Vom Bonusevent zur Institution

Ursprünglich sollte der Murrhardter Kunst- und Kunsthandwerkermarkt eine zusätzliche Attraktion des Lichterfests sein. Schnell mausert er sich aber zu einer Veranstaltung, die eine komplett eigene Plattform bekommt – den Stadtgarten – und zur festen Größe für die Walterichstadt wird.

Maria Schetter-Fluor ist im Endspurt fürs Wochenende und schaut noch mal auf den Standplan. Zu Hause in ihrem Garten lassen sich auch jede Menge kunstvolle kleine Repräsentanten des Januariusmarkts von Kolleginnen und Kollegen finden. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Maria Schetter-Fluor ist im Endspurt fürs Wochenende und schaut noch mal auf den Standplan. Zu Hause in ihrem Garten lassen sich auch jede Menge kunstvolle kleine Repräsentanten des Januariusmarkts von Kolleginnen und Kollegen finden. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Den Murrhardter Januariusmarkt gibt es schon eine gefühlte Ewigkeit. Kommendes Wochenende am 10. und 11. Juni geht er in seine 17. Runde. Aber wie ist das städtische Aushängeschild überhaupt entstanden? Für die Geburt des Kunst- und Kunsthandwerkermarkts standen die Sterne um 2005/6, sagen wir mal, schon recht günstig. Maria Schetter-Fluor, die in Sulzbach an der Murr lebt, arbeitete im Personalamt der Walterichstadt und war als Kunsthandwerkerin selbst aktiv. „Ich war mit meinen Holzarbeiten auf Märkten unterwegs und hatte auch auf dem Weihnachtsmarkt einen Stand“, erzählt sie. Und so ging Uwe Matti auf sie zu, um sie zu fragen, ob sie sich vorstellen könne, auch für die Stadt in der Sache aktiv zu werden. „Wir haben nach einer weiteren Attraktion fürs Murrhardter Lichterfest gesucht, das als Stadtfest noch mal neu belebt werden sollte“, erinnert sich der Leiter des Amts Wirtschaft, Kultur und Tourismus.

Die Premiere mit 30 Ständen

Maria Schetter-Fluor schlug ein und stellte einen kleinen Kunsthandwerkermarkt auf die Beine. „Das waren rund 30 Stände, an denen als Nebenprogramm und eine Art Seitenarm des Stadtfests Kunsthandwerk angeboten wurde“, sagt die Sulzbacherin. Maria Schetter-Fluor ist in ihrem Element, kümmerte sich fürs Folgejahr um weitere Teilnehmer und Interessenten.

Beim zweiten Stadtfest allerdings zeigte sich, dass beide Events nicht so recht zusammenpassten. Zum Stadtfesttrubel kamen außerdem noch Public Viewing und ein verkaufsoffener Sonntag sowie heißes Sommerwetter. Insofern war die Kundschaft für die Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker mehr als überschaubar und es zeichnete ab, dass sozusagen eine Trennung anstand.

Die Stadt ging mit, gliederte den Markt aus und ermöglichte es so, dass er sich im Stadtgarten als seiner neuen Heimat zu der Attraktion entwickeln konnte, die er seit Langem ist und die viele aus der ganzen Region in die Walterichstadt lockt. Liebevoll und engagiert großgezogen hat den Januariusmarkt Maria Schetter-Fluor. Die Zutaten: ein fester Wochenendtermin im Juni, an dem kaum mit kühlen Landregen, wenn auch mal mit Gewittern zu rechnen ist, eine Marktmeisterin, die in ihrer Freizeit zu etlichen anderen Kunst- und Kunsthandwerkermärkten tourt, um Kontakte zu knüpfen und neue Interessenten zu finden, und die in ihrem Mann Erwin Fluor einen treuen Helfer hat, und ein organisches Miteinander von Stadtverwaltung und Maria Schetter-Fluor. „Wir haben das Zirkuszelt bekommen und eine Bewirtung aufgebaut“, erzählt sie.

Parallel entwickelt sich außerdem ein Austausch mit Murrhardts Partnerstadt Château-Gontier. Bei Besuchen lernen französische Handwerkerinnen und Handwerker den Markt kennen und bieten Aktionen für das Rahmenprogramm an, das allmählich immer größer wurde. „In hübschen Vogelhäusern wurden beispielsweise kleine Fliesen verlegt“, erinnert sich Schetter-Fluor und grinst. „Und die französischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren von unserem Markt so begeistert, dass sie ihren eigenen Handwerkermarkt zu einem gemacht haben, zu dem dann auch Kunsthandwerker hinzugeholt wurden.“ Altstadträtin Michèle Hartmann, selbst Französin, kann viele Brücken bauen. Auch dieses Jahr ist eine Handwerkerin aus Château-Gontier mit von der Partie – die gelernte Fliesenlegerin Florence Trovallet-Lemesle. Hinzu kommen der polnische Bildhauer Kazimierz Kowalczyk, Agata Stasik, Kindertextilienschaffende aus der Partnerstadt Rabka-Zdrój, sowie Yuliia Matvieieva, eine Malerin aus der Ukraine, die in Murrhardt lebt und ihre Bilder zeigt. Auch die Kunsthandwerker selbst bringen das Flair unterschiedlicher Länder mit. Sie kommen beispielsweise aus Polen, Frankreich, der Schweiz und Österreich.

