgestellt werden. Wie das „Selbstportrait mit Zigarette“ von 1976, das einen jungen, bärtigen Mann mit dunklem Haar und ausdrucksvollem Blick zeigt. Der Künstler, der im März dieses Jahres seinen 75. Geburtstag feierte, lebte in den 1970er- und 1980er-Jahren zeitweise in Frankreich, Italien und Belgien. Ein Teil seiner Arbeiten befand sich bis vor kurzem bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin Marie Cornil, die in Brüssel lebt.

Grußworte bei der Eröffnung sprach Bürgermeister Armin Mößner, der darauf hinwies, dass die Städtische Kunstsammlung dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Musikalisch umrahmt wurde die Vernissage von Henriette Schöwitz (Gesang) und Alexander Konrad am Flügel, beide Lehrkräfte der Musikschule Schwäbischer Wald – Limpurger Land.

Eine Einführung hielt Ernst Hövelborn, erster Vorsitzender des Backnanger Heimat- und Kunstvereins. Bei dem frühen Selbstportrait von Heiner Lucas könne man durchaus von einem Charakterkopf sprechen, führte er aus: „Wir sehen vor uns das Portrait einer eigenwilligen und selbstbestimmten Persönlichkeit, in der Darstellung das Resultat einer freien und bewussten Beobachtung des äußeren und inneren Menschen.“

Zu den frühen Arbeiten gehört auch ein Portrait der belgischen Ärztin und Psychiaterin Marie Cornil. Das großformatige Bild, das im Jahr 1981 entstand, wurde nicht fertiggestellt. Ein Stück der Leinwand ist bei der Ausstellung eingerollt. Den überlebensgroßen Kopf hat Heiner Lucas an den anderen Bildrand gestellt, der schwungvoll im Farbklang von Rot, Blau, Gelb und Weiß gemalt ist. In den Augen spiegelt sich der Künstler bei der Arbeit. Beim genauen Hinschauen entdeckt der Betrachter einige handschriftliche, französische Zeilen, die mit Bleistift geschrieben wurden. Marie Cornil hat sie hinzugefügt, wahrscheinlich lange nachdem er das unvollendete Werk bei ihr zurückgelassen hatte, vermutet Lucas.

Zu den Bildern aus seiner Zeit in Belgien gehören auch Ausblicke aus dem Fenster eines Gartenhauses, das er bewohnte. „Küchenfenster `Brimborion´ Hoeilaart“ heißt ein großformatiges Werk von 1981. Alltagsgegenstände stehen auf der Fensterbank, wie Putzmittel oder eine leere Getränkedose. Das Fenster gibt den Blick auf einen Garten mit kleinem Kiefernwald frei. Der Ausblick aus einem anderen Fenster hat etwa einen Wäscheständer im Vordergrund. Spiegelungen sind auch hier ein Thema. So finden sich Gegenstände aus dem Haus oder Teile der Vegetation des Gartens in den geöffneten Fensterscheiben wieder.

Seit 1983 lebt und arbeitet Heiner Lucas in Murrhardt. Das Bild „Düsenjäger über Eduards Scheuer, Hohenklingen“ ist 1984 entstanden und in einer Vitrine zusammen mit einem handschriftlichen Gedicht des Bildhauers und Dichters Eduard Wilhelm ausgestellt, der laut einer Information daneben der Erfinder einer Spätzle-Schab-Maschine war. Zu den ausgestellten Murrhardt-Bildern gehört etwa „Leonardo da Vinci und Murrhardt“ (2017). In die Stadtansicht mit der Walterichskirche und der Schweizerfabrik ist die in Farbe umgesetzte Zeichnung „Kind im Uterus“ von Leonardo da Vinci integriert. Bei „Taubenfeder im Frühling“ (2005), worauf die Walterichskirche von hinten zu sehen ist, bildet eine Feder den Vordergrund. Eine Stadtansicht zeigt den Ausblick aus dem Atelier des Künstlers, von dem aus sein Wohnhaus zu sehen ist. Die Farbe ist in Farbpartikel zerlegt, und in einem zerbrochenen Spiegel taucht das immer wiederkehrende Motiv der Spiegelungen auf.

Die Ausstellung kann noch bis zum 1. Dezember besichtigt werden und
ist an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
Der Eintritt kostet drei Euro.

Ernst Hövelborn würdigte das Schaffen des Künstlers und bezeichnete ihn als Charakterkopf.

© Jörg Fiedler

Ernst Hövelborn würdigte das Schaffen des Künstlers und bezeichnete ihn als Charakterkopf.

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Erstellt:
11. November 2019, 06:00 Uhr

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