Spielraum für Kreativität

Die Kinderkunstwerkstatt der Riebesam-Stiftung ist wie andere Einrichtungen damit konfrontiert, dass zurzeit kein kontinuierliches Arbeiten möglich ist. Tanja Lucht berichtet von Projekten, der Begleitung der kleinen Leute und der Fenstergalerie als Werkstattgruß.

Das Fotoprojekt (I): Spiel mit Licht und Spiegelung – Eindrücke vom Murrhardter Feuersee in Wintertagen. Foto: privat

Das Fotoprojekt (I): Spiel mit Licht und Spiegelung – Eindrücke vom Murrhardter Feuersee in Wintertagen. Foto: privat

Von Christine Schick

MURRHARDT. Wer am Kulturhaus Klosterhof der Riebesam-Stiftung Murrhardt vorbeikommt, hat die kleine Truppe vielleicht schon bemerkt. Ein Ensemble von bunten Stabpuppenfiguren bevölkert zwei Fenster des Stiftungssitzes. Daneben befindet sich ein Bildschirm, der Fotos zeigt. Die Fenstergalerie ist eine Art Wink nach draußen, um ein kleines Schlaglicht auf die Arbeit der Kinderkunstwerkstatt zu werfen. Tanja Lucht, die im Kunstbereich der Stiftung als Dozentin mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, erzählt von den beiden Projekten, die im Zuge von Lockdowns und Einschränkungen mit Unterbrechungen konfrontiert waren. Zu Beginn des vergangenen Jahres haben sich die Kinder darangemacht, ihr Bühnenensemble zusammenzustellen. Tanja Lucht hielt Zeitungen und Kleister für Pappmascheesessions, Stoffreste, Pinsel und Farben bereit. „Jeder durfte selbst entscheiden, was für eine Figur er entwickelt“, sagt sie. Außerdem konnten die Kinder jenseits des klassischen Malens so andere Techniken kennenlernen und ausprobieren bis hin zur Gestaltung eines erzählerischen Rahmens. Gemeinsam wurde an einer Geschichte gefeilt, die als Bühnenstück aufgeführt werden und in der jede Figur ihren Platz haben sollte.

„Wer hat die Kokosnuss geklaut?“ erzählt die Story einer für die Gemeinschaft wertvollen Frucht, deren Verschwinden Misstrauen, Verdächtigungen und Konflikte auslöst. Dass sich das edle Stück gar niemand unter den Nagel gerissen hat, die Königin es nur für das bevorstehende Fest schmücken wollte, sorgt für einen überraschenden Dreh. Zwar haben die Kinder nach der etwas entspannteren Phase im späten Frühjahr und Sommer 2020 nochmals geprobt. „Aber eine Aufführung war zu schwierig, der Unterricht konnte nicht so kontinuierlich stattfinden und manche Kinder haben auch pausiert“, sagt Tanja Lucht.

Im Rahmen der Möglichkeiten lief die Arbeit aber weiter, und es stand ein weiteres Thema auf dem Plan: Fotografie. Angeregt durch die geplante Ausstellung mit Arbeiten von Melanie Wiora in der Städtischen Kunstsammlung, die Kuratorin Gabriele Rösch fürs Frühjahr 2020 vorgesehen hatte, aber absagen musste, hat Tanja Lucht zwei Projekte angeboten. Mit den Jüngeren (Gruppe für vier bis acht Jahre) ging es durch die Stadt, um sie aus Kinderperspektive zu erkunden, und zwar mit analogen Kameras. Das sollte einerseits den Kontakt mit der ursprünglicheren Technik, aber auch ein Stück weit Entschleunigung bei gleichzeitig bewusstem Einsatz der Materialien ermöglichen. „Ich muss die Kamera mit dem Film bestücken, überlegen, welche Motive kann ich bei einer bestimmten Anzahl an Bildern aufnehmen, um ganz verschiedene zu haben, und ich muss auf die Entwicklung von Film und Abzügen warten“, sagt die Dozentin. „Das kannten die Kinder gar nicht mehr.“ Die älteren Mädchen und Jungen (Gruppe von neun bis 13 Jahren) wiederum konnten und sollten ihr Handy bewusst als kreatives Instrument einsetzen und ausgehend von Anregungen durch die Arbeiten von Melanie Wiora mit Motiven und Strukturen über Spiegelungen und Licht experimentieren. „Wir sind beispielsweise zum Feuersee gegangen oder haben uns Pfützen angeschaut“, sagt Tanja Lucht. „Sie sollten sich zudem zu Hause umschauen.“

Anregungen boten die Fotoarbeiten der Künstlerin Melanie Wiora.

