Sommerlektüre für die ganze Familie

Urlaubszeit ist Lesezeit: Bücher können unterhalten, inspirieren, den Horizont erweitern oder auch mal trösten. Das Team der Stadtbücherei Murrhardt hat für die Ferien, egal ob es auf eine Reise geht oder in die heimische Hängematte, Tipps zusammengestellt.

Zwar kann das Büchereicafé zurzeit nicht stattfinden, Silke Peter, Jutta Brasch, Gunda Altherr und Heike Kronmüller (von links) haben trotzdem jede Menge Lesetipps zusammengetragen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Zwar kann das Büchereicafé zurzeit nicht stattfinden, Silke Peter, Jutta Brasch, Gunda Altherr und Heike Kronmüller (von links) haben trotzdem jede Menge Lesetipps zusammengetragen. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Das Team um Leiterin Jutta Brasch hat 2017 das Büchereicafé ins Leben gerufen. Bei den Treffen stellen die Mitarbeiterinnen regelmäßig ihre ganz persönlichen Leseempfehlungen vor. Allerdings pausiert das Angebot nun coronabedingt. Auch wenn die Vorstellung vor Publikum wegfällt, finden sich in der Bücherei die bisher ausgewählten Bände in einer Schmökerkiste und sind entsprechend gekennzeichnet. „Das sind über 100 Empfehlungen“, sagt Jutta Brasch, und die hohen Ausleihzahlen dieser Bände sprechen für sich. Für die Ferien hat das Team außerdem noch mal ein Lektüre-Empfehlungspaket geschnürt – und zwar für die ganze Familie.

„Die Geschmäcker im Team sind ganz unterschiedlich und so kommt eine gute Mischung zusammen.“ Die enthält Literatur für die Erwachsenen genauso wie für die Jüngsten. Die Mitarbeiterinnen erzählen begeistert von ihrer Lektüre. Es wird deutlich, dass Lesen viele Funktionen erfüllt, angefangen bei der Herzensbildung über unterhaltsames Lernen bis hin zu spielerischem Sprachtraining, und nicht selten ergibt sich eine gute Mischung der verschiedenen Aspekte.

Gunda Altherr hält den Roman „Das Gedächtnis des Herzens“ von Jan-Philipp Sendker (Karl-Blessing-Verlag, 2019, ISBN 978-3-89667-502-6) nach oben. Sie ist nicht nur von der Sprache fasziniert, sondern auch davon, wie die Geschichte die verschiedenen Formen von Liebe und das Thema Verzeihen mit dem Eintauchen in die afrikanische Kultur verbindet. Im Mittelpunkt steht der zwölfjährige Bobo, der bei seinem Onkel in Burma lebt. Es beschäftigt ihn sehr, dass sein Vater ihn nur selten besucht und er praktisch nichts über seine Mutter weiß. Schließlich ringt sich sein Onkel dazu durch, ihm zu erzählen, dass deren Liebe – der Vater ist ebenfalls aus Burma, die Mutter Amerikanerin – die unterschiedlichen Kulturen zu überbrücken versuchte und dies kein ganz leichtes Unterfangen ist. Gunda Altherr hat vor allem gefesselt, wie sich die Emotionen der Figuren wandeln.

Das spielt auch bei ihrer zweiten Empfehlung eine Rolle – Arno Strobels „Offline“ (Fischer Taschenbuch, 2019, ISBN 978-3-596-70558-0) – allerdings in drastischer Weise. „Das ist ein Psychothriller, bei dem es blutig zugeht. Nichts für schwache Nerven“, sagt sie. Das Szenario: Eine zusammengewürfelte Gruppe, manche Kollegen aus derselben Firma, soll ohne Handy oder Laptop und digitale Anbindung nach außen fünf Tage in den Bergen in einem abgelegenen Hotel verbringen. Nach und nach werden Mitglieder nicht zimperlich zugerichtet – ein Opfer bekommt die Augen zugenäht, ein anderes die Zunge abgetrennt. Irgendwann trauen sich die Übriggebliebenen nicht mehr zurück ins Zimmer oder alleine etwas zu essen und müssen den Täter, vermutlich aus den eigenen Reihen, selbst ausmachen. Für diejenigen, die Lust auf eine Lektüre jenseits der üblichen Genres haben, hat sie noch einen weiteren Tipp: „Der Dorfgescheite“ von Marjana Gaponenko (C.H. Beck, 2019, ISBN 978-3-406-72627-9). Dieser Bibliotheksroman ist ironisch und unkonventionell, mit schrägen Figuren und Details – und spielt in der Bibliothek eines Klosters.

