Wandern auf barrierefreien Wegen

Das Förderprojekt „Inklusive Wanderbotschafter“ der Aktion Mensch ist abgeschlossen. Zwölf Flyer mit Routen für gehbehinderte Menschen stehen bereit. Initiiert und durchgeführt wurde das Projekt vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V.

Mit seiner Begleithündin Mila ist Wanderbotschafter Achim Gresser fast täglich auf den Spazierwegen rund um Backnang unterwegs. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Mit seiner Begleithündin Mila ist Wanderbotschafter Achim Gresser fast täglich auf den Spazierwegen rund um Backnang unterwegs. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

MURRHARDT/BACKNANG. Dass Wandern für Rollstuhlfahrer nicht nur eine körperliche Herausforderung ist, weiß Achim Gresser aus eigener Erfahrung. Schwierig sei es, überhaupt Wanderwege für Menschen mit Gehbehinderungen zu finden, sagt er. Vor mehr als zehn Jahren erkrankte der 49-jährige Backnanger, der als Qualitätstechniker in der Automobilindustrie arbeitet, an Multipler Sklerose. Seit ungefähr fünf Jahren ist er auf die Unterstützung durch einen Rollstuhl angewiesen. Das Wandern hat Gresser deshalb aber nicht aufgegeben. Im Gegenteil: Im Rahmen des Projekts „Inklusive Wanderbotschafter/-innen im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald“ half er dabei, im Rems-Murr-Kreis nach geeigneten Wanderwegen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu suchen.

In den vergangenen drei Jahren haben die ehrenamtlichen Wanderbotschafter, darunter Gresser, insgesamt zwölf neue Routen erarbeitet. Anfang 2018 startete der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) das Projekt, das von der Aktion Mensch gefördert wurde. Projektpartner waren der Kreisjugendring Rems-Murr sowie der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald. Ende Dezember 2020 endete das Projekt. Die Flyer mit den Routenbeschreibungen liegen im Naturparkzentrum und in den jeweiligen Rathäusern aus und stehen im Internet zum Download bereit (siehe Infokasten).

Was den zwölf Routen gemein ist: Sie können von Rollstuhlfahrern, aber auch von Menschen, die beispielsweise mit Krücken oder einem Kinderwagen unterwegs sind, selbstständig genutzt werden. Die Länge der Wege wurde bei Projektbeginn auf drei bis fünf Kilometer begrenzt. Darüber hinaus verfügen alle Strecken über Behindertenparkplätze. Am Ausgangspunkt der Wanderung muss sich zudem eine geeignete Toilette sowie ein Gastronomiebetrieb befinden.

Nach einem Treffen im Frühjahr 2018, bei dem über mögliche Routen diskutiert wurde und die Wanderbotschafter in Hinblick auf die genannten Kriterien geschult wurden, testeten und bewerteten diese die ausgewählten Wege. Meist seien sie in Gruppen von fünf bis zehn Leuten unterwegs gewesen, sagt Achim Gresser, „coronabedingt wurde das natürlich im Laufe des Jahres weniger“.

„Der Weg ist komplett geteert, die Steigung hält sich in Grenzen.“

Seine Lieblingsstrecke ist der Wiesenweg in Berglen. „Der Weg ist komplett geteert, die Steigung hält sich in Grenzen und man hat eine schöne Aussicht auf Berglen“, fasst Gresser zusammen. Weil sie nicht durch den Wald führe, sei die Strecke insgesamt sehr sonnig, außerdem habe sie einen guten Parkplatz, „das ist auch wichtig“.

Er persönlich hätte sich bei der Auswahl der Wege noch ein paar anspruchsvollere Strecken gewünscht. „Gehbehinderte Menschen sitzen nicht immer nur im Rollstuhl“, sagt er. „Es gibt auch Leute wie mich, die sehr mobil sind, aber trotzdem barrierefreie Wege brauchen.“

Mit seiner Frau Stefanie und seiner Begleithündin Mila ist er fast täglich auf den Spazierwegen um Backnang unterwegs, häufig unternehmen die drei auch Tagesausflüge. Mit seinem Dreirad legt er jedes Jahr zwischen 5000 und 7000 Kilometer zurück. Einen Trampelpfad, sagt Gresser, könne er zwar nicht entlangfahren. Zwei oder drei Stunden mit dem Dreirad zu wandern, sei für ihn aber kein Problem.

Vielleicht geht sein Wunsch noch in Erfüllung. Bernhard Drixler, Geschäftsführer des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald, erklärt, ihm sei das Thema Inklusion ein großes Anliegen. Sein Ziel ist es, in allen 48 Städten und Gemeinden, die Mitglied im Naturparkverein sind, zumindest eine Route für mobilitätseingeschränkte Menschen vorweisen zu können. Gut vorstellen kann er sich auch, dass die Wanderbotschafter Interessierte künftig auf den Routen begleiten und ihnen etwas über die Wege erzählen – ähnlich, wie es die Naturparkführer bereits tun.

Denn angenommen werden die Routen sehr gut, wie sich in den vergangenen Monaten gezeigt hat. Es habe viele Nachfragen gegeben, sagt Drixler, wozu die Coronapandemie wohl beigetragen hat. Da ein Urlaub im Ausland nur beschränkt möglich war, sind nicht wenige Deutsche in der Heimat geblieben und haben sich in der eigenen Region einmal umgeschaut. „Über den Daumen gepeilt hatten wir doppelt so viele Anfragen wie in den letzten Jahren“, sagt Drixler. „Im Internet wurde das Stichwort Inklusion dabei häufig angekreuzt.“

Projektleiterin Ines Vorberg vom BSK ist zufrieden mit dem Projektverlauf. Was im Zusammenspiel von BSK, Aktion Mensch, dem Naturpark, dem Kreisjugendring sowie den Wanderbotschaftern erreicht wurde, findet sie „beachtlich, gerade auch weil das Coronajahr 2020 sehr vieles erschwerte oder schlicht unmöglich machte.“ Persönliche Treffen zum Beispiel wurden im Lauf des Jahres durch Videokonferenzen ersetzt.

Trotz dieser Herausforderung im Ablauf zieht auch Simon Maier ein positives Fazit. Er ist Teil des Teams, das sich beim Kreisjugendring Rems-Murr um das Thema Inklusion kümmert. „Es ist ein tolles Projekt“, sagt Maier. Zum einen, weil die Wege tatsächlich von Menschen mit einer Behinderung getestet wurden – was bei solchen Initiativen leider nicht immer der Fall ist –, zum anderen, weil es das Zusammenkommen von Menschen mit und ohne Behinderung fördere: „Die Strecken sind ein Ort der Begegnung.“

Kartenbestellung

Die Infos zu und Karten von den Wanderbotschafter-Wanderwegen können bei dem Verein Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald kostenlos angefordert werden. Entweder in Papierform bei der Broschürenbestellung unter www.naturpark-sfw.de/informieren/broschueren-bestellung, per E-Mail an info@naturpark-sfw.de, per Post an die Adresse Naturpark SchwäbischFränkischer Wald e.V., Marktplatz 8, 71540 Murrhardt, oder telefonisch unter 07192/213888.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich die Karten auf den eigenen Computer oder aufs Handy runterzuladen, und zwar auf www.naturpark-sfw.de/erleben/barrierefreie-angebote/inklusive-wanderbotschafterinnen.

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Erstellt:
19. Januar 2021, 06:00 Uhr

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