Sorge um ein kleines Refugium

Helmut Grösch hat seit rund 30 Jahren ein Grundstück in den Murrhardter Pfäfflinsklingen, das er vor allem als Rückzugsort für seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten will. Doch das gestaltet sich in den letzten Jahren immer schwieriger.

Helmut Grösch am Eingang zu seinem Grundstück. Für ihn stellt es ein kleines Stück Landschaft dar, das er schützen möchte.

Helmut Grösch am Eingang zu seinem Grundstück. Für ihn stellt es ein kleines Stück Landschaft dar, das er schützen möchte.

Von Christine Schick

MURRHARDT. Nichts bleibt, wie es war, Leben und Natur befinden sich in einem stetigen Wandel. Doch die Art des Wandels, wie er sich auf seinem Grundstück in der Nähe des oberen Friedhofs in Murrhardt darstellt, macht Helmut Grösch Sorgen. Denn dieser steht eher für eine Verarmung und den auch andernorts beobachteten Rückgang der Arten und der biologischen Vielfalt.

Vor rund 30 Jahren, exakt 1991, hat Helmut Grösch, der in Waiblingen-Schönbühl im Remstal lebt, das vielleicht zwölf Ar große Gebiet von einem Bekannten übernommen, der es verkaufen wollte. Ein kleiner Fußweg führt nahe der Waltersberger Straße vorbei an Hecken und Nachbargrundstücken. Das Gelände liegt an einem teils steilen Hang, der nicht allzu weit von Festhalle und katholischer Kirche entfernt ist. An einer offenen Wiese verläuft ein Zaun, hinter dem der Bewuchs mit Bäumen und Büschen wieder dichter wird.

„Das ist ein eigenes kleines Stück Landschaft“, sagt Helmut Grösch. Wald, Ansätze einer Streuobstwiese finden sich dort genauso wie ein kleiner Bachlauf, der sich aus Hangwasser speist, aber in heißeren beziehungsweise niederschlagsarmen Tagen versiegt, sowie ein Tümpel. An dem kleinen Quellsumpf hat der 66-Jährige die Veränderung in der vergangenen Zeit am deutlichsten festgestellt. „Dort waren immer viele Feuersalamander“, erzählt er. „Schon der Vor-Vorbesitzer, ein Förster im Ruhestand, hat mich darauf hingewiesen und mir nahegelegt, die Salamander, die dort vorkommen, zu erhalten. Seit fünf Jahren habe ich keine mehr gesehen.“ Die Larven der Tiere werden im Wasser abgesetzt, weshalb Helmut Grösch auch darauf achtet, dass der Tümpel bereits im Übergang zum Frühjahr frei von Laub ist, damit die Kinderstube, wie er den kleinen Teich nennt, bereitsteht. Dieses Jahr hat er festgestellt, dass sich jemand an den Rändern zu schaffen gemacht und Erde des Minigewässers dort mit Schaufeln oder anderem Werkzeug abgetragen hat. Er vermutet, dass Kinder und Jugendliche das Gelände ab und zu als Abenteuerspielplatz nutzen. Den Wunsch kann er nachvollziehen, findet es aber nicht gut, wenn dem Entwicklungsraum der künftigen Lurchis im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben wird. Auch der Fieberklee, eine streng geschützte Pflanze, zeigt sich seither nicht mehr. Nicht umsonst ist diese Schonfläche auch mit einem Zaun umgrenzt. „Eigentlich signalisiert der ja, dass man hier draußen bleiben muss“, sagt er. Daran halten sich aber auch nicht alle Erwachsenen. „Jetzt ist gerade Nussklausaison.“

Auf dem Gelände finden sich Walnussbäume. Auch der Nachbar hatte schon seine Begegnung mit Sammelfreudigen, die die Früchte tütenweise abtransportiert hätten. Helmut Grösch will bald mal neue Nistkästen installieren, erzählt er, als er auf einen zeigt, der gut getarnt an einem Baum hängt. Die sind zwar eigentlich für Vögel vorgesehen, können aber auch schon mal von Sieben-, Baum- oder Gartenschläfern in Beschlag genommen werden, wie er beobachtet hat. Die Kerlchen macht er mittlerweile ähnlich wie die Haselmaus auch immer seltener auf dem Grundstück aus. Nun sollte man auch wissen, dass Helmut Gröschs Herz schon lange für den Naturschutz schlägt. Helmut Grösch hat den BUND in Waiblingen mitgegründet.

In den 1980er-Jahren hat er den BUND in Waiblingen mitgegründet und sich lange dort engagiert. Nach seiner Ausbildung und Arbeit als Schriftsetzer entschloss er sich zudem für einen beruflichen Quereinstieg in das Gebiet, das man heute wohl dem Landschaftsgärtner zuschlagen würde. Er bildete sich vor allem bei Naturschutzorganisationen weiter, gründete eine Firma und legte unter anderem Teiche, Feuchtbiotope, Kräuterspiralen, Trockenmauern und Vogelschutzgehölze an. Es brauchte noch seine Zeit, bis auch Sträucher, Bäume und andere Pflanzen in Gärten von Neubaugebieten wieder eine Heimat fanden, deren Früchte sich auch essen lassen, erzählt er schmunzelnd. Und natürlich weiß Helmut Grösch – mittlerweile im Ruhestand –, dass der Rückgang der Arten auf seinem kleinen Grundstück in Murrhardt auch in größeren Zusammenhängen zu sehen ist. Eines seiner Beispiele ist die schädliche Verwendung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat. „Die Wälder brennen überall“, ergänzt er mit Blick auf die Folgen von anhaltender Hitze und Dürre.

Er stellt fest, dass die Arten, die früher selten waren, so gut wie gar nicht mehr zu sehen sind, und solche, die selbstverständlich dazugehörten, heute selten geworden sind. Neben dem Fieberklee bangt er um die Sumpfdotterblume und Brunnenkresse. Auf einer Liste hat er festgehalten, welche Tierarten er schon seit Langem, teils seit schon Jahrzehnten nicht mehr ausgemacht hat: die Ringelnatter, den Bergmolch, die Posthornschnecke, den Balkenschröter und Hirschkäfer. Bei den Vögeln sind es der Schwarzstirnwürger, der Neuntöter, der Wendehals, der Steinkauz, das Goldhähnchen und der Pirol. Libellen sind seltener geworden, noch nicht völlig von der Liste (sie hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit) gestrichen sind zumindest die Waldohreule, die Mönchsgrasmücke, der Kleiber, der Grünspecht oder der Zilpzalp.

Trotz der Entwicklungen hofft Helmut Grösch, dass er sein Refugium noch ein Stück weit erhalten kann. Gerade jetzt ginge es darum, für solche Rückzugsorte zu sensibilisieren, um die Artenvielfalt zu stützen.

Herbstliche Stimmung und von Bäumen und Büschen gesäumte Wege. Fotos: C. Schick

Herbstliche Stimmung und von Bäumen und Büschen gesäumte Wege. Fotos: C. Schick

Mancherorts finden sich auch Nistkästen.

Mancherorts finden sich auch Nistkästen.

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Erstellt:
25. November 2020, 06:00 Uhr

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