Bunt ist auch das Stichwort für das Rahmenprogramm, das Maria Schetter-Fluor über die Jahre für den Markt entwickelt hat. Angefangen von Angeboten für Kinder mit Zirkus- und Artistikelementen oder Kasperlevorstellungen über Kamelreiten, Besuchen von Alpakas der Familie Haas und der Falknerei Wüstenrot bis hin zu vielseitigen musikalischen Beiträgen. „Wir hatten schon eine Trachten- und Schuhplattlergruppe aus Tirol, Appenzeller Jodlerinnen, Jagd- oder Alphornbläser, Mittelaltermusiker oder eine Dixilandgruppe aus dem Fürstentum Liechtenstein da.“

Moderate Standgebühren helfen

Mit dem wachsenden Marktgeschehen unterstützte die Stadt stärker bei der Infrastruktur. Die Betriebsmeisterei kümmert sich beispielsweise um die Elektrik, weitere Mitarbeiter sorgen für Genehmigungen für die Plakatwerbung. Klar, mittlerweile sind es im Durchschnitt 100 Stände, die sich im Stadtgarten sowie im Zirkuszelt präsentieren. Nach zwei Online-Varianten während Corona und einem etwas verhalteneren Start 2022 haben sich fürs Wochenende 106 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet. Mit zum Erfolg trägt für Maria Schetter-Fluor bei, dass die Standgebühren im Vergleich zu anderen Märkten, teils auch privat organisiert, vergleichsweise moderat sind. Ein weiterer Punkt, den die Stadt Murrhardt mitträgt. „Dass die Stadt in den Januariusmarkt investiert, ist letztlich auch Stadtmarketing. Er lockt viele Menschen nach Murrhardt“, sagt Uwe Matti. Ähnlich wie beispielsweise beim dreitägigen Brauereifest freue er sich, wenn sich das an den zahlreichen Autokennzeichen ablesen lässt. Niedrigere Standgebühren helfen den Künstlern und Kunsthandwerkern, die teils auch noch Übernachtungskosten haben. Im Gegenzug fordern Stadt und Maria Schetter-Fluor klare Qualitätsstandards ein. Dazu zählt, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Gewerbe angemeldet haben und keine industriell gefertigten Waren verkaufen dürfen. „Bei den handgefertigten Stücken und Unikaten steckt unheimlich viel Arbeit drin“, sagt Schetter-Fluor. Natürlich gibt es auch Autodidakten oder Menschen, die ihr Hobby mit Herzblut ausüben. Aber diese kommen nur dann in die engere Wahl, wenn sie Kreationen präsentieren, die „etwas ganz Besonderes sind und kein Kunsthandwerker anbieten kann“.

Dieses Bestehen auf eine so verstandene Qualität hat sich auch für Uwe Matti bewährt. Er ist selbst in der Mission auf dem Markt unterwegs: Meist gemeinsam mit amtierender oder früherer Waldfee sowie Kolleginnen oder Kollegen, die sich im Kunsthandwerk auskennen, macht er die Runde für die sogenannte Standprämierung. Wer von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit seiner Präsentation von Stand und Stücken besonders überzeugen kann und den ersten Platz macht, zahlt im Folgejahr keine Standgebühr.

Vom Bonusevent zur Institution

© Jörg Fiedler

Das kreative Angebot und ein umfangreiches Rahmenprogramm bis zum abendlichen Konzert

Kunstvolles Der Januariusmarkt wird am Samstag, 10. Juni, um 14 Uhr im Stadtgarten eröffnet. Künstler und Kunsthandwerker präsentieren Schmuck, ausgefallene Hüte, Lederwaren und Kreatives aus Keramik. Auch Glas und Holz werden neben handgeschöpften Seifen, außergewöhnlichen Windspielen und anderen kunstvollen und dekorativen Objekten aller Art angeboten. Zudem lassen sich einige Künstler und Kunsthandwerker beim Arbeiten über die Schulter schauen. Der Markt hat am Samstag von 14 bis 22 Uhr und am Sonntag, 11. Juni, von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Rahmenprogramm Die Gäste erwartet ein umfangreiches Rahmenprogramm. Kleinen Marktbesuchern wird die Gelegenheit gegeben, ihre künstlerischen und kreativen Fähigkeiten in den jeweiligen Workshops zu erproben: Töpfern, Flechten, Bildhauern, Malen, Drechseln und vieles mehr wird den Kindern am Januariusmarkt liebevoll nähergebracht. Zu Gast sind außerdem am Samstag Professor Pröpstls Puppentheater (16.30 Uhr), die Showtanzgruppe des Sulzbacher Carnevalsvereins (15 Uhr) sowie Barbara Gräßle und Biggi Binder als „Hearts and Bones“ (19.30 Uhr). Am Sonntag sind mit von der Partie die Murr-Jazzer (11 Uhr), die Murreder Henderwäldler mit ihrem Maitanz (14.30 Uhr) und Jongleur Chris Blessing (15 und 16 Uhr). Nachtwächter Christian Schweizer schließt den Markt.

Besonderheiten Murrhardts Partnerstädte Château-Gontier und Rabka Zdrój stellen Handwerkliches aus ihrer Heimat aus. Mit der Feldbahn lässt sich eine Runde drehen und die historische Schmiedegruppe „Ferrum et ignis“ ist in Aktion zu erleben genauso wie die Haas’schen Alpakas.

Verpflegung Ein nicht alltägliches gastronomisches Angebot erwartet den Gaumen: afrikanisches Essen, Langos, Kartoffelspieße, Speisen des Orients, leckerstes Bier, Weine, Cocktails, Crêpes und vieles mehr.

Das komplette Programm findet sich auf der Homepage der Stadt unter www.murrhardt.de.

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Erstellt:
7. Juni 2023, 06:00 Uhr

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