Reutlinger Unternehmen

Stoll: Aus für eine Traditionsfirma

Der 1873 gegründete Hersteller von Flachstrickmaschinen soll geschlossen werden. 270 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz.

Beschäftigte von Stoll protestieren gegen das Aus des Unternehmens.

© IG Metall

Beschäftigte von Stoll protestieren gegen das Aus des Unternehmens.

Von Ulrich Schreyer

Die Reutlinger Traditionsfirma Stoll soll Ende Oktober geschlossen werden. Dies teilten der Textilmaschinenhersteller Karl Mayer aus Obertshausen bei Offenbach, zu dem Stoll gehört und die Reutlinger IG Metall mit. Damit verlieren 270 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

Vorgesehen sind nach den Angaben des Unternehmens und der Gewerkschaft Abfindungen sowie der Übergang in eine Transfergesellschaft. Diese wird nach den Angaben von Kai Lamparter, dem Zweiten Bevollmächtigten der Reutlinger IG Metall von dem ebenfalls in Reutlingen ansässigen Branchenpionier Mypegasus organisiert. Die Abfindungen sind nach den Angaben von Lamparter nach Altersgruppen gestaffelt und liegen zwischen 0,25 und 0,45 Bruttomonatsentgelten pro Beschäftigungsjahr.

Die Beschäftigten sind teilweise schon sehr lange bei Stoll tätig, für manche steht nach Meinung von Lamparter wohl der Übergang in den Ruhestand bevor. Aufgrund der hohen Qualifikation dürfen jüngere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen möglicherweise neue Arbeitsplätze finden. „Es gibt aber immer weniger Industriearbeitsplätze in der Region“, sagte Lamparter. Dies gelte insbesondere für Stellen mit einer entsprechenden Bezahlung.

Oliver Mathews, Geschäftsführer der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik sagte, durch intensive Gespräche sei es geschafft worden, „die Interessen der Betroffenen Mitarbeitenden und die unternehmerischen Rahmenbedingungen zusammenzubringen“. Den Vorwurf der Gewerkschaft, man habe nicht intensiv nach einem Käufer für Stoll gesucht, wies Karl Mayer zurück. Das Reutlinger Unternehmen stellt Flachstrickmaschinen her, mit denen unter anderem Pullover gestrickt werden können und hat einen Exportanteil von rund 90 Prozent. Nach den Angaben von Karl Mayer leidet es besonders unter der billigeren Konkurrenz aus China.

Noch 950 Beschäftige vor zehn Jahren

Nachdem zwischenzeitlich auch ein chinesischer Konzern beteiligt war, wurde das Unternehmen 2020 von Karl Mayer in Obertshausen übernommen. Karl Mayer stellt ebenfalls Textilmaschinen her und hat einen Exportanteil seiner europäischen Werke von 90 Prozent, wichtigster Markt ist China. Das Unternehmen beschäftigt einschließlich Stoll 2800 Mitarbeiter. Eine Umsatzzahl für 2024 wurde nicht genannt, 2024 sei allerdings ein Verlustjahr gewesen, erklärte eine Sprecherin aus Obertshausen. Der Umsatz für 2023, also einschließlich Stoll, wurde auf 423 Millionen Euro beziffert.

Stoll erzielte noch vor gut zehn Jahren mit 950 Beschäftigten einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro. Gegründet wurde das Unternehmen in Riedlingen an der Donau als in einer ehemaligen Mühle als „mechanische Werkstatt“ für die Herstellung von Strickmaschinen. Als die Gemeinde die Genehmigung für eine Erweiterung verweigerte, zog der Gründer Heinrich Stoll 1878 nach Reutlingen. Sein Kompagnon Christian Schmidt ging nach Neckarsulm, produzierte dort noch kurze Zeit Strickmaschinen und verlegte sich dann auf die Herstellung von Motorrädern der Marke NSU. Damit legte er den Grundstein für das zum VW-Konzern gehörende Audi-Werk in Neckarsulm.)

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Erstellt:
12. Mai 2025, 16:12 Uhr

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