Auch eine Leuchtplatte, die beispielsweise zur Analyse von Röntgenaufnahmen dient, war ein Instrument, mit dem zusätzlich spielerisch gearbeitet wurde. Auf der Lichtquelle konnten die Kinder die Interaktion von Flüssigkeiten und Farbe oder Elementen wie Spülmitteltropfen beobachten und fotografieren. Eine Auswahl der unbearbeiteten Fotografien ist nun über besagten Bildschirm am Fenster des Kulturhauses zu sehen. Beim analogen Projekt war dies nicht möglich, da noch nicht alle Kinder zum Zuge kamen. Vorerst sind mit den Einschränkungen auch keine Treffen für die Gruppen möglich, und so schließt Tanja Lucht ihre Zeit als Dozentin mit diesen beiden Projekten anhand der kleinen Fenstergalerie vergleichsweise still ab. Für eine Fortsetzung der Arbeit bleibt zu wenig Zeit, da sie mittlerweile mit einer Kollegin eine Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Murrhardt betreibt.

Und wie hat sich die Arbeit in der Kinderkunstwerkstatt im Rückblick entwickelt und verändert? Immerhin war sie rund 16 Jahre für die Riebesam-Stiftung tätig. Seit ihrem Start 2005, damals noch in den Räumen des Kinderschutzbunds im Elsas-Haus, hat sie wahrgenommen, dass die Kinder über die Jahre einem zunehmenden Leistungsdruck ausgesetzt sind, so Tanja Lucht. Bei den Älteren machte sich das zum einen dadurch bemerkbar, dass ein Zuviel an Themen und Input sich eher als Hemmnis und Leistungsfalle erwiesen hätte. „Sie wollten einfach auch ihr Ding machen.“ Tanja Lucht registrierte, dass sie sich dadurch auch besser entspannen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnten. Gleichzeitig versuchte sie, weiter Angebote zu machen und das Dranbleiben an Projekten zu fördern. Denn sie beobachtet auch eine Tendenz zum schnelleren Aufgeben. Aber damit sich die Kreativität entfalten kann, braucht es neben dem Freiraum auch ein gewisses Durchhaltevermögen. Nicht immer klappt alles auf Anhieb, mal ist man nicht in Form oder muss erst den richtigen Dreh mit Technik und Material finden. „Es ist wichtig, dass die Kinder Spaß am Ausprobieren entwickeln und den Mut, auch Fehler zu machen“, sagt Tanja Lucht. Für sie hieß es also, die Balance zwischen Förderung und besagtem Dranbleiben sowie Spiel- und Freiraum zu halten. In der Zeit des zweiten Lockdowns hat sie auch noch ein paar Anregungen als Kurzvideos über Whatsapp an die Kinder und Jugendlichen geschickt, nun aber den Stab an ihre Nachfolgerin Birte Stahl übergeben. Wann und wie sich die Karten und Projekte dann im Zuge einer Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts neu mischen, wird sich zeigen.

Weitere Infos zur Riebesam-Stiftung und Kontaktmöglichkeit bei Anfragen zur Teilnahme an den Gruppen im Netz unter www.riebesamstiftung.de.

Stabpuppentruppe: Die fröhlichen Gesellen finden sich im Erdgeschossfenster der Stiftung wie auch die Fotos, die per Bildschirmpräsentation gezeigt werden. Foto: C.Schick

Stabpuppentruppe: Die fröhlichen Gesellen finden sich im Erdgeschossfenster der Stiftung wie auch die Fotos, die per Bildschirmpräsentation gezeigt werden. Foto: C.Schick

Das Fotoprojekt (III): Eindrucksvolles Licht- und Wassertropfenspiel. Foto: privat

Das Fotoprojekt (III): Eindrucksvolles Licht- und Wassertropfenspiel. Foto: privat

Das Fotoprojekt (II): Sichtbar und nicht sichtbar zugleich. Foto: privat

Das Fotoprojekt (II): Sichtbar und nicht sichtbar zugleich. Foto: privat

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Erstellt:
10. April 2021, 06:00 Uhr

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