Lager Sde Teiman in Israel

Skandal um veröffentlichtes Folter-Video

Israels Militärstaatsanwältin Yifat Tomer-Yerushalmi soll den Leak eines Video erlaubt haben, das die Misshandlung eines Häftlings durch Sicherheitskräfte zeigt.

Die  Zustände im Lager   Sde Teiman waren schon oft Anlass für  Proteste.

© imago/Zuma Press Wire

Die Zustände im Lager Sde Teiman waren schon oft Anlass für Proteste.

Von Mareike Enghusen

Teile des Videos sind verpixelt, dennoch wirkt die Szene beklemmend: Vermummte Sicherheitsleute zerren einen Mann durch eine Halle, vorbei an Dutzenden Häftlingen, die bäuchlings auf dem Boden liegen. Was sie ihm anschließend antun, spielt sich hinter einem Sichtschutz ab. Doch die Vorwürfe sind erschütternd. Die israelischen Soldaten, die in dem Video zu sehen sind, sollen den palästinensischen Gefangenen geschlagen, getreten und mit einer Metallstange sexuell misshandelt haben. Das Video ist nicht neu – doch der politische Skandal darum ist es. Die Aufnahmen, die aus dem Gefangenenlager Sde Teiman im Süden Israels stammen, wurden bereits im August 2024 an den israelischen Fernsehsender Kanal 12 geleakt. Damals lösten sie scharfe Diskussionen aus über die Zustände in dem Lager. Kurz zuvor hatte die Staatsanwaltschaft bereits fünf Reservisten angeklagt: Sie sollen einem Gefangenen schwere Verletzungen zugefügt haben, darunter in der Lunge und im Enddarm. Das Video schien die Vorwürfe zu erhärten.

Seit Freitag ist bekannt, wer den Leak absegnete: die oberste Militärstaatsanwältin, Generalmajor Yifat Tomer-Yerushalmi. Nachdem die Polizei kurz zuvor eine Untersuchung des Leaks begonnen hatte, räumte Tomer-Yerushalmi ihre Verantwortung ein und verkündete ihren Rücktritt. In der Nacht auf Montag wurde sie verhaftet, nachdem sie am Tag zuvor nicht zu einer angesetzten Befragung erschienen war und kurzzeitig als vermisst gegolten hatte.

Rechts-religiöse Koalition versucht, Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen

Der Skandal reicht weit über die Person Yifat Tomer-Yerushalmi hinaus. Kritiker der Regierung sehen darin das jüngste Beispiel dafür, wie die rechts-religiöse Koalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versucht, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen. Schon mit Blick auf die Strafverfolgung der mutmaßlich gewalttätigen Reservisten hatten Regierungsvertreter Tomer-Yerushalmi angegriffen. „Ich fordere die oberste Militärstaatsanwältin auf: Finger weg von den Reservisten!“, schrieb damals Finanzminister Bezalel Smotrich auf der Plattform X. In ihrem Rücktrittsschreiben erklärte Tomer-Yerushalmi nun, die Veröffentlichung des Filmmaterials habe sie „in dem Versuch genehmigt, der falschen Propaganda gegen die militärischen Strafverfolgungsbehörden entgegenzuwirken“.

Dafür gerät sie nun erst recht in das rhetorische Feuer der Rechten. Netanjahu bezeichnete den Leak als „schlimmste PR-Attacke gegen Israel aller Zeiten“. Regierungsvertreter attackieren auch die Staatsanwältin Gali Baharav-Miara wegen ihrer unabhängigen und oft regierungskritischen Haltung. Netanjahu und seinen Verbündeten ist sie seit langem ein Dorn im Auge. Guy Levy, Sprecher von Netanjahus Likud-Partei, warf Baharav-Miara in einem X-Post „ungeheuerliche Justizbehinderung“ vor, da diese nicht gegen Tomer-Yerushalmi vorgegangen sei. Die Generalstaatsanwältin müsse umgehend verhaftet werden.

Schon früher Missstände im Gefangenenlager Sde Teiman bekannt

„Wir sehen eine populistisch-nationalistische Regierung, die gegen die Rechtsstaatlichkeit arbeitet und eine Erzählung konstruiert, die die wichtigsten Hüter der israelischen Justiz zu Feinden der Soldaten erklärt“, sagt die Politikwissenschaftlerin Gayil Talshir von der Hebräischen Universität in Jerusalem im Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Generalstaatsanwältin ist die eigentliche Person, auf die sie es abgesehen haben, weil sie die Hauptanklägerin im Prozess gegen Netanjahu ist.“

Schon in der Vergangenheit hatten CNN, New York Times, Haaretz und andere Medien verstörende Missstände im Gefangenenlager Sde Teiman aufgedeckt: Frühere Inhaftierte berichteten von Schlägen, Demütigungen und der Vernachlässigung von Verletzungen. Die mutmaßliche Vergewaltigung war wohl nur die Spitze des Eisbergs.

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Erstellt:
3. November 2025, 17:14 Uhr

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