Von den eigenen Bildern im Kopf

Der Unterricht in der Klasse gehört wieder zum Alltag, zum ersten Mal aber stand in der Walterichschule auch eine Veranstaltung außer der Reihe auf dem Programm. Autor Armin Pongs war bei Grundschülern zu Gast und stellte sein neuestes Buch- und Leseprojekt vor.

Es ist die erste Lesung, die nach dem letzten Lockdown in der Walterichschule wieder stattfinden kann – hier mit der Klasse 4a von Kerstin Schieber. Und für den Kinderbuchautor Armin Pongs ist es die erste Lesung in Baden-Württemberg. Im Gepäck hat er für die insgesamt sechs Grundschulklassen das Auftaktabenteuer seines ersten Bands der Reihe „Der magische Kalender“. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Es ist die erste Lesung, die nach dem letzten Lockdown in der Walterichschule wieder stattfinden kann – hier mit der Klasse 4a von Kerstin Schieber. Und für den Kinderbuchautor Armin Pongs ist es die erste Lesung in Baden-Württemberg. Im Gepäck hat er für die insgesamt sechs Grundschulklassen das Auftaktabenteuer seines ersten Bands der Reihe „Der magische Kalender“. Foto: A. Becher

Von Christine Schick

MURRHARDT. Im Nägelesaal ist alles vorbereitet, die Stühle für die Mädchen und Jungen sowie ein Tisch mit Plexiglasscheibe sind aufgestellt. Sarah Wilken telefoniert noch kurz mit Armin Pongs, um ihn vom Stadtgarten in die Schule zu lotsen. Sie freut sich, dass die Lesungen für die 3. und 4. Klassen der Walterichschule nun stattfinden können. Zwar kommen nicht alle Grundschüler zum Zug, weil die Stufen nicht gemischt werden dürfen und die Alternative, die Lesungen in die große Festhalle zu verlegen, von der Atmosphäre her nicht gut gepasst hätte, aber die Pädagogin hat mit dem Schulteam schon lange auf die Veranstaltung hingearbeitet und -gefiebert. Im März, als sich der Autor mit der Ankündigung einer geplanten Lesereise meldet, sobald dies die Bedingungen zulassen, wird zugesagt. „Wir haben ja auch den Leseclub“, erzählt sie, und dass sich die Grundschüler immer über neues Lesefutter freuten. Außerdem seien sie nach der Rückkehr in den Präsenzunterricht überhaupt sehr motiviert, was das Lernen und die Schule anbelangt.

Armin Pongs hat ihnen sein neuestes Abenteuer mitgebracht: den ersten und zweiten Band des „Magischen Kalenders“, eine Reihe, für die insgesamt 24 Folgen geplant sind. Der Klasse 4c, die mit Lehrerin Lisa Braun und Referendarin Katharina Grüb den Auftakt der insgesamt sechs Lesungen macht, stellt er das Einleitungskapitel des druckfrischen ersten Buches vor (erscheint im Buchhandel voraussichtlich im Herbst). Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe des Chiemsees, weilt aber auch oft in Istanbul, „eine der schönsten Städte der Welt“. Und er erinnert sich noch gut, wie er 2019 dort am Meer saß und den Artikel eines Wissenschaftlers über das Artensterben las. „Jeden Tag sterben etliche Tiere und Pflanzen, sind dann einfach nicht mehr da“, erzählt er. Weil ihn die Sache nicht mehr loslässt, nimmt er sich vor, ein Buch für Kinder zum Thema zu schreiben, das es spannend und anschaulich behandelt. Als Corona und die Folgen die Welt ereilen, nutzt er die Zeit, um nicht nur ein Konzept, sondern auch den ersten Band zu entwickeln und zu schreiben. Auf einer ersten Lesereise im Herbst 2020 kann er die Geschichte vorstellen, während des zweiten Lockdowns entsteht außerdem ein Leseprojekt, bei dem viele Kinder die Buchentstehung mitverfolgen können und fürs Thema sensibilisiert werden sollen.

