Städtische Infrastruktur auf- und ausgebaut

Trotz Materialknappheit saniert und verbreitert man 1919 die Ochsen- und die Dentelbachbrücke

Das ist die Ochsenbrücke nach der im Jahr 1919 erfolgten Sanierung und Verbreiterung, die Aufnahme entstand 1920. Foto: Stadtarchiv

Das ist die Ochsenbrücke nach der im Jahr 1919 erfolgten Sanierung und Verbreiterung, die Aufnahme entstand 1920. Foto: Stadtarchiv

(eke). Die Murrhardter ließen sich von den widrigen Umständen nicht unterkriegen. Etwa ab der Jahresmitte 1919 verbesserte sich die Versorgungslage allmählich, auch gab es wieder mehr zu kaufen, wie Textilien aller Art, als diese aus den umfangreichen Heeresbeständen auf den Markt kamen. So begann langsam auch wieder das gesellschaftliche und kulturelle Leben.

Davon zeugen zahlreiche Verlobungs- und Hochzeitsanzeigen sowie Ankündigungen und kurze Berichte über kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte oder bunte Unterhaltungsabende mit Theater. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Stadtkapelle, die unter der Regie von Musikdirektor Albert Heckmann damals auch ein Streichorchester hatte und als Musikschule fungierte. Mit einer großen Feier hieß die Stadt am 9. Februar die heimgekehrten Soldaten willkommen und spendierte ihnen Essen in den Gaststätten, dazu gab die Stadtkapelle ein Platzkonzert vor dem Rathaus. Abends folgte ein bunter Unterhaltungsabend in den Sälen der Gasthöfe Sonne-Post und Schwanen. Doch mussten viele Familien noch bis weit in den Herbst hinein auf die Heimkehr der Kriegsgefangenen warten, von denen viele beim Wiederaufbau der Kriegszerstörungen in Frankreich mit anpacken mussten.

Aber auch dringend erforderliche Arbeiten zur Verbesserung der Infrastruktur nahm man in Angriff. Stadtschultheiß Karl Blum nannte die wichtigsten Aufgaben der Stadt für 1919 und die folgenden Jahre: Bau von Wohnungen, Planung zur Erweiterung der Stadt nach Westen und Süden, Elektrizitätsversorgung, Ausbau der Wasserversorgung mit Erschließung neuer Quellen, Kanalisation und Gasversorgung, Schulhausbau und Erweiterung des Krankenhauses. Ende Februar begann eine wichtige Verkehrsbaumaßnahme: die Sanierung und Verbreiterung der Ochsen- und der Dentelbachbrücke. Dazu war am 26. Februar 1919 in der Murrhardter Zeitung zu lesen: „Der Umbau der eisernen Straßenbrücke über die Murr beim Gasthaus zum Ochsen ist nun in Angriff genommen. Die eiserne Straßenbrücke und die gewölbte Brücke über den Dentelbach wurden im Jahre 1872/73 neu erbaut. Die Fahrbahn der Murrbrücke bestand aus Holzdielen mit Beschotterung. Im Jahr 1899 wurde dieser abgängige Dielenbelag durch Zoreseisen (Schmiedeeisen in Form einer umgedrehten Regenrinne) ersetzt und gleichzeitig der eiserne Oberbau verstärkt. Die beiden Brücken haben eine Breite von 6,87 Metern, wovon je 1 Meter auf die beiderseitigen Gehwege und 4,87 Meter auf die Fahrbahn entfallen. Der eiserne Überbau der Murrbrücke ist (...) mangelhaft konstruiert und ausgeführt. (...) Eine im Jahr 1900 vorgenommene Verstärkung hat sich, offenbar aus Ersparnisgründen, nicht auf die beiden äußeren Hauptträger erstreckt, die um 50 Prozent überanstrengt sind. Dazu kommt, dass die Breite beider Brücken sich bei dem starken Langholzverkehr und der sehr schiefen Einmündungen der Straßen (...) als zu schmal erwiesen hat, sodass die Geländer sowohl an der Murrbrücke als auch an der Dentelbachbrücke schon öfters beschädigt wurden und wieder mit großen Kosten ausgebessert werden mussten, da dieselben aus Gusseisen bestehen. Zur Abhilfe dieses Missstandes wurde von der württembergischen Ministerialabteilung für den Straßenbau beschlossen, die beiden Brücken auf die übliche nutzbare Breite von 9 Meter umzubauen, wovon je 6 Meter auf die Fahrbahn, 2 Meter auf den Gehweg flussabwärts und 1 Meter auf den Gehweg flussaufwärts kommen. Nach den Plänen des technischen Amtes wird der Oberbau der Murrbrücke in Eisenbeton ausgeführt und sind demgemäß die Widerlager flussabwärts zu verlängern.

Bei der Dentelbachbrücke ist geplant, dieselbe flussabwärts durch eine Eisenbetonplatte zu erweitern, wobei die beiden Ufermauern als Auflager für die Betonplatte neu aufzuführen sind. Die staatlichen Bauarbeiten erstrecken sich wie bei den seitherigen Brücken nur auf die Herstellung der Widerlager und der Flügel einschließlich der Uferbrücken samt Fahrbahn und Gehweg. Die Bauarbeiten außerhalb dieses Rahmens, nämlich Änderung und Verbesserung der städtischen Straßen vor und zwischen den beiden Brücken mit erhöhten Gehwegen, einschließlich teilweiser Pflasterung und Wiederbewalzung der Fahrbahn, sind Sachen der Stadt Murrhardt. Mit Rücksicht auf die anliegenden Häuser war es geboten, die Unterkante der Murrbrücke um 20 Zentimeter tiefer als seither zu legen. (...) Während die Dentelbachbrücke über die Bauzeit weiter benützt werden kann, muss der Fuhrwerkverkehr während des Baues der Murrbrücke über die Steinbrücke (alte Staatsstraßenbrücke bei Grau) umgeleitet werden. Für den Fußgängerverkehr wird ein Notsteg über die Murr erstellt.“ Wegen des Baumaterialmangels war alles erst im Herbst 1919 fertig.

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Erstellt:
17. August 2019, 06:00 Uhr

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