Heike Kronmüller genießt es, sich erzählen beziehungsweise vorlesen zu lassen, und hat das Hörbuch zu Helena Marchmonts „Bunburry – Ein Idyll zum Sterben“ (Lübbe Audio, Teil 1) mit Uve Teschner als Sprecher in dieser Hinsicht sehr genossen. Eigentlich will Selfmademillionär Alfie eine persönliche Tragödie vergessen, als er nach Cotswolds reist, wo er ein Cottage von seiner Tante geerbt hat. Als er dort auf ihre beiden Freundinnen trifft und ein Mord geschieht, entschließt sich das Trio, sich des Falls anzunehmen. „Unterhaltsam, witzig und ein Hörerlebnis, ein Krimi zum Entspannen“, so ihr Urteil.

Im Gepäck hat sie außerdem einen Tipp für jugendliche Leser (ab 12 bis 14 Jahre): „Märchenfluch – Das letzte Dornröschen“ von Claudia Siegmann (Ravensburger Verlag, 2019, ISBN 978-3-473-40183-3). Das fantastische Märchen erzählt von Flora, die in direkter Linie mit Dornröschen verwandt ist und mithilfe des Schneewittchenclans keine geringere Aufgabe hat, als die Menschheit vor schlechter Magie zu bewahren.

In der Märchenwelt ist einiges aus dem Lot, Maya, Oskar und Emma kümmern sich darum.

„Da kann ich jetzt sehr gut anknüpfen“, sagt Silke Peter, die in der Bücherei für den Kinder- und Jugendbereich zuständig ist, und zeigt den Band „Retter der verlorenen Bücher – Mission Dornröschen“ von Rüdiger Bertram (Ueberreuter-Verlag, 2019, ISBN 978-3-7641-5117-1). Maya, Oskar und Emma sind nicht nur begeisterte Leser, sie unterstützen auch Frau Müller-Liebelein, die um das Überleben ihrer Bibliothek kämpft und mit ihren Schätzen heimlich im Rathauskeller eingezogen ist. Als sie durch eine besondere Magie in die Märchenwelt katapultiert werden, müssen sie feststellen, dass dort jede Menge durcheinandergeraten ist. Hänsel und Gretel sind alles andere als freundlich und die Hexe auch nicht das, was sie mal war. „Das ist total amüsant, auch für Kinder, die nicht so märchenfest sind, wenn doch natürlich umso mehr.“

Zudem findet sie den Kinderkrimi (ab sieben Jahre) „Mister Marple und die Schnüffelbande – Wo steckt Dackel Bruno?“ von Sven Gerhardt (cbj, 2019, ISBN 978-3-570-17643-6) klasse. Elsa und Theo sind nicht nur als Charaktere sympathisch und schön gezeichnet, sie haben als unterstützenden Mitarbeiter auch einen tierischen Ermittler – Hamster Mister Marple, der während der Suche nach dem vermissten Bruno auch fleißig sein Schnüffelprotokoll beisteuert und todesmutig recherchiert.

„Fällt ein Vogel von der Stange, schlief er da vielleicht zu lange.“ – Zweizeiler von Paul Maar

Da Silke Peter auch die Kleinsten im Blick hat, lässt sie wissen, dass die Bücherei eine Reihe Bände für die Jüngsten neu angeschafft hat. Sie schwört dabei auf Kindergedichte. „Da transportiert sich so viel Sprachwitz, und die Mädchen und Jungen bekommen ein Gefühl für Reimwörter und Rhythmus.“ Eine ideale Sprachförderung, findet sie, und stellt Sibylle Sailers „Sieben kecke Schnirkelschnecken“ mit Illustrationen von Sabine Büchner (Arena-Verlag, 2019, ISBN 978-3-401-71521-6) vor. Kleine Kostprobe, ein Zweizeiler von Paul Maar: „Fällt ein Vogel von der Stange, schlief er da vielleicht zu lange.“