Die drei 3. und 4. Klassen der Walterichschule lernen die vier jungen Helden – Aron, Taya, Anne und Said – vom Anbeginn der Geschichte kennen. Armin Pongs nimmt sich 20 Minuten Zeit und Raum für das Einleitungskapitel. Aron stößt auf ein magisches Buch, hinter dem die nicht gerade vertrauenerweckenden Schattenmänner her sind und das sich hilfesuchend an ihn wendet: „Bring mich in Sicherheit.“ Zwar gelingt es Aron noch nicht mal, es aufzuschlagen, aber er weiß, was zu tun ist. Er macht sich zum Haus seines Freundes Said auf, und die beiden trommeln den Rest der Freundesclique – Anne und Taya – zusammen. Die Idee, den Band dem Besitzer – dem Herrn von Burg Löwenstein – zurückzubringen, erweist sich als nicht ganz einfach. Doch wie es sich für ein magisches Buch gehört, hilft es den Kindern, Fallgitter und Türen zu öffnen und den richtigen Weg zu finden. Es zeichnet sich allmählich ab, dass Aron das Buch nicht umsonst gefunden hat. Seine eigene Geschichte und die damit verbundene Begabung erweisen sich als entscheidend. In der Szenerie eines Planetariums, auf das die Kinder im Innern der Burg treffen, sieht Aron nicht nur einen Löwen als Sternbild, er kann ihn auch für die anderen sichtbar machen. Als schließlich Professor von Löwenstein auftaucht, ist der zwar erst mal irritiert, versteht aber recht schnell, dass die Kinder Verbündete sind. Schließlich haben sie ihm das Buch gebracht – ein Foliant seines Vaters, dem unbequeme, öffentlich gemachte Wahrheiten über das Artensterben zum Verhängnis wurden. Gemeinsam machen sie sich auf die Reise mit einem alten Postbus, um ihren Beitrag für den Artenschutz zu leisten. Das Ziel: dass keine Tierart mehr ausstirbt und die Vielfalt auf unserem Planeten erhalten bleibt.

Zu lesen heißt auch, sich die Geschichte in und mit der eigenen Fantasie zu erobern.

Im Gespräch mit den Mädchen und Jungen stellt sich außerdem eine weitere für den Autor enorm wichtige Mission heraus: Kinder zum Lesen anzuregen. Als die Viertklässler auf seine Bitte hin die Bilder zusammentragen, die nach der Lesung bei ihnen hängen geblieben sind, kommt eine ganze Menge zusammen. „Und wie sind die Bilder in euren Kopf gekommen, wie funktioniert das?“, fragt Armin Pongs. „Ich hab mir das vorgestellt“, lautet die logische Antwort. „Und das ist das ganz Besondere am Lesen“, sagt der Kinderbuchautor. Die Fantasie erschafft die ganz individuellen Bilder und insofern sind Verfilmungen und Computerspiele für den 53-Jährigen mit Vorsicht zu genießen. Denn es sind immer Bilder anderer. „Ich bin durchs Lesen reich geworden“, sagt er und macht klar, dass das mit Geld nichts zu tun hat. Gestartet ist er selbst in die Welt der Geschichten mit Klassikern wie „Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler und Büchern von Astrid Lindgren oder Michael Ende. Und er verrät, dass er später auch in der Kognitionspsychologie viel Fachliteratur verspeist hat. Vor dem Hintergrund von Forschungsarbeiten unter anderem fürs Max-Planck-Institut kam er zur Überzeugung, dass das Lesen immens wichtig für die geistige Entwicklung ist.

Mittlerweile blickt er nicht nur auf viele Jahre als Kinderbuchautor zurück, sondern hat beim jüngsten Projekt auch einen neuen Weg eingeschlagen. Als die erste Geschichte fast fertig war, konnten aufgrund des Lockdowns im Frühjahr zunächst keine Lesungen stattfinden. „Ich hatte die Idee, die Kinder mit ins Boot zu holen, sie miterleben zu lassen, wie das Buch entsteht“, erzählt er. Also schreibt er Schulen in der ganzen Bundesrepublik an, die Lehrer sind dankbar fürs Angebot und so entsteht ein besonderes Buchleseprojekt. Armin Pongs lässt den Kindern und Pädagogen nicht nur regelmäßig ein neues Kapitel, sondern auch Unterrichtsmaterialien rund ums Thema Artenschutz zukommen. Seitdem bekommt er jede Menge Post und beantwortet unzählige Fragen per Brief, E-Mail oder auch mal per Sprachnachricht. „Corona hat unter anderem gezeigt, wie wichtig die Leseförderung und Begleitung in den und durch Schulen ist“, sagt er. Gleichzeitig ist er froh, dass sich die Chance für dieses Projekt ergeben hat, denn es ermöglicht ihm noch mal eine intensivere Leseförderung, über die er seiner Schätzung nach rund 25000 Kinder erreicht. „Da muss man neue Wege gehen.“

Weitere Infos zum Autor und zu seinem Buchprojekt unter www.arminpongs.de sowie www.dermagischekalender.de.

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Erstellt:
16. Juni 2021, 06:00 Uhr

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