Das Paket von Margit Fleischer deckt einen ganz anderen Bereich ab. Zum einen hat sie sich fasziniert in das Sachbuch „Naturheilkunde für Frauen“ von Helga Ell-Beiser (Verlag Eugen Ulmer, 2019, ISBN 978-3-8001-0859-6) vertieft, das geordnet nach Beschwerden und Krankheiten die verschiedenen Therapiemöglichkeiten aufschlüsselt. „Es ist umfassend, übersichtlich gestaltet und interessant“, sagt sie. Auch gibt es einfache Rezepte zum Selbermachen, bei denen nicht allzu vielen Zutaten nötig sind. Eine Art kontrastierende biografische Erzählung ist das Buch von Anselm Grün und Walter Kohl „Was uns wirklich trägt. Über gelingendes Leben“ (Herder-Verlag, 2019, ISBN 978-3-451-03122-9). Beide schildern die Höhen und vor allem die Tiefen in ihrem Leben, und berichten, was es für sie ausmacht und vielleicht auch anderen helfen könnte.

Jutta Brasch hat Anna Burns „Milchmann“ in den Bann gezogen (Tropen-Verlag, 2020, ISBN 978-3-608-50468-2). Dabei hat vor allem ihr ganz eigener Erzählstil eine Rolle gespielt, mit dem es gelingt, den harten Irlandkonflikt intensiv auszuleuchten, und der gleichsam durch seine ironische Note die Möglichkeit schafft, sich in diese brutale Welt zu begeben. „Es geht um die Frage, was der Krieg mit den Menschen macht“, sagt Jutta Brasch. Dies erlebt man durch die eigenwillige Erzählerin, die in jungen Jahren als Frau äußert untypisch unterwegs ist, nämlich lesend und mit einer für ein katholisches Mädchen nicht gerade tadelverdächtigen Lektüre – „Ivanhoe“. Dass der Milchmann, der IRA-Kämpfer ist, zu ihr Kontakt sucht, macht ihren Alltag nicht unbedingt einfacher. „Die Sprache ist faszinierend.“ Beeindruckt und begeistert waren auch Kenner von dem Roman, er hat den renommierten Man Booker Prize erhalten.

Wie andere hat Jutta Brasch in Coronazeiten das Kochen neu für sich entdeckt. Dabei, dass die Schätze ihrer Gemüsekiste immer mal wieder neue, spannende Zubereitungsvarianten erfahren, hat ihr Bettina Matthaeis „Gemüse kann auch anders“ geholfen (Gräfe-und-Unzer-Verlag, 2015, ISBN 978-3-8338-3843-9). Der Band liefert nicht nur umfassende Grundkenntnisse zu den verschiedenen Sorten, sondern auch leicht nachzukochende Rezepte und gute Anregungen, so die Büchereileiterin. Wer Jutta Brasch kennt, weiß, dass sie sich auch liebend gerne vorlesen lässt, insofern hat sie noch zwei Hörbücher im Gepäck: Karsten Dusses „Achtsam morden“ (Random House Audio, 2019), der die neue, um nicht zu sagen furchtbar hippe philosophische Praxis mit dem Krimigenre fruchtbar verbindet und gegen den Strich bürstet, sowie Mario Giordanos „Tante Poldi und der Gesang der Sirenen“ (Lübbe Audio, 2020), der in Sizilien spielt und einfach gekonnt unterhält, so ihr Urteil.

Weitere Empfehlungen

Empfehlung vom jungen Mitarbeiterinnenteam, die die Bücherei als Schülerinnen unterstützen: Nina Peter fand „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ von John Green ein fesselndes Buch über Liebe, Widerstandskraft und Freundschaft (Carl-Hanser-Verlag, 2017, ISBN 978-3-446-25903-4). Hanna Jetter hat Saša Stanišićs „Fallensteller“ überzeugt, ein Erzählband, dessen komische und absurde Geschichten sie in den Bann gezogen haben (Luchterhand Literaturverlag, 2016, ISBN 978-3-630-87471-5). Rabea Vockeroths Tipp ist „Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt“ von Nicola Yoon, die erzählt, wie sich die an einem Immundefekt erkrankte und von der Außenwelt abgeschottete Madeleine verliebt (cbt-Verlag, 2017, ISBN 978-3-570-31099-1).

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Erstellt:
11. August 2020, 06:00 Uhr

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